G. Coutaz: Histoire illustrée de l’administration cantonale vaudoise

Titel
Histoire illustrée de l’administration cantonale vaudoise 1803–2007.


Autor(en)
Coutaz, Gilbert
Erschienen
Chavannes-près-Renens 2010: Archives de l’Etat de Vaud
Anzahl Seiten
204 S.
Preis
ISBN
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Josef Zwicker

Diese illustrierte Geschichte der Verwaltung des Kantons Waadt entspringt dem Willen zur Selbstreflexion eines Gemeinwesens. Sie beruht auf ausgedehnten, detaillierten Untersuchungen, welche Gilbert Coutaz, Staatsarchivar des Kantons Waadt, zur Geschichte von Verwaltung und Exekutive das Kantons von dessen Entstehung im Jahr 1803 bis in die Gegenwart (2007) veröffentlicht hat. 1 (Jene Detailstudien könnten Ermunterung und ein Stück weit auch Anleitung sein für die Verwaltungsgeschichte anderer Kantone. Ausser für Zürich liegt nichts Vergleichbares vor.)

Die vorliegende Publikation ist eine Transformation der genannten wissenschaftlichen Untersuchungen. Sie richtet sich an ein breites Publikum und nicht zuletzt an die Personen, welche im öffentlichen Dienst stehen, die «die Verwaltung» ausmachen und prägen. Dieser Absicht entsprechen Inhalt und Form: Dargestellt sind eher die grossen Linien der Entwicklung und die Schlussfolgerungen aus den Detailstudien als deren Herleitung. Auch die Form drückt die Intention aus: leichtes Layout, übersichtliche Tabellen, lesbare Organigramme und grafisch abgesetzte Exkurse zu einzelnen Themen, vom Logo der kantonalen Verwaltung bis zur Entwicklung der Wochenarbeitszeit. Besonders hervorzuheben ist die Art, wie das Bildmaterial verwendet wird, nicht als Garnitur, sondern als integraler Teil der Publikation, mit inhaltsreichen Bildlegenden.

Dass die illustrierte Verfassungsgeschichte des Kantons den Willen zur Selbstreflexion ausdrückt, ist nicht nur die Absicht des Autors. Der Regierungspräsident weist im Vorwort darauf hin, dass Verwaltungsgeschichte notwendig ist: Ohne einen Apparat, der fähig sei, seinen Entscheiden und Anstössen Gestalt zu geben, gebe es keinen Staat. Und um die Entwicklung des Gemeinwesens zu verstehen, genüge es eben nicht, nur die Verfassung, den juristischen Rahmen, und die politische Geschichte zu studieren. Im Nachwort hält der Vorsteher des Departements des Innern und Vorgesetzte des Staatsarchivs fest, dass diese Form der Geschichte der kantonalen Verwaltung nicht der Erbauung zu dienen habe, sondern in erster Linie zeige, dass der öffentliche Dienst, bei allem unvermeidlichen Zögern, fähig ist, sich zu wandeln.

Nach einer Einleitung über den Sinn einer Geschichte der Verwaltung des Kantons Waadt beschreibt Coutaz den allgemeinen Rahmen: Bevölkerungsentwicklung, Gliederung des Kantons und politische Parteien, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Zusammensetzung der Exekutive, einschliesslich der Diskussionen um das Regierungspräsidium. «L’organisation générale de l’administration» widmet sich den grossen Linien der Entwicklung: Une administration qui se cherche, 1803–1886; Un essor continu et s’accélérant, 1886–1970; Revisiter toute l’administration, 1998; Les organisations de l’administration de 2002 et de 2007. Den Lokalitäten der Verwaltung ist das vierte Kapitel gewidmet, das fünfte ihren Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden. Ausführlich behandelt werden in eigenen Kapiteln die Personalfragen und die Finanzen, insbesondere die wichtigsten Finanzkrisen, einschliesslich der dunklen Jahre («les années noires») 1993 bis 2005. Der Teil «Les vagues réformatrices» umfasst die Bestrebungen um Reformen der Verwaltung von den 1920er Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit den Beziehungen zwischen den Gemeinden und dem Kanton. Dabei geht es um die immer komplexer werdende Arbeitsteilung, beziehungsweise um die Entflechtung der Aufgaben, aber auch um die latente Angst vor Zentralisierung sowie um den Umgang mit den grossen Unterschieden der Finanzkraft der einzelnen Gemeinden. Die Publikation schliesst mit dem Thema «Une administration plus proche du Citoyen», unter Hinweis auf das Informationsgesetz von 2003 und die neuen Mittel der Kommunikation.

Diese Art von Publikation bedeutet für einen Autor, der das Thema umfassend und in allen Details kennt, auch einen Akt der Askese. In einer Hinsicht mag man die Einschränkung bedauern: Der Verzicht auf die Beschreibung «der Verwaltung» als wirkend, eingreifend in Feldern konkreten Handelns. Verwalten bedeutet meist auch über Handlungsspielraum verfügen. Coutaz nennt in einer seiner Detailstudien Beispiele, die für den Kanton Waadt untersucht wurden: die Fremdenpolizei, etwa in den Jahren 1933–1945, oder die Praxis der Sterilisierung nach dem Gesetz von 1928. Andere Felder, in denen die kantonale Verwaltung, und nicht zuletzt leitende Personen, starken Einfluss auszuüben pflegen, sind etwa das Bauwesen, insbesondere der Tiefbau, oder das Erziehungswesen.

In der vorliegenden Arbeit wird die Geschichte der Verwaltung eines Gemeinwesens zu einem Teil der Beschreibung der Identität des Gemeinwesens. Diese Art genetischer Betrachtungsweise nimmt Geschichte wahr als etwas, von dem der Autor und die Herausgeber selbst einen Teil ausmachen. Das kommt am unmittelbarsten dadurch zum Ausdruck, dass die Publikation bis in die jüngste Zeit reicht, also auch Themen behandelt, deren Beschreibung notwendigerweise Wertungen und die Äusserung einer Meinung zu offenen Fragen bedeutet: letztlich ein reflektiertes, aber auch selbstbewusstes Verständnis von öffentlichem Dienst.

1 Gilbert Coutaz: «Le pouvoir exécutif et administratif dans les Constitutions vaudoises (1803–1885)», dans Les Constitutions vaudoises 1803–2003. Miroir des idées politiques, dirigé par Olivier Meuwly, avec la collaboration de Bernard Voutat, Lausanne, 2003, pp. 55–98 (Bibliothèque historique vaudoise, 123). – id., Histoire de l’administration cantonale vaudoise: pouvoir exécutif et administratif 1886–1970, 2006, 113 p. – id., Histoire de l’administration cantonale vaudoise: pouvoir exécutif et administratif 1970–1998, 2007, 135 p. – id., Histoire de l’administration cantonale vaudoise: pouvoir exécutif et administratif 1998–2007, suivie du Bilan de deux cents ans d’histoire de l’administration cantonale vaudoise, 2008, 155 p.; die Publikationen 2006, 2007 und 2008 alle: Chavannes-près-Renens, Archives de l’Etat de Vaud.

Zitierweise:
Josef Zwicker: Rezension zu: Gilbert Coutaz: Histoire illustrée de l’administration cantonale vaudoise 1803–2007. Chavannes-près-Renens, Archives de l’Etat de Vaud. 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 61 Nr. 3, 2011, S. 374-376

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 61 Nr. 3, 2011, S. 374-376

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