M. Schubert: Der schwarze Fremde

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Titel
Der schwarze Fremde. Das Bild des Schwarzafrikaners in der parlamentarischen und publizistischen Kolonialdiskussion in Deutschland von den 1870er bis in die 1930er Jahre


Autor(en)
Schubert, Michael
Erschienen
Stuttgart 2003: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
446 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christian Koller, Historisches Seminar Universität Zürich

Das anzuzeigende Buch, eine im Jahre 2001 bei Klaus J. Bade an der Universität Osnabrück abgeschlossene Dissertation, analysiert die Reproduktion der Differenzbeschreibung zwischen «Weiss» und «Schwarz» in der politischen Kolonialdiskussion Deutschlands zwischen den 1870er und den 1930er Jahren. Dem Autor geht es darum, zu zeigen, dass diese Bilder je nach kolonialpolitischer Haltung der Teilnehmer an der Kolonialdiskussion den Sinn oder die Sinnlosigkeit kolonialer Expansion beschreiben und dass beiden Positionen ein rassistisches Weltbild zugrunde lag. Die zum Teil nicht geringe Komplexität der Konstruktionen des «Eigenen» und des «Fremden» führt der Autor auf die Verortung in zwei übergeordneten historischen Kategorien des Rassismus zurück, den kulturmissionarischen und den sozialdarwinistischen Rassismus. Empirische Grundlage der Arbeit bildet die Auswertung der Parlamentsdebatten sowie der Diskussionen in den einschlägigen Zeitschriften und Zeitungen der organisierten Kolonial- und Missionsbewegung.

Die eingangs formulierten Thesen werden in der Folge in Ausführungen erhärtet, die nach Zeitabschnitten und politischen Richtungen gegliedert sind. Für die späten 1870er bis in die 1880er Jahre, für die Zeit von 1888 bis 1918 und für die Zwischenkriegszeit bis in die 1930er Jahre analysiert der Autor den Kolonialdiskurs der Kolonialbewegung, der protestantischen und der katholischen Mission, des Linksliberalismus und der Sozialdemokratie. Er kann dabei – bei allen Wandlungen der politischen Grosswetterlage sowie allen Differenzen in bezug auf die Kolonialfrage – eine erstaunliche Konstanz des rassistischen Weltbildes aufzeigen, dessen beide Komponenten, der Sozialdarwinismus und die Kulturmission, in der diskursiven Praxis nicht immer sauber voneinander getrennt waren, sondern sich in teilweise logisch nicht nachvollziehbarer Weise kombinierten. Tendenziell nahm der sozialdarwinistische gegenüber dem kulturmissionarischen Anteil im Verlauf der untersuchten Periode zu. Erst nach 1945 erlebte, wie der Autor in einem Ausblick ausführt, die Betonung «kultureller» Grenzen angesichts der Delegitimation des Biologismus eine Renaissance und schlug sich etwa in der «Dritte-Welt-Diskussion» sowie in den Migrationsdebatten nieder. Dabei erfahre der Kulturbegriff tendenziell jedoch eine Metamorphose von seiner auf «Kulturmissionen» hinleitenden dynamischen Ausrichtung zu einer statischen Kategorie, die der biologistischen Rassekategorie nicht unähnlich sei. So vermögen denn auch semantische Rückfälle von Spitzenpolitikern von der «multikulturellen» in die «durchrasste» Gesellschaft ebensowenig zu erstaunen wie die Attraktivität der Vorstellung vom «Kampf der Kulturen».

Insgesamt hat der Autor eine überzeugende Studie vorgelegt, deren Ergebnisse mit denjenigen jüngerer, ähnlich gelagerter Untersuchungen weitgehend korrespondieren. Ob der Fülle von Quellenzitaten hätte man sich gewünscht, dass der Autor ab und zu innegehalten und die Zwischenergebnisse systematisch resümiert hätte. Auch ist – neben der Vernachlässigung von Autoren wie Pierre-André Taguieff, der gerade im Hinblick auf Schuberts Schlussthese interessant gewesen wäre – auf eine Unterlassungssünde hinzuweisen, nämlich die Nichtbeachtung von Hans Spellmeyers Untersuchung «Deutsche Kolonialpolitik im Reichstag» aus dem Jahre 1931, die den einen Strang von Schuberts Diskursgeschichte mit einer natürlich völlig anderen Fragestellung schon einmal aufgearbeitet hat und gleichzeitig für Schubert auch Quellenwert gehabt hätte. Diese Kritikpunkte sollen aber den Eindruck nicht schmälern, dass es sich bei der anzuzeigenden Arbeit um ein wichtiges Buch handelt, das auch den Blick für problematische Argumentationsfiguren in aktuellen Debatten zu schärfen geeignet ist.

Zitierweise:
Christian Koller: Rezension zu: Michael Schubert: Der schwarze Fremde. Das Bild des Schwarzafrikaners in der parlamentarischen und publizistischen Kolonialdiskussion in Deutschland von den 1870er bis in die 1930er Jahre. Stuttgart, Franz Steiner Verlag, 2003, https://www.infoclio.ch/de/rez?rid=17339. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 2, 2004, S. 231-232.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 2, 2004, S. 231-232.

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