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Titel
Schweizer zur See. Drei Persönlichkeiten undi hre Schiffe


Autor(en)
Zürcher, Walter
Erschienen
Bern 2018: Simowa Verlag
Anzahl Seiten
215 S.
von
Nina Schläfli, Historisches Institut/Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte, Universität Bern

Im Mittelpunkt des Buchs von Walter Zürcher stehen die drei Seefahrer Edward Walter Eberle, Fritz Gerber und Henry Felix Tschudi. Neben dem beruflichen Werdegang und den Schweizer Wurzeln waren ihnen «ihr professioneller Standard und ihr immenses Engagement» (S. 10) gemeinsam.

Edward Walter Eberle (1864 – 1929), der wegen seiner Stellung wohl bekannteste der drei Männer, wurde als Sohn von deutsch-schweizerischen Auswanderern in den USA geboren. Er absolvierte die Marineakademie in Annapolis und begann anschliessend seine lange Karriere bei der US-Navy. Nach seiner Beförderung zum Lieutenant jr. heuerte Eberle auf der «USS Oregon» an, wo er unter anderem im spanisch-amerikanischen Krieg 1898 und in der Blockade der Philippinen zum Einsatz kam. Neben seinen regelmässigen Einsätzen auf See und dem stetigen Aufstieg auf der Karriereleiter verfasste er einige Abhandlungen zu theoretischen und praktischen Fragen der Seekriegsführung, unterrichtete angehende Seefahrer und trug massgeblich zur Modernisierung der Marine bei. Der Höhepunkt seiner Karriere war die Ernennung zum höchsten kommandierenden Admiral der US-Navy 1923.

Fast die Hälfte des Buchs widmet sich Fritz Gerber (1895 – 1952) aus Grossaffoltern. Schon mit siebzehn Jahren zog es Gerber nach Bremen, wo er als Schiffsjunge anheuerte. Nach bestandener Prüfung zum Kapitän begann er seine Offizierslaufbahn in den Diensten deutscher Schifffahrtsunternehmen. Nach längerer Tätigkeit auf Dampfern des Norddeutschen Lloyd wechselte Gerber als Kapitän zur Ersten Deutschen Walfang-Gesellschaft, wo er sich an der Gewinnung von Walöl beteiligte. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wechselte er nach einem kurzen Intermezzo bei der Schweizer Armee zu Reedereien mit Sitz in der Schweiz, wo er bis zu seinem Tod bleiben sollte. Die letzten, ereignisreichen Einsätze auf diesen Schiffen sind spannend geschildert.

Besonders gelungen ist der Einblick in das Leben des dritten Seefahrers, Henry Felix Tschudi (geboren 1926). Die Interviews, die der Autor mit Tschudi und Angehörigen führte, verleihen dem Porträt eine persönliche Note. Der Reedereisohn Tschudi begann seine Karriere als Decksjunge bei der Konkurrenz des Osloer Familienbetriebs. Seinen obligatorischen Militärdienst absolvierte er bei der norwegischen U-Boot-Division, anschliessend heuerte er auf britischen Schiffen an und bereiste das Commonwealth. Nach dem Erwerb des Kapitänspatents wechselte Tschudi in die Reederei seines Vaters, wo er unter anderem mit der Bauaufsicht neuer Schiffe betraut war. Die weitere Beschreibung der Biografie ist eng mit der Unternehmensgeschichte von Tschudi & Eitzen verbunden.

Ein weiterer Fokus des Buchs richtet sich auf die über 250 Schiffe, mit denen die drei Seefahrer beruflich in Kontakt kamen. Ein grosser Teil davon wird detailliert beschrieben, und wie in Zürchers vorhergehenden Publikationen1 geht daraus hervor, dass er früher selbst zur See fuhr und über ein enormes theoretisches Wissen verfügt. Anhand der drei Lebensgeschichten kann deshalb auch nachvollzogen werden, wie sich die Hochseeschifffahrt vom späten 19. ins 20. Jahrhundert hinein in technischer Hinsicht veränderte und wie vielfältig die militärischen und wirtschaftlichen Anwendungsbereiche der Schifffahrt waren.

Wenn auch nicht immer klar wird, inwiefern Tschudi und vor allem Eberle mit der Schweiz verbunden sind, knüpfen die drei Lebensläufe an zentrale Aspekte der Schweizer Geschichte an: die Auswanderung im 19. Jahrhundert, die Entwicklung der Schweizer Hochseeschifffahrt oder die Versorgungslage im Zweiten Weltkrieg.

In den drei quellennahen Porträts finden sich zudem interessante Bezüge zu wichtigen weltpolitischen Ereignissen der jüngeren Geschichte: In Eberles und Gerbers Porträts sind dies etwa die für die internationale Schifffahrt einschneidenden Weltkriege. Die Entwicklung des Unternehmens Tschudi & Eitzen war deutlich durch wirtschaftliche und politische Spannungen, allen voran die Ölkrisen von 1973 und 1979, geprägt, und aus allen drei Lebensläufen lässt sich die Relevanz der Schifffahrt für den Erhalt und die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonien in Afrika und Asien ablesen. Der Autor versucht viele zusätzliche Informationen zu diesen Kontexten mitzuliefern. Die durchaus interessanten Exkurse führen aber stellenweise dazu, dass das Narrativ etwas sprunghaft ist.

Das Werk ist ansprechend gestaltet und mit vielen aufschlussreichen Abbildungen illustriert. Grösstenteils handelt es sich dabei um bisher unveröffentlichtes Bildmaterial. Einige problematische Abbildungen müssen hier allerdings genannt werden: Auf einem Foto und drei Karten (S. 96 – 102), die auch aus einer postkolonialen Perspektive zu hinterfragen wären, sind deutlich Hakenkreuze zu erkennen. Es findet sich kein Kommentar dazu; die erste Karte wird gar als «wunderschöne grafische Darstellung» (S. 97) bezeichnet. An gewissen Stellen mangelt es an der Problematisierung der historischen Kontexte. Deutlich wird dies beispielsweise an der ausführlichen Beschreibung der Walfangexpeditionen, an denen Fritz Gerber beteiligt war (S. 80 – 106). Hier wurden weder der Walfang an sich noch die Bezüge zur deutschen Schifffahrt im Nationalsozialismus ausreichend reflektiert.

Die Publikation schliesst mit einem informativen und sorgfältig zusammengestellten Anhang. Besonders hilfreich sind die verschiedenen Register und die Nachweise der Schiffe der drei Seefahrer in Tabellenform.

Das Ziel des Buchs, die sehr unterschiedlichen Lebens- und Karrierewege der drei Seefahrer darzustellen, wurde mehr als erfüllt. Die Publikation richtet sich nicht nur an Interessierte der Schifffahrtsgeschichte, sondern bietet auch einem breiteren Publikum einen aufschlussreichen Einblick in den Alltag auf hoher See.

1 Zürcher, Walter: Schweizer Reeder in aller Welt. Schweizer Schifffahrtsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Bremen 2010; Zürcher, Walter: Schweizer Flagge zur See. Die Geschichte der schweizerischen Hochseeschiffahrt. Bern 1986

Zitierweise:
Nina Schläfli: Zürcher, Walter: Schweizer zur See. Drei Persönlichkeiten und ihre Schiffe. Bern: Simowa 2018. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 81 Nr. 4, 2019, S. 78-80.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 81 Nr. 4, 2019, S. 78-80.

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