L. van Dongen u.a. (Hrsg.): Transnational Anti-Communism

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Titel
Transnational Anti-Communism and the Cold War: Agents, Activities, and Networks.


Herausgeber
van Dongen, Luc; Luc; Stéphanie, Roulin; Giles, Scott-Smith
Erschienen
Basingstoke 2014: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
292 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Sibylle Marti, Historisches Institut, FernUniversität Hagen

Der 2014 bei Palgrave Macmillan erschienene englischsprachige Sammelband Transnational Anti-Communism and the Cold War: Agents, Activities, and Networks ging aus einer Tagung hervor, die im Herbst 2011 an der Universität Fribourg durchgeführt wurde. Mit Luc van Dongen (Fribourg), Stéphanie Roulin (Fribourg) und Giles Scott-Smith (Leiden) fungieren zwei ausgewiesene Spezialisten sowie eine ausgewiesene Spezialistin zur Geschichte des Antikommunismus als Herausgebende. Die Resultate des Sammelbandes lassen sich in drei übergreifenden Thesen zusammenfassen, welche bisherige Forschungen zur Geschichte des Antikommunismus im Kalten Krieg differenzieren und erweitern: Erstens zeigen die Beiträge, dass dem Antikommunismus während des Kalten Krieges sehr unterschiedliche politische Motive und Identitäten zugrunde lagen. So lässt sich ein breites ideologisches Spektrum eruieren, das von Anarchisten und Sozialisten über Konservative und christliche Bewegungen bis zur äusseren Rechten reichte. Wie die Herausgebenden in der Einleitung betonen, ist diese Pluralität und Heterogenität für das Phänomen des Antikommunismus charakteristisch, wobei die Bezeichnung Antikommunismus oftmals als Label diente, um divergierende Interessen und Akteure zu vereinen. Zweitens plädiert der Band dafür, die USA im historiographischen Narrativ über den Antikommunismus zu dezentrieren. Der überdurchschnittliche Einfluss der USA auf die antikommunistische Ideologie, Mobilisierung und Propaganda des Westens wird dabei keineswegs negiert. Die Herausgebenden kritisieren jedoch die Tendenz, deren Rolle einseitig überzubewerten. Drittens unterstreichen die Beiträge, dass antikommunistische Aktivitäten privater Akteure nicht nur als nationalstaatlich orchestrierte Unternehmungen zu verstehen sind. Vielmehr verfolgten Individuen und private Organisationen mitunter eigene Pläne, die mit staatlichen Zielen bisweilen deckungsgleich waren, teilweise aber auch quer zu diesen standen oder über diese hinausgingen. Aufgrund von Rollenkumulationen, so die Herausgebenden einleitend, verwischte sich die Trennlinie zwischen staatlichen und privaten Akteuren zudem häufig. Diese Thesen werden – um es gleich vorwegzunehmen – in den siebzehn Beiträgen anhand von Fallbeispielen auf überzeugende Weise empirisch fundiert.

Der Band gliedert sich in vier Teile, die auf jeweils unterschiedliche Formen transnationaler antikommunistischer Netzwerke fokussieren. Dabei handelt es sich überwiegend um Netzwerke von Eliten, die relativ unabhängig von olitikgestaltenden Organen operierten. Der erste Teil nimmt sich eines Themas an, das in seinen Grundzügen bereits gut erforscht ist. Im Zentrum stehen Akteure, die mit demjenigen internationalen Netzwerk des Antikommunismus verbunden waren, das unter US-amerikanischer Führung stand beziehungsweise durch die CIA finanziert wurde. Die vier Beiträge behandeln die American Society of African Culture (Hugh Wilford), die skandinavische, insbesondere dänische Gewerkschaftsbewegung (Dino Knudsen), den Schweizer Gewerkschaftsführer Lucien Tronchet (Luc van Dongen) und den niederländischen Journalisten Sal Tas (Tity de Vries). Deren gemeinsames Ziel war es, den kommunistischen beziehungsweise sowjetischen Macht- und Einflussbereich – sei es in den nach der Dekolonisation neu entstandenen afrikanischen Staaten oder in nationalen wie inter nationalen Gewerkschaftsbünden – zu begrenzen. Als Mittel zu diesem Zweck diente entweder kulturpolitisches, gewerkschaftliches oder publizistisches Engagement. Die Fallbeispiele machen deutlich, dass die erwähnten Individuen und Organisationen trotz finanzieller Unterstützung nicht nur als verlängerte Arme der USA fungierten, sondern ihre Positionen auch dazu nutzten, um eigene Interessen zu vertreten und ihren Handlungsspielraum zu vergrössern. Gut lässt sich dies an der Figur des Genfer Gewerkschafters Lucien Tronchet illustrieren, der mit Geldern der CIA-finanzierten American Federation of Labor in Genf das Centre d’entraînement syndical international, ein gewerkschaftliches Ausbildungszentrum, ausbaute. Eine nicht-US-amerikanische Nationalität konnte dabei hilfreich sein, um glaubwürdig unabhängige antikommunistische Positionen zu vertreten und Kontakte zu knüpfen. In den Beiträgen des ersten Teils wird somit ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen der CIA und den von ihr direkt oder indirekt unterstützten Personen und Institutionen sichtbar, das sich von den USA nicht vollends kontrollieren liess.

Die sechs Beiträge des zweiten Teils des Bandes widmen sich transnational operierenden antikommunistischen Netzwerken – Paix et liberté (Bernard Ludwig), die Assembly of Captive European Nations (Martin Nekola), die World Anti-Communist League (Pierre Abramovici), Interdoc (Giles Scott-Smith), das Institute for the Study of Conflict (Jeffrey H. Michaels) und Le Cercle (Adrian Hänni). Diese transnationalen Netzwerke lassen sich in internationale Dachorganisationen, welche die Anstrengungen nationaler und regionaler Komitees zu koordinieren versuchten, sowie in transeuropäische beziehungsweise transatlantische Think Tanks einteilen. Deren Aktivitäten umfassten insbesondere das breite Spektrum der psychologischen Kriegsführung – so wurden etwa Plakat- und Informationskampagnen lanciert, wissenschaftliche und politische Konferenzen veranstaltet, Ausstellungen organisiert, Zeitschriften herausgegeben und Vorträge gehalten. Neben diesen Tätigkeiten, die darauf abzielten, die Öffentlichkeit, die Medien oder die Politik bestimmter Staaten zu beeinflussen, wurden teilweise auch verdeckte Operationen durchgeführt, die – so etwa bei der World Anti-Communist League – die Unterstützung militanter antikommunistischer Gruppierungen mit einschliessen konnten. Im Zentrum der Beiträge des zweiten Teils steht indessen die Zirkulation von Ideen, Informationen und Wissen sowohl in als auch zwischen transnationalen antikommunistischen Netzwerken. Dabei wird deutlich, dass deren politische Schlagkraft nicht selten durch Interessenkonflikte und politische Differenzen zwischen den beteiligten nationalen Akteuren beeinträchtigt wurde.

Der dritte Teil des Bandes beleuchtet intellektuelle antikommunistische Netzwerke. Die vier Fallbeispiele fokussieren auf den aus Polen stammenden, an der Universität Fribourg tätigen Philosophen und Dominikaner Józef Bocheński (Matthieu Gillabert), die französische Politologin und Publizistin Suzanne Labin (Olivier Dard), die Mont Pèlerin Society (Niels Bjerre-Poulsen) sowie den (bundes-) deutschen Ordoliberalen und Verfechter der sozialen Marktwirtschaft Wilhelm Röpke (Jean Solchany). Bocheński gründete im katholischen Fribourg ein Osteuropainstitut, das Teil eines internationalen Netzwerkes für Osteuropastudien war und über Verbindungen nach Polen, in die Bundesrepublik Deutschland, in die USA und zum Vatikan verfügte. Während Bocheński als anerkannter Spezialist für dialektischen Materialismus galt, machte sich Labin weniger als Wissenschaftlerin, sondern vielmehr als populäre Autorin einen Namen. Verlinkt mit verschiedenen transnationalen antikommunistischen Netzwerken wurden ihre Texte über kommunistische Machenschaften und Verbrechen in zahlreiche Sprachen übersetzt und innerhalb und ausserhalb Europas vertrieben. Die Mont Pèlerin Society und Wilhelm Röpke wiederum stehen für die Verbindungen von (Neo-)Liberalismus und Antikommunismus. Planung, Kollektivismus, Keynesianismus, Kommunismus – mit unterschiedlicher Schattierung waren dies die Schlagworte, gegen welche die freie Marktwirtschaft in westlichen Demokratien durchgesetzt werden musste. Ein gemeinsam geteilter, mehr oder weniger ausgeprägter Antikommunismus bildete das intellektuelle Fundament für das Vorhaben, die Ausbreitung des Wohlfahrtstaates zu verhindern. Die Beiträge im dritten Teil rücken somit Individuen und Organisationen ins Zentrum, deren intellektuelle antikommunistische Aufklärungsarbeit auf einen langfristigen Wandel des (wirtschafts-)politischen Klimas des Westens abzielte.

Die drei Beiträge im vierten Teil des Bandes untersuchen christliche antikommunistische Netzwerke. Der International Council of Christian Churches (Markku Ruotsila) bildete das Koordinationsorgan bibeltreuer Protestanten, das indessen mit kulturellen und theologischen Differenzen zwischen militanteren US-amerikanischen und gemässigt konservativen europäischen Kirchenvertretern zu kämpfen hatte. Konflikte entzündeten sich insbesondere an der Frage, mit welchen Methoden der Kommunismus bekämpft werden sollte, wobei Usamerikanische Mitglieder auch militärische Interventionen guthiessen. Beim weniger radikalen Comité international de défense de la civilisation chrétienne (Johannes Grossmann), das enge Verbindungen zur katholischen Kirche unterhielt, fungierte die Formel der christlichen Zivilisation als propagandistischer Kampfbegriff, um den Kommunismus als Gesellschaftsmodell zu diskreditieren. Neben den Fallstudien zu den beiden internationalen Dachorganisationen zeichnet das dritte Fallbeispiel die Aktivitäten eines christlichen, hauptsächlich protestantischen Netzwerks nach, das Bibeln in osteuropäische Länder schmuggelte (Bent Boel). Dessen Mitglieder arbeiteten länderübergreifend zusammen, um Bibeln zu produzieren, zu übersetzen, zu finanzieren und nach Osteuropa zu schaffen.

Der Band besticht durch detaillierte Rekonstruktionen (bislang wenig bekannter) antikommunistischer Netzwerke und deren Aktivitäten. Aufmerksame Lesende können leicht – wenn auch nicht explizit gemachte – Querverbindungen zwischen den einzelnen Fallstudien erkennen (es gibt zudem ein hilfreiches Register zu Personen und Organisationen). Die Stärke des Bandes geht aber zugleich mit einer kleinen Schwäche einher: Die Mehrheit der Beiträge ist eher deskriptiv sowie akteurs- und ereignisgeschichtlich orientiert. Ein stärker problemorientierter Zugang hätte hier dazu beitragen können, Einzelerkenntnisse noch besser an die jüngste Politik- und Ideengeschichte des Kalten Krieges anzuschliessen. Diese kritische Anmerkung soll die Leistung des Bandes jedoch keineswegs schmälern. Mit seiner methodischen Rahmung, den Antikommunismus während des Kalten Krieges konsequent aus einer transnationalen Perspektive zu betrachten, knüpft der Band auf innovative Weise an ein aktuelles Postulat der Cold War Studies an. Gleiches gilt für das Vorhaben, ein breites Spektrum an antikommunistischen Netzwerken in den Blick zu nehmen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede quer zu nationalen Kontexten, politischen Motiven und individuellen Biographien erkennbar zu machen. Hier trägt der Band dazu bei, den Kalten Krieg weiter zu dezentrieren. Insgesamt liegt somit ein anregendes Werk vor, das eine gute Grundlage bietet, um den Antikommunismus im Kalten Krieg weiter zu erforschen.

Zitierweise:
Sibylle Marti: Rezension zu: Luc van Dongen, Stéphanie Roulin, Giles Scott-Smith (Hg.), Transnational Anti-Communism and the Cold War: Agents, Activities, and Networks, Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 3, 2016, S. 499-502.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 3, 2016, S. 499-502.

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