M. D. Amstutz: Die Anfänge des alpinen Skirennsports

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Titel
Die Anfänge des alpinen Skirennsports - The Golden Age of Alpine Ski-ing.


Autor(en)
Amstutz, Max D.
Erschienen
Zürich 2010: AS Verlag
Anzahl Seiten
176 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Katrin Keller, Thomas-Mann-Archiv, ETH-Bibliothek

Lange vor der Existenz des alpinen Skisports wurde in Nordeuropa, insbesondere in Norwegen, Skilanglauf betrieben. Die dabei verwendeten Holzlatten dienten in schneereichen Gegenden als unverzichtbares Fortbewegungsmittel und gehörten zur Ausrüstung der norwegischen Truppen. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich der Biathlon aus militärischen Übungen zum ersten Wintersportwettkampf. Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten sich erste Pioniere in Norwegen und Österreich in der Abfahrt in steilerem Gelände – es ging bei dieser Form des Abfahrens aber vorerst um körperliche Ertüchtigung und Naturerlebnis. Der im Gegensatz dazu stehende moderne Alpinskisport und mit ihm die Wettkampfdisziplinen Abfahrt und Slalom kamen Anfang des 20. Jahrhunderts pionierhaft in Mürren im Berner Oberland auf, massgeblich geprägt durch zwei Protagonisten – den Engländer Arnold Lunn und den aus Mürren stammenden Walter Amstutz.

In Mürren waren während des Ersten Weltkriegs 1916 –1918 englische Offiziere und Soldaten interniert, die mit Begeisterung das Skifahren entdeckt hatten. Bereits seit 1900 war Mürren in Grossbritannien als Winterreisedestination bekannt, und dies führte zur regelmässigen Präsenz wohlhabender englischer Kurgäste im Alpendorf. Einer dieser Gäste, Arnold Lunn, beabsichtigte mit Skifahrexperimenten den alpinen Wintersport wettkampfmässig weiterzubringen. Damit wurde ein «Flachländer» aus England zu einer der treibenden Kräfte in der Entwicklung des Skisports.

Zwischen Lunn und dem Mürrener Walter Amstutz, der als begnadeter Abfahrer und Skibergsteiger gleiche sportliche Interessen verfolgte, entwickelte sich in dieser Zeit eine lebenslange Freundschaft. 1924 gründeten sie den «Kandahar Ski Club» bzw. den «Schweizerischen Akademischen Skiclub», zwei noch heute bestehende Vereinigungen. Das erklärte Ziel von Lunn und Amstutz war die internationale Anerkennung von Abfahrt und Slalom als valable, den nordischen Disziplinen Langlauf und Skispringen gleichgestellte Wettkampfformen. In diesem Sinne organisierten die beiden Pioniere in den 1920er-Jahren die heute legendären Anglo-Swiss University Race, Arlberg-Kandahar-Rennen und Mürren-Inferno. In die gleiche Zeit fiel auch die erstmalige Veranstaltung des Parsenn-Derbys in Davos, des Lauberhorn-Rennens in Wengen und des Hahnenkamm-Rennens in Kitzbühel.

Eine Begleiterscheinung der ab 1924 einsetzenden Aktivität war die Weiterentwicklung des Materials. Walter Amstutz selber entwickelte die «Amstutz-Feder», eine Spannfeder, die die Schuh-Fixierung auf dem Ski ermöglichte. Diese Innovationen hatten die von den elitär zusammengesetzten Skiclubs nicht nur gerne gesehene Folge, dass sich der Skisport zur Massenveranstaltung ausweiten konnte.

Arnold Lunn, Walter Amstutz und ihre Mitstreiter rangen bis 1930 bzw. 1936 mit der Fédération Internationale de Ski (FIS) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) um Anerkennung der Alpindisziplinen. Am 11. FIS-Kongress vom 26. Februar 1930 in Oslo war das Ziel erreicht, indem der Antrag der Briten, Abfahrt und Slalom zu offiziellen FIS-Disziplinen zu erklären, von der FIS angenommen wurde. In Mürren fanden gleich 1931 die ersten FIS-Weltmeisterschaften in Abfahrt, Slalom und Kombination statt. Dem Entscheid der FIS folgte der Nachvollzug durch das IOC: 1936 wurden die Alpindisziplinen erstmals an den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen ausgetragen.

Mit der Anerkennung durch FIS und IOC ging eine Professionalisierung des Skisports einher, mit der die Flachländer aus England (und anderen Nationen), denen sich nur in den Winterferien Gelegenheiten zum Skifahren boten, nicht mithalten konnten. Darauf reagierte Arnold Lunn mit der Erfindung der «Citadin Races» als Wettkampfform für Amateure.

Zu Beginn seiner Recherchen verfolgte der Autor Max D. Amstutz das Ziel, eine Geschichte seiner Familie zu schreiben; die Pionierrolle, die sein Onkel, Walter Amstutz, bei der Entwicklung des Skisports eingenommen hatte, liess die Familiengeschichte jedoch zu einer Rückschau auf die «goldenen Jahre» des alpinen Skirennsports werden: Amstutz beleuchtet in dreizehn Kapiteln Geschichte, Wettkampfereignisse sowie technische Entwicklungen des Alpinsports bis in die 1930er- Jahre. Dem zweisprachigen (zweispaltige Seiten in Deutsch und Englisch, Übersetzung Katrin Gygax) und reich illustrierten Sachbuch ist ein Vorwort von Beat Hodler, Präsident des Kandahar Ski Clubs, vorangestellt. Der Text ist mit Literaturbelegen – leider ohne Seitenangaben –, einer Bibliografie und einem Bildnachweis versehen und liefert in den Fussnoten Zusatzinformationen zu wichtigen Personen. Ereignisse der Zeitgeschichte werden von Amstutz an wenigen Stellen gestreift, ohne jedoch richtig thematisiert zu werden (u.a. der nationalsozialistische Sportkult). Etwas wenig kritisch erscheint auch die Darstellung der elitären Tourismus- und Sportbewegung und ihres Clubwesens. Dessen ungeachtet ist Amstutz’ Beschreibung der Ursprünge des heutigen Profiskisports und die Würdigung seiner Protagonisten gelungen und lesenswert.

Zitierweise:
Katrin Keller: Rezension zu: Amstutz, Max D.: Die Anfänge des alpinen Skirennsports. The Golden Age of Alpine Ski-ing. Zürich: AS-Verlag 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 1, 2015, S. 39-40.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 1, 2015, S. 39-40.

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