W. H. van der Linden: The International Peace Movement

Titel
The International Peace Movement During The First World War. In and around the Dutch Anti-War Council 1914–1919, its mediatory work for a speedy peace, its Central Organisation for a Durable Peace


Autor(en)
van der Linden, W. H.
Erschienen
Almere 2006: Tilleul Publications
Anzahl Seiten
1111 S.
Preis
ISBN
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christian Koller, Historisches Seminar Universität Zürich

Die Geschichte des Pazifismus, organisierter Friedensbewegungen und ihrer Programme und Aktionen, bildet seit ihrer Institutionalisierung vor drei bis vier Jahrzehnten ein klassisches Thema der historischen Friedensforschung. Die während des Ersten Weltkriegs in verschiedenen Staaten neu entstandenen Friedensgesellschaften, die die älteren, weniger energischen Organisationen verdrängten, auf eine Wiederaufnahme der 1914 zusammengebrochenen internationalen Kooperationen drängten und teilweise auch den Gegensatz zwischen bürgerlichem Pazifismus und sozialistischer Kriegsgegnerschaft abbauten, sind bereits in den 80er Jahren Gegenstand mehrerer Untersuchungen gewesen. Das anzuzeigende Buch unternimmt es, ausgehend vom «Nederlandsche Anti-Oorlogs-Raad» (NAOR) und seinen Vernetzungen eine umfassende Darstellung der unterschiedlichen Friedensbewegungen in Europa und Nordamerika in den Jahren 1914 bis 1919 zu geben. Der Autor knüpft damit an sein 1987 publiziertes Werk zur internationalen Friedensbewegung in den Jahren 1815 bis 1874 an.

In einem ersten Hauptteil stellt der Autor den NAOR, seine Protagonisten, seine Struktur und Ziele sowie seine Beziehungen zu anderen Friedensorganisationen und zu verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräften in den Niederlanden vor. Der folgende Abschnitt öffnet den Fokus und befasst sich mit der im April 1915 auf einem pazifistischen Kongress im Haag gegründeten «Central Organisation for a Durable Peace», deren Wirkungsmächtigkeit sodann akribisch für die unterschiedlichen kriegführenden wie neutralen Staaten analysiert wird. Ein Kapitel über den ebenfalls im Haag abgehaltenen internationalen Friedenskongress der Frauenbewegungen Ende April und Anfang Mai 1915 beschliesst diesen Abschnitt. Ein kürzeres Kapitel zeichnet sodann die nie realisierten Pläne nach, eine Friedenskonferenz in der Schweiz abzuhalten.

Ein weiterer, etwa 300 Seiten starker Abschnitt befasst sich mit den verschiedensten, schon kurz nach Kriegsausbruch einsetzenden und sich bis 1918 fortsetzenden Anläufen zu einer Beendigung des Krieges. Neben den Bemühungen der Friedensbewegungen – etwa dem im Herbst 1914 geborenen Plan einer «Weltpetition » – werden auch die bekannten Aktionen unterschiedlicher staatlicher Akteure behandelt – etwa die Friedensresolution des deutschen Reichstags im Juli 1917 oder der Friede von Brest-Litowsk vom März 1918 – und deren Aufnahme durch die Friedensbewegungen. Der letzte, abermals über 300 Seiten starke Hauptteil widmet sich dem Minimalprogramm für einen dauerhaften Frieden, das von der Haager Konferenz von 1915 beschlossen worden war. Akribisch werden die einzelnen Programmpunkte bezüglich ihrer Genese, ihrer Inhalte und ihrer Bedeutung für die einzelnen nationalen Friedensbewegungen analysiert, nämlich der Verzicht auf Annexionen ohne Zustimmung der betroffenen Bevölkerung, das Selbstbestimmungsrecht, Nationalitätenrechte, Freihandel in der kolonialen Welt, Abrüstung, die Nationalisierung der Rüstungsindustrien, Freiheit der Meere, demokratische Kontrolle der Aussenpolitik, Ende der Bündnispolitik, europäische Einigung, Institutionalisierung der Ergebnisse der Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 in einer internationalen Organisation und schliesslich die Gründung eines Völkerbundes mit einer festen Struktur, Mechanismen kollektiver Sicherheit und einer Art Weltpolizei. Ein Ausblick auf das Jahr 1919 bis zur internationalen Konferenz der Friedensgesellschaften im Spätsommer in Bern beschliesst die Darstellung.

Insgesamt hat der Autor ein monumentales Werk vorgelegt, das von umfassender Quellenkenntnis zeugt. Allerdings knüpft er methodisch an das Motto an, das er bereits 20 Jahre zuvor seiner Untersuchung zur Friedensbewegung im 19. Jahrhundert zugrunde gelegt hat: «No stories, no theories, no pictures, only history». In der Tat entbehrt auch dieses Buch jeglicher expliziter interpretativer Elemente und liest sich als eine chronologische Aneinanderreihung von Fakten, gleichsam als ob ein prall gefüllter, aber gedanklich noch nicht durchdrungener Zettelkasten über dem Haupt des Lesers ausgeschüttet würde. Eine Einleitung mit der Formulierung einer Fragestellung, Skizzierung des methodischen Zugriffs, des Forschungsstandes – Ansätze wie etwa die «New International History» scheinen dem Autor ohnehin gänzlich unbekannt zu sein – und der verwendeten Quellen vermisst man ebenso wie ein Fazit, das etwa die Bedeutung der behandelten Organisationen auf den Punkt zu bringen versuchen würde. Aufgrund des anthologieartigen Charakters und seines voluminösen Umfangs – über 1100 zweispaltig bedruckte A4-Seiten – wird das Werk wohl wenig integrale Leserinnen finden und der zukünftigen Forschung hauptsächlich als wertvoller Materialsteinbruch dienen.

Zitierweise:
Christian Koller: Rezension zu: W. H. van der Linden: The International Peace Movement During The First World War. In and around the Dutch Anti-War Council 1914–1919, its mediatory work for a speedy peace, its Central Organisation for a Durable Peace. Almere, Tilleul Publications, 2006. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 1, 2007, S. 122-123.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 1, 2007, S. 122-123.

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