Die Gemeinde Thierachern zählt heute rund 2500 Einwohnerinnen und Einwohner, von denen viele in der Stadt Thun arbeiten. Thierachern grenzt westlich an die Gemeinde Thun; das Dorf umfasst zahlreiche Weiler und verstreute Bauernhäuser. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstand rund um die Kirche ein Dorfkern.
Eine Arbeitsgruppe von sieben Männern und einer Frau machte sich vor fünf Jahren daran, die vorliegende Ortsgeschichte zu recherchieren und zu publizieren. Wie der Titel ankündigt, wählten sie ein geografisches Konzept für die Gliederung des Buches. An 18 Schauplätzen werden Geschichten und Geschichte präsentiert. Dazu zählen der Dorfkern, verschiedene Weiler und Höfe, die Kirche, die Schulhäuser, die Käserei, Mühlen, der Gasthof «Löwen» und der Waffenplatz. Damit enthält die Ortsgeschichte klassische Themen dieses Genres: Schulhäuser, lokales Gewerbe (Käserei, Landwirtschaft, Mühle, Torfstechen), Kirchengeschichte, Landschaftsgeschichte, Alltagsleben, Auswanderung.
Der grossformatige Band ist thematisch breit angelegt und legt ein Schwergewicht auf Bilder, die schön reproduziert sind. Eindrücklich sind vier Landschaftsbilder, welche die Gegend von Thierachern aus einer Flugperspektive zu vier Zeitpunkten zeigen: Bronzezeit, Mittelsteinzeit, Altsteinzeit und heute. Damit wird plastisch gezeigt, wie der Aaregletscher und später die Kander die Landschaft formten. Bis zu seiner Korrektur und Ableitung in den Thunersee (1711–1714) überschwemmte der Fluss regelmässig die Allmenden von Thierachern und Thun und erschwerte dadurch deren Nutzung. Obwohl es hier bereits prähistorische Siedlungsspuren gibt, verlief die Geschichte von Thierachern unspektakulär. Einschneidend war das Jahr 1841, als die Gemeinde ihr Allmendland an die Eidgenossenschaft verkaufte, damit diese die Fläche des Waffenplatzes Thun erweitern konnte. In der Folge entstanden Arbeitsplätze, auch für Einwohner von Thierachern. Gleichzeitig brachten der Schiessbetrieb sowie durchrollende Armeefahrzeuge und Panzer auch negative Immissionen für die Anwohnerschaft.
Im Kapitel «Dorfleben einst» zeigt das Buch auf 15 Seiten zahlreiche tolle Bilder zum Alltag und Vereinsleben, zu Festen, Brauchtum wie dem «Hirschmäntig» und Arbeit in der Landwirtschaft. Leider fehlen bei diesen Fotos Bildlegenden und Datierungen. Teilweise lässt sich der Kontext aus Beschriftungen im Bild ablesen, so bei der Foto zweier Frauen, die vor dem Lokal des Konsumvereins posieren, beim Bild von Sattler & Tapezierer Lory vor seinem Atelier, bei jenem vom Schützenverein oder vom Velo Klub Fahrwohl Thierachern.
Der schön gestaltete und ausgezeichnet illustrierte Band lädt zum Blättern ein und zeigt wichtige Ausschnitte aus der Geschichte dieser Gemeinde in der Agglomeration Thun. Doch die Zäsuren und roten Fäden dieser Entwicklung sind leider etwas wenig herausgearbeitet.
Zitierweise:
Christian Lüthi: Rezension zu: Einwohnergemeinde Thierachern (Hrsg.): Thierachern, eine Reise durch Raum und Zeit. Thun: Vetter Druck 2019. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 82 Nr. 1, 2020, S. 63-64.