E. C. Lutz: Schreiben, Bildung und Gespräch

Cover
Titel
Schreiben, Bildung und Gespräch. Mediale Absichten bei Baudri de Bourgueil, Gervasius von Tilbury und Ulrich von Liechtenstein


Autor(en)
Lutz, Eckart Conrad
Reihe
Scrinium Friburgense 31
Erschienen
Berlin 2013: de Gruyter
Anzahl Seiten
349 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Carsten Kottmann

Der Germanist des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg (Schweiz) Eckart Conrad Lutz legt mit dieser Monographie eine Untersuchung vor, die weit über die Grenzen von germanistisch-mediävistischen und literaturwissenschaftlichen Studien hinausgeht. Sein Interesse an Texten orientiert sich an ihrer Interpretation, oder besser: an ihren Interpreten an mittelalterlichen Höfen im jeweils historischen Verständniskontext und «in ihrem Einzugs- und Austrahlungsbereich» (21). Seine Konzentration liegt auf der Wirkung von Texten, «die gelehrtes Wissen, Denken und Urteilen in der Absicht präsentieren, sie in mentaler und habitueller höfischer Bildung aufgehen zu lassen». Zentraler Begriff in diesem intendierten Kommunikationsmodell ist der der informatio, der Prägung durch Bildung und der damit einhergehenden intellektuellen Einflussnahme und Veränderung. Untersucht werden «genau jene Qualitäten verschiedener Spielarten mündlicher Kommunikation, die das in Texten eingeschlossene mediale Potential freizusetzen vermögen, indem sie das zur Sprache bringen (oder kommen lassen), was einen Prozess der informatio [...] auslöst oder [...] bildet, verändert.» (51). Während Vermittlung von gelehrtem Wissen in gewisser Weise dieses Wissen beim Interpreten erst schafft oder wieder in Erinnerung ruft, will Lutz die Aktivierung dieses geistliches oder weltlichen Wissens betrachten, das beim Interpreten bereits angelegt ist: «Es geht um Texte, die diese Bildung ausspielen und einfordern und sie erweitern sollen, um eine Dynamik, die erst zur Wirkung gelangt, wenn es gelingt, in den Texten Angelegtes zur Sprache zu bringen, es zu erschließen.» (14).

Um diese «medialen Prozesse» aufzuspüren, leitet Lutz ausführlich in seine Fragestellung ein («Annäherung an den Gegenstand», 13–57) und nimmt hier schon Texte näher in den Blick, um sein Vorgehen zu exemplifizieren: Briefe des Petrus Damiani an seinen Neffen Marinus und an die Gräfin Blanca, der Dialogus Peters von Blois sowie zwei Predigten Bonaventuras. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, wie die Erschließung des in den Texten angelegten Wissens funktionieren kann und wie die Texte auch in «informatorische Disputationen» (52) hineinwirken können.

Was die Einleitung kursorisch vorführt, wird für die untersuchten Texte der drei Hauptkapitel (Baudri de Bourgueil, Carmen 134; Gervasius von Tilbury, Otia imperialia sowie die Chronik für Friedrich I. Ottos von Freising und die Chronik für Konrad IV. Rudolfs von Ems; Ulrich von Liechtenstein, Lieder, der Frauendienst und das Frauenbuch) ausführlich ausgebreitet. Die intendierten Adressaten der Texte sind immer höfisch gebildet, und dieser Wissensvorrat wird angesprochen. Dabei geht es stets um eine mehr oder weniger starke Neuausrichtung des Denkens, die mindestens informatio im beschriebenen Sinn, immer wieder aber auch conversio meint: nicht nur in einem theologischen Verständnis, sondern auch – wie im Fall Ulrichs von Liechtenstein – hin zu einer «gesprächszentrierten höfischen Geselligkeitskultur» (285).

Eckart Conrad Lutz entwickelt seine Ergebnisse aus einer detaillierten Textarbeit heraus und zeigt neben einer großen philologogischen Genauigkeit profunde Kenntnisse der literarhistorischen Bezüge. Seine Schlussfolgerungen sind plausibel und werden seinem Erkenntnisinteresse gerecht. Er schreibt in einer gut lesbaren und sehr anregenden Form; erkennbar wird, dass seinen Ergebnissen eine langjährige Beschäftigung mit den untersuchten Texten und mit der Fragestellung vorausgeht.

Ein wenig wirken die drei Hauptkapitel wie drei umfangreiche Einzelstudien, die in diesem Buch zusammengestellt werden. Schmerzlich vermisst habe ich ein zusammenfassendes Kapitel, das die Ergebnisse noch einmal gegenüberstellt und Entwicklungen und Kontinuitäten, Abbrüche und Analogien darstellt. Fragen, die hier noch einmal hätten pointiert beantwortet werden können, werden in der Einleitung zu Genüge aufgeworfen. So muss die Einleitung quasi als eine vorgezogene Zusammenführung fungieren, doch die Ergebnisse zu den ausführlich betrachteten Texten bleiben etwas isoliert stehen.

Gut erschlossen wird die Untersuchung durch ein gemeinsames Personen-, Orts-, Werke- und Begriffsregister sowie durch etliche darauf folgende Abbildungen anschaulich illustriert.

Zitierweise:
Carsten Kottmann: Rezension zu: Eckart Conrad Lutz, Schreiben, Bildung und Gespräch. Mediale Absichten bei Baudri de Bourgueil, Gervasius von Tilbury und Ulrich von Liechtenstein, Berlin/ Boston, De Gruyter, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 419-420.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit