Burgerbibliothek Bern: Jacques Bongars

Cover
Titel
Jacques Bongars. Humanist, Diplomat, Büchersammler


Herausgeber
Burgerbibliothek Bern
Reihe
Passepartout 6
Erschienen
Bern 2012: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
128 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Charlotte Gutscher

Wieder einmal erweist sich das Passepartout als geeignetes Format: Auf leicht lesbare Art wird uns mit Jacques Bongars (1554 –1612) ein Mann nähergebracht, dessen Name vielen Menschen in Bern ein Begriff ist, ohne dass sie genauer wüssten, was er mit Bern zu tun hat und warum sich seine umfangreiche Gelehrtenbibliothek heute in der Berner Burgerbibliothek befindet.

In fünf einführenden Kurztexten werden diese und viele weitere Fragen beantwortet. So stellt zunächst Florian Mittenhuber die Person Jacques Bongars vor und gibt dann einen knappen Überblick zu den von ihm gesammelten Handschriften. Anschliessend führt Sabine Schlütter in den umfangreichen Bestand an gedruckten Schriften ein und verortet die Gelehrtengestalt Bongars in seiner Zeit. Claudia Engler fragt schliesslich nach dem politischen Kontext der Überführung der Bibliothek nach Bern. Der Katalog begleitet und illustriert die einführenden Texte, erweitert angesprochene Fragen mit einem zusätzlichen Blickwinkel und ermuntert zum anregenden Hin-und-her-Blättern während der Lektüre. Der hintere Katalogteil kann als «Blütenlese » aus der Bibliothek verstanden werden und macht gerade durch die scheinbare Zufälligkeit des Gewählten auch eine inhaltliche Aussage: So breit war das Interesse und Wissen dieses frühneuzeitlichen Gelehrten!

Da das Passepartout aus der Fülle der offenen Fragen zur Bibliothek von Jacques Bongars nur einige Aspekte in knapper Form herausgreift, können und sollen diese an dieser Stelle nicht zusammengefasst werden. Stattdessen möchte ich beispielhaft die Antwort auf die eingangs gestellte Frage etwas ausführlicher vorstellen. Wie kommt die Bibliothek eines französischen Hugenotten ohne direkten Schweizer Bezug nach Bern? Im Rückblick wirkt vieles zufällig. So etwa die Heirat des Strassburger Patensohns und testamentarischen Erben des kinderlosen Bongars, Jakob Graviseth (1598–1658), mit der Bernerin Salome von Erlach (1604 –1636). Jakobs Vater, René Graviseth, war Juwelier und Bankier in Strassburg und Kreditgeber des stets in finanziellen Nöten steckenden Bücherfreunds Bongars. Die Beziehung vertiefte sich über das Geschäftliche hinaus zu einer engen Freundschaft. Die als Erbin eingesetzte Familie Graviseth verstand es als oberste Verpflichtung, die wertvollen Bücher für die Nachwelt zu erhalten. Der Transfer in die Schweiz und das Geschenk an Bern war in diesem Sinne folgerichtig und erwies sich im Rückblick als weise, hätte die Bibliothek doch auf kaum einem anderen Weg so unbeschadet die folgenden Jahrhunderte überstanden.

Trotzdem hätte die Geschichte mit der Erbschaft auch anders ausgehen können. Bongars hatte es dem Heidelberger Gelehrten und Freund, Georg Michael Lingelsheim (1556–1636), übertragen, bis zur Volljährigkeit des Patenkindes Jakob Graviseth die Sorge für die Bücher zu übernehmen. Dieser fasste die Funktion einer wissenschaftlichen Bibliothek anders auf: Für den Kollegen war die Nützlichkeit, die Zugänglichkeit einer Bibliothek oberstes Gesetz. Und er wusste: Auch Bongars hatte diese Überzeugung vertreten. Eine eigene Büchersammlung war die Grundbedingung für die «Mitgliedschaft in der Gelehrtenrepublik» (S. 30). Lingelsheim hatte im Zuge des 30-jährigen Krieges nicht nur seine eigene Privatbibliothek verloren, er hatte auch miterleben müssen, wie die Bücher aus der reformierten Stadt Heidelberg nach Rom transferiert worden waren. 1631, im Jahr der Überführung nach Bern, war die reformierte Kriegspartei auf dem Vormarsch, die Schweden nahmen Heidelberg ein und die Bongarsiana wäre in dieser Stadt hochwillkommen gewesen.

Dasselbe galt aber auch für das reformierte Bern, dessen Bibliothek sich durch das Geschenk mehr als verdoppelte und das sich als neues Zentrum, als «neues Heidelberg» oder gar als Gegenpol zu Rom, verstehen konnte. Sehr rasch und auf vorbildliche Weise kam man hier der Bestimmung nach, die Bibliothek zu katalogisieren. Die staatliche Repräsentation war für die Republik Bern denn auch weit wichtiger als die wissenschaftliche Ausstrahlung. Gästen zeigte man in der Folgezeit neben dem Münster und dem Zeughaus auch den bedeutenden Zeugen des wissenschaftlichen Erbes.

Die Kürze der einführenden Beiträge, die Vielfalt der Katalogtexte von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren, die dazwischen vermittelnden Verweise – alle diese Faktoren befördern den Einstieg in die Thematik, ermutigen zum «Querlesen» und zum individuellen Suchen nach Antworten zu den besonders interessierenden Fragen. Kaum jemand wird das Büchlein, mit wie immer ausgezeichneter grafischer Gestaltung und hervorragender Abbildungsqualität, ohne persönlichen Gewinn wieder zur Seite legen.

Zitierweise:
Charlotte Gutscher: Rezension zu: Burgerbibliothek Bern (Hrsg.): Jacques Bongars. Humanist, Diplomat, Büchersammler. Bern: Stämpfli 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 2, 2014, S. 62-63.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 2, 2014, S. 62-63.

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