Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn (Hrsg.): Stadtgeschichte Solothurn 19. und 20. Jahrhundert

Titel
Stadtgeschichte Solothurn 19. und 20. Jahrhundert.


Herausgeber
Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn
Erschienen
Solthurn 2020: Lehrmittelverlag Kanton Solothurn
Anzahl Seiten
455 S.
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von
Christian Lüthi, Direktion, Universitätsbibliothek Bern

Die Stadt Solothurn feierte 2020 ihr 2000-jähriges Bestehen. Geplant waren ein Stadtfest und zahlreiche weitere Veranstaltungen, die jedoch wegen der Corona-Pandemie nur in reduziertem Rahmen stattfinden konnten. Dafür erschien wie 2018 angekündigt eine neue Publikation zur Stadtgeschichte, die auf die Zeit nach 1798 fokussiert. Die Beschränkung auf die jüngste Geschichte mag bei einer Stadt erstaunen, die stolz auf ihre mittelalterliche und barocke Vergangenheit ist. Der Stadtpräsident Kurt Fluri und die Projektleiterin Verena Bider begründen das in ihrem Vorwort damit, dass die Stadt erst nach dem Ende des Ancien Régime eine autonome politische Einheit bildete und dass viele Institutionen, Firmen und Bauten auf diese Zeit zurückgehen. Zudem fehlte bisher eine Überblicksdarstellung zur Geschichte der neusten Zeit.

Den Einstieg in den Buchinhalt bildet eine schön gestaltete Chronologie, die auf acht Seiten die wichtigsten Ereignisse der zwei Jahrhunderte ausbreitet. Darauf folgen sieben thematische Kapitel, die von sieben Autoren verfasst wurden. Sie decken den Themenkorpus ab, der bei Stadt- und Ortsgeschichten der letzten Jahrzehnte zum Standard gehört. Die Buchgestaltung orientiert sich ebenfalls an Vorbildern der letzten zwanzig Jahre: Der Einband ist mit einem Luftbild der Altstadt versehen, auf der ersten Seite jedes Kapitels ist ein Einstiegsbild platziert, das visuell ins Thema einführt. Überhaupt enthält das Buch viele Bilder. Einzelne Themen wie die parteipolitische Zusammensetzung von Parlament und Regierung sind mit Grafiken illustriert.

Ruedi Graf geht im Kapitel «Gemeindeorganisation und Gemeindepolitik» zuerst auf die Entstehung der Einwohnergemeinde nach der Helvetik ein und schildert, wie sich die Gemeinde im Rahmen von Vermögensausscheidungen vom Kanton und von der Bürgergemeinde löste. Ein längerer Abschnitt zeigt auch die parteipolitische Geschichte der Stadt, die im 20. Jahrhundert von den drei grossen Parteien FDP, SP und CVP geprägt wurde; das Stadtpräsidium wurde bis heute sogar ausschliesslich von freisinnigen Politikern besetzt.

Im Kapitel «Wirtschaft und Finanzen» legt Oliver Schneider einen Schwerpunkt auf die industrielle Entwicklung Solothurns. Obwohl vermögende Patrizier wie die von Roll bereits vor 1800 in die frühe Industrie investiert hatten, setzte erst nach der Gründung des Bundesstaats und mit dem Eisenbahnbau eine Welle von Firmengründungen vor allem in der Metall- und Uhrenindustrie ein. Solothurn war zeitweise die «Hauptstadt der Schrauben» beziehungsweise von deren Produktion und Sitz von bedeutenden Firmen wie der Autophon oder der Scintilla. Der Autor setzt sich ausgehend von der Industrie auch mit weiteren Themen auseinander wie Fabrikarbeit, Steuerpolitik, Kampf gegen Warenhäuser und Einführung von Ferien in verschiedenen Branchen. Die letzten drei Seiten sindder Digitalisierung seit 1980 gewidmet.

Fabian Saner behandelt im Kapitel «Gesellschaft und Gesundheit» verschiedene Gruppen der Solothurner Gesellschaft, das Gesundheits- und Sozialwesen, Frauenvereine, Jugendbewegungen sowie Altersheime und weitere Einrichtungen für die älteste Bevölkerungsgruppe. Ruedi Graf verfasste auch das Kapitel «Stadtentwicklung, Umwelt und Sicherheit», in dem er die bauliche Entwicklung der Stadt und insbesondere die Geschichte der Verkehrsinfrastruktur und der Versorgung mit Wasser, Gas und Strom sowie der Entsorgung von Abwasser und Abfall abhandelt. Ausserdem thematisiert er auf 14 Seiten die Sicherheitsorgane Polizei und Feuerwehr.

Dem religiösen Leben in Solothurn ist ein eigenes Kapitel von Gregor Jäggi und Urban Fink gewidmet. Die Stadt ist als Bischofssitz bis heute ein Zentrum des Katholizismus in der Schweiz. Doch bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Reformierten in der Stadt zu. Heute machen die katholischen Einwohnerinnen und Einwohner nur noch gut einen Fünftel der Bevölkerung aus. Vor allem die Zahl der Konfessionslosen ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Die beiden Autoren gehen auf weitere Religionsgemeinschaften ein; zudem blickt ein längerer Abschnitt auf das Innenleben der St.-Ursen-Pfarrei.

Im Kapitel «Erziehung und Bildung» schildert Fabian Saner die Entwicklung der verschiedenen Schulen aller Stufen und die Veränderungen der Unterrichtskonzepte im Verlauf der Zeit. Unter dem Titel «Sammlungen» findet man zudem die Geschichte von musealen Sammlungen und Bibliotheken, die Teil der Solothurner Bildungslandschaft sind.

Den Schluss macht Peter Keller mit dem Kapitel «Kultur, Sport und Freizeit». Er geht auf das weitgefächerte städtische Kulturangebot und die populärsten Sportarten ein. Zum Freizeitgeschehen gehören hier auch die Gastronomie, die Fasnacht und weiteres Brauchtum. Das Buch enthält auf rund 450 Seiten sehr viele Informationen, aber auch eine grosse Textmenge. Die Abbildungen sind häufig etwas marginal gehalten und oft bloss klein reproduziert. Bei etlichen Bildern kommen deshalb die Details nicht gut zur Geltung oder sind schlicht nicht erkennbar. Das ist schade, denn viele Bilder hätten es verdient, etwas grösser gezeigt zu werden. Das würde auch den visuellen Genuss der Lektüre steigern.

Die Publikation gibt einen guten Überblick über die Geschichte der Stadt Solothurn seit 1800. Dabei kommen auch allgemeine Entwicklungen zur Sprache, die das Geschehen in Solothurn in einem grösseren Kontext darstellen. Ab und zu hätte man sich jedoch einen Quervergleich zu Olten und Grenchen, den beiden anderen Städten im Kanton Solothurn, gewünscht. Nicht jedes Thema wird über die ganzen 220 Jahre abgehandelt. Teilweise wäre es jedoch interessant gewesen, einen ganzen Längsschnitt präsentiert zu bekommen. Die thematische Breite und der Umfang der Publikation machen das Buch zu einem neuen Standardwerk zur Stadt Solothurn und zu einem Meilenstein im Jubiläumsjahr.

Der Kanton Solothurn ist dank der vorliegenden Publikation historiografisch sehr gut bestückt. Nach der 2018 publizierten Stadtgeschichte von Grenchen und dem 1991 erschienenen Band zu Olten verfügen die drei grossen Städte des Kantons über eine moderne und professionell gemachte Stadtgeschichte. Diese Publikationen ergänzen die 2018 mit Band 5 zum 20. Jahrhundert abgeschlossene kantonale Solothurnische Geschichte.

Zitierweise:
Christian Lüthi: Rezension zu: Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn (Hrsg.), Projektleitung Verena Bider: Stadtgeschichte Solothurn 19. und 20. Jahrhundert. Solothurn: Lehrmittelverlag des Kantons Solothurn 2020. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 82 Nr. 4, 2020, S. 49-51.

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Veröffentlicht am
20.08.2021
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