P. Niederhäuser: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee

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Titel
Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee.


Herausgeber
Niederhäuser, Peter
Reihe
Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77. 174. Neujahrsblatt
Erschienen
Zürich 2010: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
255 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Martina Stercken, NFS "Medienwandel - Medienwechsel - Medienwissen", Universität Zürich

Die Herrschaftsausübung der Habsburger im Gebiet der heutigen Schweiz ist in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Hintergrund allgemeiner Entwicklungen im spätmittelalterlichen Reich, mehrheitlich indes im Kontext der Revision traditioneller eidgenössischer Geschichtsbilder neu betrachtet worden. In letzterem Zusammenhang positioniert sich auch der vorliegende Band, der mit 14 unterschiedlich akzentuierten Beiträgen «Bausteine einer habsburgischen Geschichte der Schweiz» versammelt (S. 11) und dabei Formen der Herrschaft, Persönlichkeiten und Erinnerungskulturen in den Blick nimmt.

Einleitend periodisiert Bruno Meier das Verhältnis zwischen Habsburgern und Eidgenossen in fünf Abschnitte, die sich stetig wandelnde Ausgangslagen für das Beziehungsgeflecht in Betracht ziehen. Harald Derschka skizziert die Strategie Rudolfs von Habsburg, der reichständige Güter und Rechte beanspruchend den Ausbau eines geschlossenen, um den Bodensee konzentrierten Herrschaftsgebiets durch die Bischöfe von Konstanz verhinderte. Aus archäologischer Perspektive bestätigt Werner Wild, dass zwar Burgen innerhalb des habsburgischen Besitzes eine untergeordnete Rolle spielten, jedoch im 14. Jahrhundert auf ihnen sitzende Lehens- und Pfandnehmer der Habsburger eine rege Bautätigkeit entfalteten. Benedikt Zäch stellt fest, dass der Erwerb von Münzrechten im Kontext von Silbergewinnung, Pfandpolitik und Landfriedenssorge wesentlich war, von einer eigentlichen Münzpolitik der Habsburger jedoch keine Rede sein kann. Dem Itinerar der habsburgischen Herzöge geht Christian Sieber nach und zeigt, dass die österreichischen Herzöge auch in den schwierigen Zeiten zwischen Sempacherkrieg und beginnendem 15. Jahrhundert die persönliche Präsenz vor Ort nutzten, um Herrschaft zu vergegenwärtigen. Welche herrschaftssichernde Bedeutung dem habsburgisch-österreichischen Archiv in den Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen der Herzöge mit den Eidgenossen zukam, umreisst Roland Gerber.

Mit der schillernden Herrschergestalt Rudolfs IV. befasst sich Alois Niederstätter, der die insgesamt erfolgreiche Territorialpolitik des Herzogs herausstellt und gleichzeitig deutlich macht, wie wesentlich in diesem Zusammenhang regional verankerte Persönlichkeiten wie Johann Ribi waren. Manfred Holleger charakterisiert einige wesentliche Aspekte im gespaltenen Verhältnis zwischen Maximilian I. und den Eidgenossen, das durch das Bemühen des Kaisers um Integration und eine eigenständige eidgenössische Politik gekennzeichnet war. Nach dem Verhältnis zwischen habsburgischen Landesherren und landständigem Adel fragt Peter Niederhäuser und kommt zum Schluss, dass dieses sich weder geradlinig entwickelte noch auf einer homogenen Schicht von Gefolgsleuten beruhte. André Gutmann veranschaulicht an zwei Fällen, dass die Konflikte unter den Habsburgern in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht nur als familiäre Streitfälle, sondern auch auf der Ebene Dienstleute zu betrachten sind. Mit Hans Lanz von Liebenfels steht ein Diplomat in Diensten Habsburgs im Mittelpunkt des Beitrags von Nathalie Kolb Beck, der im 15. Jahrhundert auf Ausgleich zwischen Eidgenossen und Habsburgern bedacht war.

Die vielfältigen Bedeutungen von Stiftungen lotet Claudia Moddelmog am Beispiel des Franziskaner- und Klarissinnenklosters Königsfelden aus, wo über Architektur, Raumausstattung und Liturgie nicht nur Jenseitsfürsorge und familiäre Memoria, sondern auch die gute Herrschaft der Habsburger inszeniert wurde. Rainer Huggener nimmt memoriale Praktiken und Orte nach der Schlacht bei Sempach in den Blick und weist nach, dass urtümlich erscheinende Feiern und Identität stiftende Legenden der Eidgenossen erst im Verlauf der Zeit entstehen und Verbreitung finden. Mit der Erinnerungskultur eines den Habsburgern verbundenen Geschlechts setzt sich schliesslich Martina Huggel auseinander, die demonstriert, auf welche Weise die Grabmähler der Herren von Hallwyl zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert dynastische und familiäre Bedeutung in der Kirche zu Seengen zur Schau stellten.

Mit Einblicken in strukturelle, personale und memoriale Aspekte präsentiert der von Peter Niederhäuser umsichtig betreute Band ein breites Spektrum von neuen Zugängen zur habsburgischen Herrschaft im Gebiet der heutigen Schweiz, die diese aus lokaler und regionaler Sicht als Bestandteil komplexer Verhältnisse und kontingenter Entwicklungen betrachten. Um das immer noch verbreitete Bild feindlich gesinnter Landesherren nachhaltig aufzubrechen, wären weitere derartige Vorstösse, die Habsburger als integrativen Bestandteil schweizerischer Geschichte begreifen, nur wünschenswert.

Zitierweise:
Martina Stercken: Rezension zu: Peter Niederhäuser (Hg.): Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77. 174. Neujahrsblatt). Zürich, Chronos-Verlag, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 61 Nr. 1, 2011, S. 129-130

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 61 Nr. 1, 2011, S. 129-130

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