S. Burghartz u.a. (Hrsg.): Sites of Mediation

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Titel
Sites of Mediation. Connected Histories of Places, Processes, and Objects in Europe and Beyond, 1450–1650


Herausgeber
Burghartz, Susanna; Burkart, Lucas; Göttler, christine
Reihe
Intersections 47
Erschienen
Leiden 2016: Brill Academic Publishers
Anzahl Seiten
430 S.
von
Tilmann Kulke

Ziel der Herausgeber und Autoren ist klar: Es gilt, das container-thinking und den methodologischen Nationalismus der traditionellen historischen Disziplinen zu überwinden, welche lange Zeit die Nation und den Staat als prädestiniertes Analyseobjekt festschrieben und nach wie vor in starkem Masse in ihren jeweiligen Fachdisziplinen verharren.

Geschichte müsse durch ihre direkten und indirekten Verflechtungen und Beziehungsketten, ihre lokalen Begegnungen und globalen Beziehungen analysiert werden, unter ständiger Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Intensitäten und Wirkungsbereiche. «In this way, connectivity in history sheds light equally on the circulation of persons, concepts, knowledge and goods and explores them in concrete spatial contexts.» (S. 2)

Es ist Susanna Burghartz, Lucas Burkart und Christine Göttler, dies sei an dieser Stelle bereits erwähnt, vollends gelungen, die obige Agenda in der vorliegenden Studie konstant durchzusetzen. Es ist vor allem die konkrete methodische Anwendung, welche die Studie so wertvoll und zu einer ausgezeichneten Vorlage für weitere disziplinübergreifende Forschungsprojekte innerhalb der vormodernen Globalgeschichte macht. Denn obwohl es in den letzten Jahren ohne Zweifel eine Öffnung der Mediävistik und der frühneuzeitlichen Geschichtswissenschaft hin zu einer globalen Perspektive und Analyse gegeben hat und wichtige Pionierstudien erschienen sind, stecken wir doch nach wie vor ziemlich am Anfang. Die hier zu besprechende Studie ist daher ein äusserst wichtiger Beitrag zu diesem spannenden und stetig wachsenden Forschungsfeld.

Grundlage des Projekts war das von 2012–2016 von der Swiss National Science Foundation geförderte interdisziplinäre Doktoratsprogramm Sites of Mediation: Entangled Histories of Europe 1450–1650. Die Früchte dieses Forschungsprojektes liegen dem Leser nun in der angesehenen Reihe Intersections. Interdisciplinary Studies in Early Modern Culture des Brill-Verlages vor und belegen deutlich, wie viel mit interdisziplinär angelegten Doktoratsprogrammen erreicht werden kann. Denn während manche Doktorierende in den Geistes- und Kulturwissenschaften ohne jegliche Betreuung oftmals bis zum Tage ihre Verteidigung auf sich alleine gestellt vor sich hin promovieren, wurde hier offensichtlich alles richtig gemacht und man muss dem Herausgeber- und Autorenteam ausdrücklich zu diesem gelungen Wurf gratulieren. Und wenn dann noch Grössen der Forschung, wie beispielsweise Antonella Romano (Directrice d’études am Centre Alexandre Koyré), sich dazu bereit erklären, ein auf den wissenschaftlichen Nachwuchs konzentriertes Forschungsvorhaben zu unterstützen, scheint der Erfolg garantiert.

Das Herausgeber- und Autorenteam verbindet erfolgreich globale Perspektiven und Forschungsfragen mit der Geschichte der materiellen Kultur und unterstreicht auf diese Weise das grosse Analysepotenzial von Objekten, Artefakten, Bildern und unterschiedlichsten anderen (Alltags‐)Gegenständen, um die jeweils individuellen globalen Vorstellungswelten (im vorliegenden Fall primär) urbaner Kulturen zu analysieren. Hierfür konzentrieren sich die jeweiligen Artikel auf eine Reihe von europäischen Städten, die auf verschiedenen Ebenen der globalen und interregionalen Vernetzungen operierten und hier als Orte der Konnektivität, Begegnung und des Austauschs vorgestellt werden. Den analytischen Begriff ihres Titels Sites definieren Burghartz, Burkart und Göttler als «location, place, position, situation, or scene of particular activity, among other things» (S. 1). Diese Vielseitigkeit mache, so die Herausgeber, «‘site’ an appropriate concept to account for different and even divergent cultural and societal perspectives» (S. 1). Mediation, so weiter, «foregrounds relational and dynamic activities» (S. 1).

Nach der äusserst gelungen Einleitung, in der die Herausgeber das weitgefächerte und komplexe Forschungsfeld pragmatisch und verständnisvoll darstellen, folgen die drei Sektionen der Studie: Staging Encounters (S. 23–156), Translation, Transmission, Transformation (S. 157–296), Fluid Worlds (S. 297–406). Nach der Lektüre war schnell klar, dass die Artikel der drei Sektionen allesamt vorbildhafte Fallstudien sind und erfolgreich zu einer methodischen tool-box beitragen, welche wir so dringend für die vormoderne Globalgeschichte benötigen. Aber Schritt für Schritt: Es ist kein leichtes, einen solch geglückten Sammelband auf ein paar Seiten zu rezensieren. Daher können auch nur ein paar der hier vorliegenden Beiträge in Kürze vorgestellt werden, obwohl alle, das sei noch einmal ausdrücklich erwähnt, eine intensive Besprechung verdient hätten.

Antonella Romano leitet den Sammelband mit ihrem Beitrag Rome and its Indies: A Global System of Knowledge at the End of the Sixteenth Century (S. 23–45) ein. Im Mittelpunkt ihrer Analyse steht der Besuch fünf junger japanischer Männer in Rom, deren Familien bereits seit den 1540er Jahren in Kontakt mit den Portugiesen standen. Der Besuch stellt den wohl spektakulärsten Moment in Roms vormoderner globaler Verflechtungsgeschichte dar und er erfuhr europaweit eine enorme Aufmerksamkeit. Wenn von Rom als Weltstadt die Rede ist, dürfe dies aber nicht missverstanden werden als eine das weltweite Wissen dominierende und monopolisierende Metropole. Vielmehr, so die Autorin, war das Rom der «post-Tridentine policy» (S. 27) eine, wenn auch herausragende, Wissensmetropole unter anderen. Man fand in Rom zwar «(…) the knowledge of the world in a nutshell»; aber eben nicht, weil es einzig Akteur, sondern eben genauso Profiteur des frühneuzeitlichen globalen Wissenstransfers war.

Die Bedeutung Roms als Ort frühneuzeitlicher globaler Wissensvermittlung liegt, so die Autorin, also in seiner kumulativen Funktion. Denn was dort an Information von und über Japan letztlich ankam, basierte vielfach auf externen Vorkenntnissen, die von anderen Orten und Kanälen stammten, welche wiederum von anderen Akteuren vermittelt wurden und erst dann in den vielen Intellektuellen Hubs der Heiligen Stadt verarbeitet wurden. Vor diesem hochkomplexen Hintergrund muss daher die Bedeutung und Wirkung der japanischen Gesandtschaft als auch die Veröffentlichung des ersten spanischen Buches über China durch González de Mendoza verstanden werden. Japan und China trafen sich in Rom, aber eben nicht (!) durch Initiative eines römischen Masterplans, wie ein traditioneller diffusionistischer Ansatz argumentieren würde, sondern vielmehr aufgrund einer fragilen und vielschichtigen Konstellation, welche die verschiedenen Ressourcen – soziale, kulturelle und politische – zu stärken vermochte und Rom als Standort weltweiter Wissensproduktion begünstigte. «The connecting power of Rome – either directly or indirectly through a series of other sites of mediation, as is the case with both Nagasaki and Macao – defines it as the site of a global system of knowledge.» (S. 44)

Benedikt Bego-Ghina beschäftigt sich mit dem vielfältigen Wissenstransfer zwischen Venedig und der Levante nach der für das Christentum dramatischen Eroberung Konstantinopels 1453, in Settings the Stage for Oneself and Others: Venice and the Levant in the Fifteenth Century (S. 71–93). In einer ausgezeichneten Rezipienten-Analyse schafft es Bego-Ghina aufzuzeigen, dass die Schriften der Venezianer aus Istanbul insbesondere auch dazu dienten, das Lesepublikum zu Hause subtil zu beeinflussen. Der Autor konzentriert sich vor allem auf die schillernde Figur des Bartolomeo Minio (1428–1518) und seine Schriften in die Heimat. Minio verschleierte in seinen Berichten die schwache Position Venedigs gegenüber dem Osmanischen Reich. Während die Forschung generell dazu tendiert, Venedig eine pragmatische und rationale Haltung gegenüber seinen mächtigen muslimischen Nachbarn im Osten zuzuschreiben, zeigt Bego-Ghina, wie Minios Beschreibungen eine starke ideologische Komponente aufwiesen. Es war für ihn schlichtweg nicht möglich, so der Autor, seinem Lesepublikum die harte Realität, nämlich die eigene unterlegene Position gegenüber den Osmanen, unverblümt darzulegen: «In this regard Minio played to the expectations of his Venetian audience, manifested partially in the humanist discourse about the Ottomans.» (S. 92)

Der Nachteil einiger globalhistorischer Analysen liegt oftmals darin, dass sie sich einzig mit fancy-klingenden Termini wie border-crossing, Mobilität, Netzwerkanalyse oder dem individuellen traveller beschäftigen, ohne dabei auf die vielfältigen (politischen, ökonomischen, ökologischen, militärischen, religiösen, etc.) globalen Machtstrukturen einzugehen, welche auf die jeweiligen Akteure einwirkten und deren Handlungen und Entscheidungen beeinflussten. Dies vermeidet Franziska Hilfiker in ihrem Aufsatz Negotiating Arctic Waters: John Davis’s The Worldes Hydrographical Discription (S. 353–372), indem sie ihre Ergebnisse konsequent in den kolonialen Machtkampf um 1600 einbettet. Sie zeigt auf, wie facettenreich und vielschichtig die Wissensanreicherung über die Ozeane zu Beginn des 17. Jahrhunderts war und wie sie gezielt in den politischen Diskurs integriert wurde.

(…) the exploration of Arctic hydrography and geography and its negotiation in
and through different media was also positively stimulated by imperial rivalries and
competition at sea. At the time, the mediation of these maritime spaces can also be
read in part as a cooperative, trans-imperial project, one that (…) linked the cities
of London and Amsterdam. (S. 370)

Obwohl die Autoren alle sehr gute Zusammenfassungen liefern, hätte man sich doch eine kurze abschliessende Schlussbetrachtung der Herausgeber gewünscht, beispielsweise mit einem Forschungsausblick und einem Appell zur Zusammenarbeit mit anderen kleineren Fächern, etwa der Islamwissenschaft. Was waren hier die vormodernen sites of mediation und deren Akteure? Dies ist allerdings nur ein minimaler Kritikpunkt eines sonst begeisterten Lesers und drückt vor allem die Hoffnung aus, dass sich an dieses erfolgreich abgeschlossene Projekt bald ein neues anschliessen wird. Die Studie ist sehr gut gegliedert und – das ist kein Normalfall – die Farbbilder und Stiche von ausgezeichneter Qualität. «Sites of Mediation: A Working Perspective?» (S. 3) Absolut! Die vorliegende Studie ist eine mustergültige Vorlage in optima forma, wie künftige Sammelbände zu diesem Thema zu gestalten sind: nämlich fächerübergreifend, transdisziplinär und im konsequentem Dialog zwischen etablierten und anerkannten Wissenschaftlern auf der einen und motivie ten und engagierten Nachwuchswissenschaftlern auf der anderen Seite.

Zitierweise:
Tilmann Kulke: Susanna Burghartz, Lucas Burkart, Christine Göttler: Sites of Mediation. Connected Histories of Places, Processes, and Objects in Europe and Beyond, 1450–1650, Leiden / Boston: Brill, 2016. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 1, 2019, S. 165-168.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 1, 2019, S. 165-168.

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