M. Sallmann u.a. (Hrsg.): Dokumente der Berner Reformation

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Titel
Dokumente der Berner Reformation: Disputationsthesen, Reformationsmandat, Synodus.


Herausgeber
Sallmann, Martin; Zeindler, Matthias
Erschienen
Zürich 2013: Theologischer Verlag Zürich
Anzahl Seiten
129 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Sarah Rindlisbacher, Abteilung für ältere Schweizer Geschichte (Ordinariat Holenstein), Historisches Institut der Universität Bern

Mit der Drucklegung der drei zentralen Dokumente der Berner Reformation ordnen sich die beiden Herausgeber und Berner Theologen Martin Sallmann und Matthias Zeindler in eine lange Tradition ein. 1 Im Mittelpunkt dieser Edition stehen die drei klassischen Texte der Berner Reformation – die Disputationsthesen von 1527, das Reformationsmandat von 1528 und der Synodus von 1532 –, die unter anderem als «geschichtliche Grundlage» (S. 31) der evangelisch-reformierten Landeskirche bezeichnet werden und die die «theologische Identität» (S. 32) der Berner Kirche umreissen. Der historische Kontext ist deshalb für das Verständnis der edierten Texte zentral. In enger Zusammenarbeit mit der damaligen weltlichen Obrigkeit begründeten die führenden Berner Pfarrer und Theologen der Reformationszeit in diesen Dokumenten den Wechsel zum evangelisch-reformierten Glauben und konstituierten eine neue Kirchenordnung, die das Fundament für die nachfolgenden Generationen bilden sollte. Darin wird u. a. die Abschaffung der Messe, die Handhabung der Sakramente, das Verhältnis zwischen Kirche und Obrigkeit sowie der Inhalt der neuen Glaubenslehre thematisiert. Da sich die Edition primär an das bernische Kirchenpersonal und nicht an ein historisches Fachpublikum richtet, werden die drei Texte in einer «zeitgemässen Übersetzung» (S. 10) präsentiert. Diese sprachliche Modernisierung verbessert zwar die Lesbarkeit der Texte, die einer im Frühneuhochdeutschen ungeübten Leserschaft in ihren ursprünglichen Fassungen kaum zugänglich sind, doch bedeutet eine Übersetzung immer auch eine Interpretation, was bei der vorliegenden Edition noch stärker reflektiert werden könnte. 2

Es stellt sich nun die Frage, weshalb gerade diese drei altbekannten Schriften neu herausgegeben werden. Die Antwort darauf liefert Synodalratspräsident Andreas Zeller im Vorwort: Die Neuauflage wird als Chance angesehen, die «Grundschriften» der bernischen Landeskirche in den «Kontext des 21. Jahrhunderts» zu stellen (S. 7). Dieser Kontextualisierung widmet sich die ausführliche Einleitung, die in die drei Teile «Historische Zusammenhänge», «Theologische Schwerpunkte» und «Aktuelle Perspektiven » gegliedert ist. Im ersten Teil werden die historischen Umstände der Berner Reformation konzis nach dem Stand der aktuellen Forschung skizziert, um der Leserschaft die Hintergründe der drei Dokumente näherzubringen. Den zweiten Teil nutzen die Herausgeber für die Ausarbeitung der zentralen theologischen Anliegen der Texte (Bibel, Christus, Rechtfertigung und Heiligung, Sakramente, Kirche und Staat). Schliesslich wird im letzten Teil erläutert, weshalb eine Neubefragung der Texte im Sinne einer ecclesia semper reformanda auch im 21. Jahrhundert sinnvoll ist. Dabei werden u. a. die abnehmenden Bibelkenntnisse als «eigentlicher Traditionsbruch» (S. 33) bezeichnet, besonders für eine Kirche, die sich wesentlich auf das Prinzip sola scriptura stützt; weiter soll Christus in einer Welt der Pluralitäten – gerade auch hinsichtlich Andersgläubiger – nicht als ausgrenzend, sondern als «pluralismusfähig» (S. 35) verstanden werden. Als Letztes wird hervorgehoben, dass das Verhältnis zwischen Kirche und Gesellschaft komplexer geworden sei, weshalb die Wahrung der geforderten kritischen Distanz gegenüber diversen Einflüssen von Politik, Wirtschaft und Medien für die Kirche eine Herausforderung darstelle. Die dreiteilige Einleitung wird mit farbigen Abbildungen aus der Reformationszeit und kurzen Info-Kästen zu den wichtigsten Personen und Begriffen illustriert und ergänzt.

Die Neuauflage der drei Grundlagentexte erfolgt wohl nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, an dem die Landeskirche mit Kirchenaustritten zu kämpfen hat und innere Umstrukturierungen vornimmt. Eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der bernischen Kirche soll in solchen Zeiten Orientierungshilfe leisten. Die Edition von Disputationsthesen, Reformationsmandat und Synodus stellt dafür eine Diskussionsgrundlage dar, wobei die ausführliche Einleitung bereits auf zentrale Punkte in den Texten hinweist. In dieser Hinsicht gelingt der Herausgeberschaft eine gute Balance zwischen reformatorischem Text und ergänzenden, weiterführenden Erläuterungen. Obwohl die Herausgeber Ansätze zu einer kritischen Betrachtung der Berner Reformation zeigen, liesse sich eine solche Kritik stellenweise noch vertiefen (so wird z.B. der Bildersturm im Münster nach der Disputation 1528 nicht thematisiert). Doch muss man Sallmann / Zeindler zugutehalten, dass sie sich nicht vornehmlich eine historisch-kritische, sondern eine theologische Auseinandersetzung mit Gegenwartsbezug zum Ziel gesetzt haben. Diesen Ansprüchen werden die Herausgeber gerecht, sodass sich eine Lektüre dieser wichtigen Zeitzeugnisse für alle diejenigen als gewinnbringend erweisen wird, die sich für die Berner Reformation und die Wurzeln der evangelisch-reformierten Landeskirche interessieren.

1 Allein der Synodus erfährt mit diesem neusten Druck seine 20. Herausgabe seit der ersten Drucklegung von 1532. Vgl. dazu die Auflistung von Hans Rudolf Lavater in Forschungsseminar für Reformationstheologie unter Leitung von Gottfried W. Locher (Hrsg.): Der Berner Synodus von 1532. Edition und Abhandlungen zum Jubiläumsjahr 1982. Bd. 1. Neukirchen-Vluyn 1984, 383 – 392. Die Berechnung der 20 Auflagen schliesst diverse Übersetzungen mit ein.
2 Eine vorbildliche Vorgehensweise wählte Locher, der den Berner Synodus 1984 sowohl in der Originalfassung als auch in einer modernen Übersetzung herausgab und somit wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen vermag (vgl. Anm. 1).

Zitierweise:
Sarah Rindlisbacher: Sallmann, Martin; Zeindler, Matthias (Hrsg.): Dokumente der Berner Reformation: Disputationsthesen, Reformationsmandat, Synodus. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2013. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 79 -80.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 79 -80.

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