T. Kaestli: Bözinger Geschichte

Cover
Titel
Bözinger Geschichte. Entwicklung einer dörflichen Gemeinde vom Mittelalter bis in die neueste Zeit


Autor(en)
Kaestli, Tobias
Herausgeber
Burgergemeinde Bözingen
Erschienen
Biel 2016: Die Brotsuppe
Anzahl Seiten
406 S.
von
Christoph Zürcher

Um es vorwegzunehmen: Der schöne Band überzeugt mit Inhalt, Layout und Bebilderung. Eingeschobene Quellentexte heben sich graublau unterlegt und schriftmässig vom übrigen Text ab. Zu jedem der vier Teile («Von den Anfängen bis 1798», «Französische Zeit und Anschluss an Bern 1798 bis 1816», «Gemeindeentwicklung 1816 bis 1916», «Von der Gemeindefusion bis heute») haben die Fotografin Christelle Geiser und der Fotograf Mischa Dickerhof eine Anzahl Farbaufnahmen mit Motiven aus dem heutigen Bözingen beigesteuert. Wie es bei einem so erfahrenen Autor wie Tobias Kaestli nicht anders zu erwarten ist, gehören eine umfassende Bibliografie (S.385–397) so­wie – nicht selbstverständlich bei Ortsgeschichten – ein Personen­, Orts­ und Sachregister dazu. Der Leser schätzt die Fussnoten (statt Endnoten). Wichtigste Quelle bilden die Bestände des Burgerarchivs Bözingen. Ausgewertet wurden auch Quellen des Stadtarchivs Biel, des Staatsarchivs Bern, der Archives de l’ancien Évêché de Bâle und des Archivs der Gesamtkirchgemeinde Biel. Die Bözinger Geschichte ist übrigens bis heute für den Kanton Bern die einzige wissenschaftliche Geschichte über eine der Eingemeindung «zum Opfer gefallene» Gemeinde.

Der Ursprung Bözingens liegt im Dunkeln, der Name taucht erstmals 1181 in einer Urkunde auf. Dass Bözingen heute eine Gemeindegeschichte erhält, ist dem Umstand zu verdanken, dass die starke Burgergemeinde bei der Fusion 1917 selbstständig blieb und den stattlichen Band finanziert hat. Die Burgergemeinde Bözingen gehört übrigens zu den sechs bernischen Burgergemeinden (Aarberg, Bern, Biel, Bözingen, Burgdorf und Thun), die sich bis heute mit Fürsorgefragen befassen.

Die Bözinger Geschichte weist einige Besonderheiten auf, die sie von andern «dörflichen» Gemeinden abheben. Erstens liegt Bözingen an einer verkehrsgeschichtlich interessanten Lage, nämlich am Austritt der Schüss aus der Frontkette des Jura und damit an einer in die römische Zeit zurückreichenden Durchgangsstrasse zwischen dem Mittelland und dem Jura. Davon profitierte das Gastgewerbe bis 1859, als die neue Reuchenettestrasse von Biel her eröffnet wurde. Zweitens wurde die Wasserkraft der Schüss von alters her genutzt für den Betrieb von Mühlen und Sägen und ab 1634 für den Drahtzug, der bis 1990 bestand, sowie für die Elektrizitätsgewinnung. Bözingen war also nie ein reines Bauerndorf. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Landwirtschaft als Erwerbszweig immer mehr durch die Industrialisierung zurückgedrängt. Viele Bözinger arbeiteten in Biel.E

ine Frage, die sich bei Gemeindefusionen immer stellt: Wer ist die treibende Kraft, wer profitiert von der Fusion? Der direkte Anstoss zur Fusion ging von Biel aus. 1910 lancierte die Sozialdemokratische Partei Biel ein grosses Fusionsprogramm, das auf alle angrenzenden Gemeinden inklusive Nidau zielte. Allerdings gehörten von den anvisierten Gemeinden nur Bözingen und Leubringen zum Amtsbezirk Biel. Der Bözinger Gemeinderat ging auf das Projekt ein, wobei die gegenüber Biel schlechtere Wirtschafts­ und Finanzlage (unter anderem höhere Steuern in Bözingen) sowie die zentralörtische Sogwirkung Biels (Technikum, Gymnasium, Bezirksspital, Gas­, Elektrizitäts­ und Wasserversorgung) eine Rolle spielten.

Im Schlusswort stellt der Autor zu Recht fest, dass das ehemalige Dorf kaum mehr zu erkennen sei. Industriegebäude, Lagerhallen, Sportstätten und Verkaufseinrichtungen sowie ungeplante Wohnsiedlungen liessen die Gemeinde zu einem Agglomerationsbrei verkommen. Bözingen sei, wie viele Aussenquartiere in Agglomerationen, ortsplanerisch vernachlässigt beziehungsweise einer übergeordneten Industriepolitik und Verkehrsplanung geopfert worden. Heute, nach Fertigstellung der Südumfahrung von Biel, bietet sich die Chance einer neuen, langfristigen Siedlungsplanung unter Einbezug der Bevölkerung. Bözingen mit seinem noch lebendigen «Dorfgeist» könnte seine eigenen vielfältigen Kräfte mobilisieren und zu einem Modellfall für eine qualitätsvolle Gestaltung eines Aussenquartiers werden.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Kaestli, Tobias: Bözinger Geschichte. Entwicklung einer dörflichen Gemeinde vom Mittelalter bis in die neueste Zeit. Hrsg. von der Burgergemeinde Bözingen. Biel/Bienne: Die Brotsuppe 2016. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 3, 2018, S. 62-63.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 3, 2018, S. 62-63.

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