W. Thut: Gottfried Bangerter

Cover
Titel
Gottfried Bangerter. Die Energie der Berner Industrialisierung


Autor(en)
Thut, Walter
Reihe
Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik (115)
Erschienen
Zürich 2019: Verein für wirtschaftshistorische Studien
Anzahl Seiten
112 S.
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von
Benjamin Spielmann

Gottfried Bangerter (1847 – 1923) war ein Berner Unternehmer. Er förderte wesentlich die Industrialisierung des Kantons und setzte sich besonders für die Elektrizitätswirtschaft ein. Auf rund hundert Seiten porträtiert der Berner Historiker Walter Thut das Wirken und die Person Gottfried Bangerters.

Nach Vorwort und Auftakt umreisst der Autor im ersten Kapitel die wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen im Kanton Bern des 19. Jahrhunderts. Dieses Kapitel schafft ein Grundwissen und hilft den Lesenden, Bangerters Tun in einen historischen Kontext einzubetten.

In Kapitel zwei werden der Einstieg Bangerters in die Geschäftswelt und sein sozialer sowie wirtschaftlicher Aufstieg thematisiert. Der Autor zeigt, wie Bangerter in Langenthal vom Textilhändler zum Fabrikherrn wurde, und betont, wie Bangerter technische Innovationen für seine Firmen nutzte. Beispielsweise baute er die vorwiegend händisch betriebene Zementherstellung seines Vaters mithilfe von Wasser- und später von Dampfkraft zum industriellen Betrieb aus. Ebenso wird sein Aufstieg im örtlichen Handels- und Industrieverein – vom einfachen Mitglied zum Kassier und Vizepräsidenten und schliesslich zum Präsidenten – angesprochen. Bangerters politischer Werdegang wird kurz angeschnitten: 1874 wurde er in den Langenthaler Gemeinderat gewählt, 1877 war er für fünf Jahre im Kantonsparlament, und 1890 erfolgte die Wahl in den Nationalrat, dem er zwölf Jahre angehörte. Obwohl dies eine respektable politische Karriere vermuten lässt, war Bangerter laut Autor «kein politisches Schwergewicht » (S. 43). So reichte Nationalrat Bangerter nie einen eigenen Vorstoss ein.

In Kapitel drei wird die Gründung und das Gedeihen der Kohlensäurefabrik Bern behandelt, der Vorgängergesellschaft der heutigen Carbagas. Bangerter war einer der sieben Gründer und stand der Firma als Präsident und Delegierter vor. Zwar wurden in Zürich und in Liebefeld (Köniz) bald Werke eröffnet, von einer Expansion ins Ausland wurde aber abgesehen, weil die Konkurrenz als zu gross erachtet wurde. Auch hier zeigt sich, dass Bangerter damit vielleicht die Chance verpasste, eine grössere überregionale Bedeutung zu erlangen. Er investierte in mehrere Elektrizitätswerke im Kanton Bern und amtierte als Verwaltungsratspräsident. Bangerters Faible für neue Technologien kommt an dieser Stelle erneut zum Ausdruck. Laut Autor war Bangerter «Geburtshelfer» (S. 65) der Strombranche und konnte seine Stellung in der Berner Wirtschaft festigen.

Nach seinem Wirken in der Energiebranche wandte sich Bangerter anderen Wirtschaftszweigen zu, was Inhalt des vierten Kapitels ist: 1899, im Alter von 52 Jahren, siedelte er nach Bern um, dem wirtschaftlichen Zentrum des Kantons. Er wurde Verwaltungsrat bei der Schweizerischen Centralbahn sowie der Zuckerfabrik Aarberg und wirkte bei Firmenfusionen und -sanierungen mit.

Kapitel fünf schliesslich nähert sich dem Privatleben Bangerters an, über das nur wenig bekannt ist. Der Nachruf in der Neuen Berner Zeitung, laut Autor der wohl ausführlichste überlieferte Beschrieb von Bangerters Person, ist in voller Länge abgedruckt. Damit können sich die Lesenden selbst ein Bild über den Porträtierten
machen. Mit einer grafischen Darstellung seiner Mandate und seines Stammbaums schliesst die Biografie über Bangerter.

Thuts Publikation ist anregend und liest sich flüssig. Zahlreiche Fotografien lockern den Text auf. Einschübe vermitteln Anekdotisches über erwähnenswerte Ereignisse und Personen aus dem Umfeld Bangerters. Zu würdigen ist, dass diese Einschübe immer mit dem Leben und Wirken Bangerters in Beziehung gebracht werden. Der Autor hat die Gratwanderung geschafft, die Publikation einerseits gemäss den Vorgaben des Vereins für wirtschaftshistorische Studien zu gestalten, in dessen Reihe sie erschien, nämlich Pioniere, welche der Schweiz zu Wohlstand und Erfolg verholfen haben, einem grösseren Publikum näherzubringen. Andererseits spricht der Autor ein Fachpublikum an, da er sich mit dem Porträtierten mit der nötigen Distanz auseinandersetzt. Damit schliesst der Autor auch eine wichtige Lücke in der Berner Wirtschafts- und Industriegeschichte.

Die weniger erfolgreichen Seiten aus Bangerters Leben hätten mehr Platz erhalten dürfen, etwa seine eher blasse Rolle als Politiker. Bezüge zu anderen Wirtschaftsgrössen hätten geholfen, seinem Leben und Werk noch schärfere Konturen zu geben. Besonders interessant wären Vergleiche mit Alfred Escher gewesen, als dessen Berner Pendant Bangerter gelten kann. Hinsichtlich Quellen und Literatur hätten die Ausführungen breiter abgestützt werden dürfen: Die Historische Statistik der Schweiz Online (HSSO), die 2012 erschienene Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert und Jürgen Osterhammels Geschichte des 19. Jahrhunderts hätten für eine Verortung in einem grösseren Rahmen gute Dienste geleistet. Insgesamt handelt es sich um ein gelungenes Werk, das die Person Gottfried Bangerters und seine Verdienste für die Berner Wirtschaft angemessen würdigt.

Zitierweise:
Benjamin Spielmann: Rezension zu: Thut, Walter: Gottfried Bangerter. Die Energie der Berner Industrialisierung. (Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Bd. 115). Zürich: Verein für wirtschaftshistorische Studien 2019. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 76-77.

Redaktion
Veröffentlicht am
20.08.2021
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