Die 7. Auflage des Augst-Führers stellt sich nicht nur im Untertitel in die Reihe seiner Vorgänger. Auch in Aufbau und Abfolge von Themen und Kapiteln folgt er jenen; natürlich sind seit Erscheinen der 6. Auflage Monumente hinzugekommen, die gebührend gewürdigt werden, so etwa das Brunnenhaus (S. 263–267), um vorerst nur eines zu nennen. Ferner tauchen neu die Latrinen nicht mehr nur in einer einzigen Erwähnung (6. Auflage, S. 114) auf, vielmehr ist ihnen ein Kapitel von 3 Seiten Umfang gewidmet (S. ••–••). Ebenfalls unverändert ist das Vorhandensein von didaktischen Hinweisen: Tipps für Besichtigungsrundgänge (S. 15f.), Geschichtslehrpfad (S. 34), Empfehlung zum Rundgang in Kaiseraugst (S. 317.319). Und natürlich ist mit dem Hauptautor Ludwig Berger, aber auch mit Thomas Hufschmid (Theater; in der 7. Auflage auch Amphitheater) Kontinuität gegeben.
Etwa hier enden die Gemeinsamkeiten. Der als erstes ins Auge springende Punkt ist die schiere Grösse des Führers in seiner 7. Auflage: Die Seitenzahl ist um mehr als die Hälfte auf 392 angewachsen — bei einem etwas grösseren Format, aber kleinerer Schrift. Sofort stellt sich die Frage nach dem Grund für diesen Mehrumfang. Eine erste Ursache ist die intensive Forschung, welche das Team in Augusta Raurica unter Alex R. Furger in den vergangenen gut anderthalb Jahrzehnten geleistet hat; als Beispiele seien nur gerade die Grabungen und Untersuchungen der Reste auf Kastelen genannt, die zu einem zusätzlichen Kapitel (S. 207–212) geführt haben oder jene zum bereits genannten Brunnenhaus. Auch wurden Monumente teils restauriert, teils — so das Theater und das Amphitheater — zusätzlich untersucht, was naturgemäss zu einem Wissens- und damit Umfangszuwachs geführt hat. Von der Fülle an Abreiten und Resultaten legt der Zuwachs in der Reihe der «Augster Forschungen» beredt Zeugnis ab.
Das Mehr an Informationen allein aber erklärt den weit grösseren Umfang nicht. Ein zweites Element kommt hinzu, wie beim Blättern und beim Lesen sehr schnell klar wird: Orientierten sich die vorangehenden Auflagen primär an den sichtbaren Resten (was die Präsentation und Ausdifferenzierung von Mehrphasigkeit durchaus zuliess), will die 7. Auflage mehr: Sie schildert in aller Regel die Entwicklung in einem Areal von den ältesten bis zu den jüngsten dort vorhandenen Spuren und deutet die Reste, soweit dies möglich ist. Ob die Relikte zu sehen sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Die 7. Auflage will also zugleich Führer und Einführung, aber auch Bilanz der bisherigen Forschung sein, also ein «Stand der Forschung». Dieser Anspruch führt auch dazu, dass der Hauptautor eine ihm wesentliche Neuerung einführen konnte, wie er schreibt (S. 12): die Quellenangaben, in denen L. Berger nun «insbesondere auf die authentischen Grabungsberichte» hinweisen kann. Hierin drückt sich nach Auffassung des Schreibenden die Ambivalenz der 7. Auflage aus: Auf der einen Seite steht als hohes Gut das wissenschaftliche Ethos, der Anspruch auf Nachvollziehbarkeit, auf der anderen schlicht die Benutzbarkeit der Publikation als Führer für Besucherinnen und Besucher der Ruinen. Pointierter gesagt: Selbstverständlich sollen in einer Augster Stadtgeschichte die Fakten und Überlegungen klargelegt werden und nachvollziehbar sein. Für die Besichtigung der präsentierten Reste aber ist wesentlich, dass erklärt wird, was zu sehen ist, durchaus auch in seiner Mehrphasigkeit. Nicht Sichtbares, Entferntes und Neubauten zum Opfer Gefallenes aber braucht in einem «Führer» sensu stricto nicht in der vorliegenden Ausführlichkeit dargestellt zu werden — es belastet nur, und dies im wörtlichen Sinn. Auch die Verkleinerung der Schrift, mit der der Umfang etwas reduziert wurde, macht die Lektüre längerer Passagen anstrengend, bereits in den Lauftexten, vollends bei den Legenden. Nicht ohne Grund wurde neben dem «Führer durch Augusta Raurica» der «Kurzführer Augusta Raurica» (Autorin: Barbara Pfäffli) ediert. Vielleicht wäre es insgesamt sinnvoller gewesen, den beiden so schwer zu vereinbarenden Ansprüchen eben nicht in einer einzigen Publikation gerecht werden zu wollen, sondern sie in zwei «artgerechten» Werken umzusetzen: einem eigentlichen Führer und einer zweiten Publikation, die man etwa mit «Einführung zu Augusta Raurica» hätte betiteln können. Denn dass die mit so viel Akribien und Fleiss zusammengetragene, überwältigende Fülle an Daten und Überlegungen es sehr wohl wert waren publiziert zu werden, steht ausser Frage.
Zitierweise:
Urs Niffeler: Rezension zu: Ludwig Berger, Führer durch Augusta Raurica. Mit Beiträgen von Thomas Hufschmid, einem Gemeinschaftsbeitrag von Sandra Ammann, Ludwig Berger und Peter-A. Schwarz und einem Beitrag von Urs Brombach. 7. Auflage des von Rudolf Laur-Belart begründeten «Führers durch Augusta Raurica». Basel 2012, https://www.infoclio.ch/de/rez?rid=22351. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 96, 2013, S. 266.