K: Kreppel: glaubenstreu und vaterländisch

Cover
Title
Jonas Kreppel – glaubenstreu und vaterländisch. Biografische Skizze über einen österreichisch-jüdischen Schriftsteller


Author(s)
Kreppel, Klaus
Published
Wien 2017: Mandelbaum Verlag
by
Heiko Haumann, Departement Geschichte, Universität Basel

Klaus Kreppel, pensionierter Gymnasiallehrer in Bielefeld, hat sich durch seine Dissertation über den frühen religiösen Sozialisten Wilhelm Hohoff und durch seine Arbeiten zur deutsch-jüdischen Einwanderung in Palästina / Israel einen Namen in der Wissenschaft gemacht. Er gehört zum christlichen Zweig der über die ganze Welt verstreuten Kreppel-Familie, der mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gemeinsame Herkunft mit dem jüdischen Zweig hat. Familiengeschichtliche Recherchen erweiterten sich zu einer «politischen Biografie» Jonas Kreppels und zugleich zu einer «zeithistorischen Studie» (S. 11). Eingearbeitet sind dabei verschiedene Beiträge von Evelyn Adunka und Thomas Soxberger, die beide wichtige Schriften zur jüdischen Geschichte und Kultur publiziert haben. Jonas Kreppel, am 25. Dezember 1874 im galizischen Drohobycz geboren, arbeitete nach einer Druckerlehre als Redakteur, Verleger und Publizist. 1915 trat er als Referent in das Pressedepartement des österreichischen Aussenministeriums ein, das 1923 in das Bundeskanzleramt eingegliedert wurde. Bis 1938 blieb er dort Regierungsrat. Bekannt ist er durch sein 1925 erschienenes und immer noch grundlegendes Handbuch «Juden und Judentum von heute». Daneben veröffentlichte er zahlreiche politische Studien, ostjüdische Erzählungen, chassidische Legenden, Kriminalgeschichten um den «Wiener Sherlock Holmes» Max Spitzkopf sowie eine Anthologie des jüdischen Humors. Seine schriftstellerischen Werke schrieb er überwiegend in Jiddisch. Damit wurde er zu «einer der zentralen Figuren der jiddischen Literatur in Westgalizien» (S. 276). Es würde sich lohnen, einige seiner Arbeiten neu herauszugeben.

Jonas Kreppel war, nachdem er sich in seiner Jugend auch mit der jüdischen Aufklärung, der Haskala, vertraut gemacht hatte, «glaubenstreu und vaterländisch», wie ihn der Buchtitel treffend charakterisiert. Das zentrale Thema seiner Tätigkeit, das ihn sein ganzes Leben begleitete, war die Verbindung von thoratreuer Orthodoxie – mit Sympathien für den Chassidismus –, «jüdischer Lebenskultur» (S. 276) sowie patriotischem Eintreten für die Habsburger Monarchie und später für die Republik Österreich. Zunächst Anhänger des Zionismus, distanzierte er sich zusehends von dessen Nationsverständnis und Fixierung auf die Ansiedlung in Palästina. Entsprechend wurde er von manchen Zionisten erbittert bekämpft. Für Jonas Kreppel bedeutete das Judentum eine «religiöse Volksgemeinschaft » (S. 129, vgl. S. 180 / 181) mit Betonung auf der Religion. Eine «Verengung» auf «eine ethnische, soziologische oder politische Größe» (S. 275) lehnte er ab. Als Mitglied und Förderer der «Agudas Jisroel», der orthodoxen Weltvereinigung, setzte er sich durchaus für jüdische Siedlungen in Palästina ein – dabei warb er für einen Ausgleich mit den Arabern –, hob aber zugleich die Bedeutung des Diasporajudentums und dessen politische Unterstützung in der «Gegenwartsarbeit» (S. 66) hervor. So erwartete er auch als Gegenleistung für jüdischen Patriotismus «gesellschaftliche Anerkennung und Gleichberechtigung » (S. 90). Einen Sieg über Russland im Ersten Weltkrieg deutete er geradezu heilsgeschichtlich als «Erlösung» für die Juden (S. 94, 109). Solange es möglich war, bekämpfte er antisemitische Tendenzen. Die «Über-Nationalität» (S. 275, vgl. 243) der jüdischen Bevölkerung betrachtete er als ein im habsburgischen Vielvölkerreich bewährtes Muster, um die «Rivalität zwischen Religionen und Ethnien, Sprachen und Kulturen» (S. 106) zu überwinden. Mehrfach versuchte er, zwischen verschiedenen Richtungen im Judentum zu vermitteln, so wenn er sich an der Czernowitzer Sprachkonferenz von 1908 dafür stark machte, Jiddisch und Hebräisch als gleichberechtigte Sprachen anzuerkennen. Letztlich blieb er aber ein «Einzelgänger» (S. 124). Während der 1930er Jahre warnte er unermüdlich vor dem Nationalsozialismus und rief alle jüdischen Organisationen und ideologischen Richtungen, die Österreicher und die Westmächte eindringlich dazu auf, diesem energisch entgegenzuwirken. 1933 trat er zu diesem Zweck sogar der austrofaschistischen Einheitspartei «Vaterländische Front» bei und warb für eine konstitutionelle Monarchie. Nach dem «Anschluss» Österreichs an das Deutsche Reich wurde er am 5. Mai 1938 in «Schutzhaft» genommen und wenig später in das Konzentrationslager Dachau, danach nach Buchenwald deportiert. Obwohl sich offenbar Funktionshäftlinge bemühten, ihn zu schützen, starb er am 21. Juli 1940, offiziell an «Altersschwäche». Seine Asche konnte auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt werden. 2008 wurde die Grabinschrift auf Initiative Klaus Kreppels restauriert.

Die Studie beeindruckt durch die sorgfältige und umfassende Auswertung aller verfügbaren mündlichen und schriftlichen Quellen. Familiengeschichtliche Zusammenhänge werden ebenso erläutert wie die historisch-politischen Kontexte. Die Ausführungen bestechen dabei durch die sichere Kenntnis der einschlägigen Forschungsliteratur, setzen allerdings manchmal für weniger eingeweihte Leserinnen und Leser viel voraus. Immer wieder werden bedeutende Ereignisse und Zusammenhänge in neuem Licht behandelt, so das «Drohobyczer Blutbad» von 1911 oder die Abhängigkeit der christlich-sozialen Regierung Österreichs in den 1920er Jahren vom Vatikan. Klaus Kreppel begleitet Jonas Kreppels Wirken, bei aller Empathie, durchaus kritisch. Er verschweigt auch nicht dessen menschliche Schwächen, etwa seinen Umgang mit Geld oder seine Neigung zum Selbstlob. Schade, dass vermutlich aufgrund mangelnder Informationen diese Hinweise nur wenig mit seinem Werdegang als Publizist und Politiker verknüpft werden konnten. Insgesamt liegt hier ein Werk vor, das anhand der Biografie Jonas Kreppels wesentliche Einblicke in die jüdische Kultur, in innerjüdische Auseinandersetzungen, in die Geschichte des Habsburger Reiches und Österreichs sowie in deren publizistische und literarische Szene zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 1930er Jahren gewährt. Das Buch ist für alle unverzichtbar, die sich mit diesen Themen beschäftigen.

Zitierweise:
Heiko Haumann: Klaus Kreppel: unter Mitwirkung von Evelyn Adunka und Thomas Soxberger, Jonas Kreppel – glaubenstreu und vaterländisch. Biografische Skizze über einen österreichisch-jüdischen Schriftsteller, Wien: Mandelbaum Verlag, 2017. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 1, 2019, S. 191-192.

Editors Information
Author(s)
Contributor
First published at

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 1, 2019, S. 191-192.

Additional Informations
Type
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Book Services
Contents and Reviews
Availability