A. von Haller: Premier voyage dans les Alpes

Cover
Titel
Premier voyage dans les Alpes, et autres textes, 1728 1732.


Autor(en)
von Haller, Albrecht
Reihe
Travaux sur la Suisse des lumières. Textes 2
Erschienen
Genève 2008: Editions Slatkine
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Martin Stuber, Forschungsprojekt Ökonomische Gesellschaft Bern, Historisches Institut, Universität Bern

Im Sommer 1728 unternahm der 19-jährige Albrecht von Haller zusammen mit Johan- nes Gessner eine Reise durch die Schweiz. Die Route führte die beiden Studienfreunde von Basel nach Biel, Yverdon, Neuenburg und Lausanne bis Genf, zurück nach Lau- sanne, dann nach Sitten und Leukerbad, über die Gemmi nach Kandersteg, Spiez und Meiringen, schliesslich über den Jochpass nach Engelberg, Luzern und Zürich. Die geis- tes- und wissenschaftsgeschichtlichen Folgen der Reise waren gross. Zum einen entwi- ckelte Haller aus den Reiseeindrücken sein wirkungsmächtiges Gedicht Die Alpen, das eine europaweite Alpenbegeisterung einleitete und dabei das Berner Oberland zu einer bevorzugten Tourismusdestination werden liess. Zum anderen nahm Hallers lebens- lange Beschäftigung mit der Alpenflora, die in der ersten wissenschaftlichen Flora der Schweiz gipfelte, hier ihren Ausgangspunkt.

Hallers Reisebericht ist als Manuskript in der Burgerbibliothek Bern überliefert. In deutscher Übersetzung war er 1785 erstmals veröffentlicht worden, im französischen Original 1892 und ein zweites Mal 1948. 1) In der vorliegenden Ausgabe erscheint «die erste Alpenreise» – wie sie oft genannt wird, obschon es eigentlich eine Schweizreise war – erstmals zusammen mit drei Berichten von späteren Alpenreisen, die Haller 1731 und 1732 unter anderem auf den Gurnigel, den Gantrisch und das Stockhorn, durch das Simmen- und das Diemtigtal, zum Grindelwaldgletscher und über die Grosse Schei- degg führten. Grundlage dieser zusätzlichen Texte sind je nach Überlieferungslage die französischen Originalmanuskripte in der Burgerbibliothek Bern und in der Biblio- thèque Mazarine in Paris oder die zeitgenössischen Veröffentlichungen in Latein, die man für die vorliegende Edition ins Französische übersetzte. Nicht aufgenommen wur- den dagegen zwei weitere lateinische Berichte von Hallers Schweizer Reisen (Iter hel- veticum 1740, 1749), die bis jetzt nur in ihrem emmentalischen Teil als Übersetzung vorliegen. 2)

Erstellt wurde die Edition von Aurélie Luther unter der Leitung von Claire Jaquier am Institut de littérature française de l’université de Neuchâtel, wobei zusätzlich externe Fachexperten beigezogen wurden: Laure Chappuis Sandoz vom Institut de préhistoire et des Sciences de l’Antiquité de l’université de Neuchâtel für philologische Fragen, Luc Lienhard vom Institut für Medizingeschichte der Universität Bern für den historisch-bo- tanischen Teil. Die interdisziplinäre Zusammensetzung der Projektgruppe manifestiert sich in der hohen Qualität der Anmerkungen, die über den zu erwartenden Nachweis der Differenzen zwischen den verschiedenen Überlieferungstexten sowie der erwähn- ten Personen und Orte hinausgehen. So werden sämtliche im Original erwähnten Orts- bezeichnungen bis zu den lokalen Flurnamen in Verbindung gesetzt mit den heutigen Ortsnamen, wie sie auf der Schweizer Landeskarte (1:25 000) aufgeführt sind.

Ganz besondere Sorgfalt ist bei den Pflanzennamen festzustellen. Gemäss ihren eigenen Worten wollte die Projektgruppe vermeiden, mit dem Einfügen der heutigen binären Pflanzennamen den Originaltext anachronistisch zu entstellen. Die binäre No- menklatur wurde durch Carl von Linné erst 1753 entwickelt, worauf sie weitere zwei Jahrzehnte brauchte, um sich allgemein durchzusetzen. Zudem war Haller zeitlebens ein prononcierter Gegner des binären Systems. Die Pflanzennamen erscheinen deshalb im edierten Text in Form von kurzen, die Arten prägnant beschreibenden Sätzen, wie sie in der vorlinnéischen Zeit üblich waren. Zugleich werden die Nachweise der einzel- nen Pflanzen in der historischen Fachliteratur – für die zeitgenössische Botanik unent- behrlich, im Originaltext aber nur in Kürzestform aufgeführt – in den Anmerkungen exakt nachgewiesen und aufgelöst, ebenso die Konkordanz zum heutigen binären Na- men, auf die auch über einen eigenen Pflanzenindex zugegriffen werden kann. Damit stehen diese frühen Reiseberichte der weiteren historisch-botanischen Forschung offen, eignet sich doch Hallers botanisches Werk mit seinen präzisen Fundortsangaben wie kaum ein anderes als Ausgangspunkt für die Rekonstruktion historischer Veränderun- gen der Flora.

Die Edition der frühen Reiseberichte Hallers stellen eine ganze Reihe von Frage- stellungen auf eine neue Grundlage, von denen einige in der kurzen, aber gehaltvollen Einleitung von Aurélie Luther skizziert werden. Im Vergleich zum berühmten Alpenge- dicht erfolgt die Darstellung der Alpenbewohner hier sehr viel weniger idealisierend, wobei gerade in dieser Hinsicht zwischen den vier Berichten charakteristische Unter- schiede festzustellen sind. Die Edition lädt aber auch dazu ein, die Berichte des jungen Haller mit denjenigen von Johann Jakob Scheuchzer (1672 –1733) als einem Vorgänger und von Horace-Bénédict de Saussure (1740 –1799) als einem Nachfolger vergleichend zu analysieren.

Einzig die Bildausstattung ist nicht auf der Höhe der übrigen Qualität. Sie ist be- schränkt auf an sich präzis ausgewählten Pflanzenabbildungen, die aber nicht in den Text integriert werden. Die ganze Fülle an weiteren Themen, die in den Reiseberichten erwähnt werden, bleibt dagegen ohne jegliche Illustration, obschon dafür durchaus ort- und zeitnahe Darstellungen zu finden wären.

1) Nachweise aller bisherigen Editionen von Hallers Schweiz- und Alpenreisen in: Steinke, Hubert; Profos, Claudia (Hrsg.): Bibliographia Halleriana. Verzeichnis der Schriften von und über Albrecht von Haller. Basel 2004, 180–181.

2) Haller, Albecht von: Schweizer Reise 1739. Übersetzt von Walter Rytz. In: Burgdorfer Jahrbuch 1987, 9–62.

Zitierweise:
Martin Stuber: Rezension zu: Haller, Albrecht von: Premier voyage dans les Alpes, et autres textes, 1728-1732. Edition établie, annotée et présentée par Aurélie Luther sous la direction de Claire Jaquier, avec la collaboration de Laure Chappuis Sandoz et Luc Lienhard, Genève, Slatkine, 2008, 162 S. (Travaux sur la Suisse des lumières. Textes, vol. 2). Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 72, Nr. 3, Bern 2010, S. 91-93.

Redaktion
Veröffentlicht am
07.04.2011
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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit infoclio.ch (Redaktionelle Betreuung: Eliane Kurmann und Philippe Rogger). http://www.infoclio.ch/
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