Cover
Titel
Swiss Maid. The Untold Story of Women’s Contributions to Switzerland’s Success


Autor(en)
Zinggeler, Margrit V.
Erschienen
New York 2017: Peter Lang Publishing/New York
Anzahl Seiten
384 S.
von
Franziska Rogger

«This book would not have come into existence had not my former student (…) presented me with R. James Breiding’s book ‘The Untold Story behind Switzerland’s Success’», schreibt Margrit V. Zinggeler zu Anfang ihres Buches. Breidings Buch, auf das sie verweist, erschien 2013 in London.1 Es beschreibt nicht uninteressant den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz, seine Pioniere und Erfolgsmodelle. Was aber besonders auffällt: Es ist klinisch rein geputzt von noch so mikroskopisch kleinen Verweisen auf weibliche Erfolgsgeschichten. Da ist keine Pauline Zimmerli erwähnt, welche die Textilindustrie befruchtete, keine Else Züblin, die einen heutigen Gastrokonzern initiierte und keine Elisabeth Feller, die ein Elektrotechnikunternehmen zum Erfolg führte. Neu oder aussergewöhnlich ist das leider nicht. Selbst in den kürzlich erst erschienenen Geschichten der Schweiz kommen die weiblichen Wesen höchstens in homöopathischen Dosierungen vor. Doch die in Michigan USA lebende und lehrende Margrit V. Zinggeler erstaunte dies sehr.

Die ursprünglich aus der Ostschweiz stammende Germanistikprofessorin beliess es nicht dabei, diesen Missstand einfach nur zu beklagen. Sie begann, nach jenen zahlreichen Schweizer Frauen zu forschen, die mit ihrer unermüdlichen Arbeit mithalfen, die Nation aufzubauen, also nach den Hausfrauen, Bäuerinnen, Ehefrauen, Arbeiterinnen, Angestellten, Krankenschwestern, Klosterfrauen, Lehrerinnen, Unternehmerinnen … Sie durchpflügte die von vielen Frauen und wenigen Männern geschriebenen Partialberichte und Einzelbiografien, Statistiken und Datensammlungen. Sie reiste ins Internet und in die Schweiz. Schliesslich schrieb sie das Buch mit dem doppeldeutigen Titel, der auf die Swiss Maid als weltweit bekanntes Mädchen-Stagiare ebenso anspielt wie auf die Qualitätsarbeit des Landes, das Swiss Made.

Ihr Buch startet mit der persönlichen Geschichte ihrer Vorfahrinnen. Dann spannt sie einen weiten Bogen von den Römerinnen und den ersten Frauenklöstern bis zu den heute erfolgreichen weiblichen CEOs, den strahlenden Bundesrätinnen und Petra Volpes Film über die «Göttliche Ordnung». Grosszügig ist auch der Gesamtrahmen. Die Genesis, Goethe und Mao Zedong dürfen ein Wörtchen mitreden. Auch filmische und musische Dokumente sind eingearbeitet, Reisen und Begegnungen werden geschildert – es ist keine Papierstudie aus den USA, es soll erlebte Geschichte sein.

Das schwächste Kapitel dürfte wohl das zur Politik beziehungsweise zum Stimmrechtskampf sein. Zinggeler wollte in ihrem Buch mehr auf Hintergrundarbeiterinnen fokussieren denn auf Frauen, die Spuren hinterlassen haben. Doch kommt man nicht an einem Kapitel zu den Women in Politics vorbei. Zinggeler streut denn auch einen riesigen Strauss zweifellos wichtiger Namen über wenige Seiten hin in ihre Studie ein: Von Queen Agnes, Meta von Salis und Carl Hilty bis hin zu Iris von Roten, Kunigund Feldges-Oeri und Emilie Lieberherr. Für die US-Leserin vielleicht etwas des Guten zu viel.

Dennoch sind die Rollen der genannten Personen im Stimmrechtskampf nicht unbedingt nachvollziehbar. Etwa die von Marie Boehlen, deren viele Ämter zwar exakt aufgezählt werden, nicht aber ihr Hauptverdienst, 1959 eine erste nationale Stimmrechtsvorlage miterzwungen und an vorderster Front erkämpft zu haben. Boehlen hatte erkannt, dass kein Weg daran vorbeiführte, dass das Stimm- und Wahlrecht nur auf die harte Tour mit einem Urnengang zu erkämpfen war und dass es nicht einfach mit einem Akt des Bundesgerichts gewährt werden konnte, wie sich dies unter anderem Iris von Roten vorstellte. Das bürgerliche Pendant zur SP-Kämpferin Marie Boehlen, die spätere SVP-Frau Marthe Gosteli, die dann 1971 an der Spitze des Stimmrechtskampfes stand, kommt hingegen bei Margrit V. Zinggeler zu Recht als Interviewpartnerin und Gründerin des Archivs zur Geschichte der Schweizerischen Frauenbewegung rege zu Wort. Ihre Rolle in den klassischen Frauenverbänden wird herausgearbeitet, ebenfalls die mutige «Erpressung » – «the pressure and blackmailing» – durch diese Verbände anlässlich der Unterzeichnung der Menschenrechtskonvention, die sie nicht ohne erneute Abstimmung zum Frauenstimmrecht durchliessen.2

Zinggeler bescheinigt den Schweizerinnen, nach dem Durchbruch im Stimm-, Wahl- und Familienrecht besonders schnell aufgeholt zu haben, ja die USA und andere Länder oft bereits zu übertreffen. Sie kommt auch auf Donald Trump, Hillary Clinton und den March of Women to Washington 2017 zu sprechen. Immer zieht Zinggeler die Bilanz des gegenwärtig Erreichten, und immer werden persönliche Geschichten dazu erzählt.

Zinggeler hat erfrischenderweise auch einen etwas anderen Blick aufs Geschehen und holt Namen ans Tageslicht, die selbst für Kennerinnen überraschend sind. Dass Hilde Schwab, die Ehefrau von Klaus, dem deutschen Gründer und Präsidenten des Weltwirtschaftsforums, «one of the most revered women in Switzerland» sei, mag doch erstaunen.

Sicher muss man an Swiss Maid das eine oder andere kritisieren, inklusive das fehlende Namensverzeichnis, doch sollte dies hinter dem Verdienst, eine erfolgreiche «Story of Women’s Contributions to Switzerland’s Success» erzählt zu haben, zurücktreten. Margrit V. Zinggeler gelang es, «the underlying primary infrastructure» zu präsentieren, die den von Breiding beschworenen schweizerischen Erfolg ermöglichte und ermöglicht. Nach der Lektüre des Buches mag der amerikanischen Leserin der Kopf brummen ob der Informationsfülle und den zahllosen Namen, aber keine wird mehr den Eindruck haben, die Schweizerinnen hätten zur Geschichte ihres Landes nichts beigetragen.

Noch beklagt Zinggelers Buch das Fehlen einer «masterfully narrated story of the political history of the Swiss Maids». Vielleicht anerkennt ja jetzt die schweizerische wissenschaftliche und wirtschaftliche Männerelite auf dem amerikanischen Umweg, dass the Swiss Maid had made it, dass Schweizer Mädchen es geschafft haben, die Schweiz erfolgreich zu machen.

1 Deutschsprachige Originalversion: R. James Breiding, Gerhard Schwarz, Wirtschaftswunder Schweiz, Zürich 2011.
2 Vgl. dazu einlässlicher die Rezensentin, in: Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte. Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht, Zürich 2015.

Zitierweise:
Franziska Rogger: Margrit V. Zinggeler: Swiss Maid. The Untold Story of Women’s Contributions to Switzerland’s Success, New York: Peter Lang, 2017. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 1, 2019, S. 164-165.