M. Meyer u.a. (Hrsg.): Lesen – Schreiben – Drucken

Titel
Lesen - Schreiben - Drucken.


Herausgeber
Meyer, Marcel; Sonderegger, Stefan; Kaeser Hans-Peter
Erschienen
St. Gallen 2003: Desertina
Anzahl Seiten
Preis
ISBN
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Michael Jucker, Universität Luzern

Die Festschrift für den ehemaligen St. Galler Stadtarchivar Ernst Ziegler, der durch wichtige Editionen über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt wurde, will etwas viel. Unter dem Titel «Lesen – Schreiben – Drucken» sind neun Beiträge von Freunden und Kollegen Zieglers verfasst worden. Wer hinter der Trias im Titel jedoch eine Mediengeschichte erwartet, wird enttäuscht. Doch dies war wohl auch nicht der Anspruch der Herausgeber. Vielmehr sollten typische Arbeits- und Forschungsbereiche Zieglers und anderer Forscher aus der Bodenseeregion aufgezeigt werden. Die Spannbreite reicht allerdings weit darüber hinaus: von einem ersten Beitrag zur Ligatur in der griechischen Epigraphik von Lorenz Hollenstein bis zum papierlosen Verwaltungsapparat der St. Galler Behörden. Im letztgenannten Aufsatz widmet sich Marcel Meyer allerdings nur vordergründig dem Lesen und Schreiben. Vielmehr untersucht er den Übergang von der Lochkarte hin zu einer immer umfangreicher elektronisch geführten Verwaltung. Der Sammelband umspannt somit einen konzeptionell zu grossen Bogen: zwischen Thrakien und dem elektronischen St. Gallen liegen zeitlich, räumlich aber auch thematisch enorme Distanzen.

Einige Beiträge haben trotzdem einen Bezug zur Region, zum Titel, oder zu Zieglers Arbeitsschwerpunkten. Um konkrete St. Galler Editionsgeschichte geht es Stefan Sonderegger. Er liefert einen historischen Abriss über die seit dem 19. Jahrhundert geleistete Editionsarbeit im Bereich der St. Galler Urkunden und zeigt dann die Entwicklung der städtischen Schriftlichkeit auf. Weiter deutet er darauf hin, dass möglichst viele Quellen textgetreu zu edieren seien, weil jede Urkunde ein «gewinnbringender Informationsträger» sei. Ebenfalls ein St. Galler Thema bearbeitet Helmut Maurer: Anhand der Überlieferungsgeschichte der mehrfach verschrifteten St. Galler Eidesformel von 1381 zeigt er, dass der Eid nach schiedsgerichtlichen Lösungsversuchen auch im Konstanzer Ratsbuch eingetragen worden ist. Der Stadtschreiber wollte den Eid dort sicher und jederzeit greifbar haben. Ernst Tremp untersucht die Frühzeit des Klosters St. Johann im Thurtal und schildert, wie dieses Doppelkloster trotz aller Abgeschiedenheit weltoffen blieb. So kann Tremp theologische Einflüsse und im 12. Jahrhundert geradezu fortschrittliche Argumente in der Jenseitsvorstellung herausschälen. Mit dem Würfelspiel im mittelalterlichen St. Gallen und in Lindau beschäftigt sich Karl Heinz Burmeister. Anhand von zwei Gerichtsfällen werden die Hintergründe von gewaltförmigen Konflikten um das Würfeln aufgezeigt. So wird deutlich, dass gefälschte Würfel oft Anlass zu Streit gaben, Verschuldung ein permanentes Problem war und die Obrigkeiten sowohl aus friedenswahrenden als auch sozialpolitischen Gründen gegen das Würfeln waren. Rudolf Gamper analysiert einen Bücherdiebstahl aus dem beginnenden 17. Jahrhundert. Melchior Goldast, u.a. bekannt als Herausgeber der Casus Sancti Galli, wurde 1605 des Bücherdiebstahls angeklagt. Neben der wissenschaftlichen Leistung Goldasts und seiner Editions- und Abschreibearbeit, wird hier deutlich gemacht, dass es im wissenschaftlichen Selbstverständnis von Sammlern und Editoren des 17. Jahrhunderts üblich war, Seiten mittelalterlicher Handschriften herauszuschneiden, Bücher nach Hause zu nehmen, sie zu zerteilen und eben auch für sich zu behalten. Peter Eitel untersucht die Lesekultur Ravensburgs im 19. Jahrhundert. Um 1800 entwickelte sich in der Bodenseestadt nach und nach eine rege Lesekultur unter den 4000 Einwohnern. Aufgrund der handschriftlichen Einträge in ausgeliehenen Büchern kann Eitel zeigen, dass der Grossteil der ‘Leser’ der Oberschicht angehörte. Aus dem thematischen Rahmen fällt der Beitrag von Peter Gerdes, der sich den deutschen Wochenschauen des Naziregimes widmet. Er untersucht in diesem Propagandamittel das Bild der Schweiz. So stellt er fest, dass kaum spezifisch Schweizerisches etikettiert wurde. Abgesehen von der Darstellung des IKRK wurde die Schweiz als Heimatmuseum präsentiert. Ernst Zieglers eigenes Schaffen hatte meist einen Bezug zur Bodenseeregion. Dies kommt leider nicht in allen Beiträgen des vorliegenden Bandes zur Geltung, wie auch ein Artikel, der den Aspekt des Druckens tatsächlich abhandeln würde, gänzlich fehlt. Trotzdem lohnt sich die Lektüre der einzelnen Beiträge in dem sorgfältig gestalteten Buch.

Zitierweise:
Michael Jucker: Rezension zu: Marcel Meyer, Stefan Sonderegger, Hans-Peter Kaeser (Hg.): Lesen – Schreiben – Drucken. St. Gallen, Kommissionsverlag, 2003. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 1, 2004, S. 103-104.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 54 Nr. 1, 2004, S. 103-104.

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