T. Skrandies u.a. (Hg.):, Joseph Beuys, Handbuch, Leben – Werk – Wirkung.

Cover
Titel
Joseph Beuys, Handbuch, Leben – Werk – Wirkung.


Herausgeber
Skrandies, Timo; Paust, Bettina
Erschienen
Heidelberg 2021: J.B. Metzler Verlag
Anzahl Seiten
509 S.
von
Christine Szkiet

Der «Kunst-Prophet vom Rhein» (NZZ 25.2.21) Joseph Beuys war ein wichtiger und provokanter deutscher Künstler der Nachkriegszeit. Er zählt heute weltweit zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Er polarisierte und provozierte, er lebte den erweiterten Kunstbegriff und beschleunigte damit seinerzeit den Wandlungsprozess des zeitgenössischen Kunstgeschehens. Tatsächlich könnte man meinen, über diesen Künstler sei schon alles gesagt. Doch sind im Jubiläumsjahr 2021, in dem Beuys’ Geburtstag sich zum 100sten Mal jährte, neben vielen Ausstellungen und anderen Ehrbekundungen auch verschiedene Bücher erschienen – darunter das Joseph Beuys Handbuch, Leben – Werk – Wirkung. Auf über 500 Seiten wird viel Wissenswertes über sein Leben, sein Werk und seine Wirkung zusammengetragen, ohne aber einen «Anspruch auf Vollständigkeit» (S. X) zu haben. Vielmehr ist das Handbuch ein «Experiment» (S. VII), das als Wissens- und Orientierungsgrundlage dienen kann aber auch dazu anregen soll weiterzudenken.

Die Herausgeber Timo Skrandies, Universitätsprofessor für Kunstgeschichte in Düsseldorf, und Bettina Paust, Leiterin des Kulturbüros Wuppertal, verfolgten bei der Erstellung die Absicht, die «jüngere Entwicklung in der Beuys-Forschung mit dem Schwerpunkt auf den deutschsprachigen Raum erstmalig komprimiert und umfassend abzubilden.» (S.VII) Der J.B. Metzler Verlag öffnete dafür sogar ihre «Personen-Handbuchreihe Literatur» für den Bereich der bildenden Kunst. Joseph Beuys Handbuch, Leben – Werk – Wirkung soll «Beuys-Kenner:innen aber auch interessierten Laien» (S. VIII) die Möglichkeit geben, «sich umfassend über den Universalisten Joseph Beuys zu informieren, sich tiefer in sein Werk einzuarbeiten oder neue Forschungsgebiete zu entdecken. Das Handbuch will dabei kein bestimmtes Beuys-Bild nahelegen oder neu schaffen, sondern einen Künstler aus verschiedensten Blickwinkeln transdisziplinär beleuchten [...]» (S. VIII).

Damit das umgesetzt werden konnte, wurden 53 Autor:innen eingeladen, in 83 Artikeln, gegliedert in sechs Kapiteln, sich dieser Mammutsaufgabe zu stellen. Jeder Artikel nimmt auf je bis zu zehn Seiten einen besonderen Aspekt Beuys’ Leben, Werk und/oder Wirkung in den Blick und führt abschliessend chronologisch aufgelistet passende Werke, Literatur sowie zum Teil auch Bild- und Tonquellen auf. Als Einstieg in den «komplexen Beuys-Kosmos» (S. X) bietet das erste Kapitel «Einheit von Leben und Werk» mit knapp 50 Seiten einen Überblick über die wichtigsten biografischen Daten – stets unterteilt entlang einzelner Lebensphasen, die essenziell für das Werk von Beuys sind. Im Anschluss werden auf über 70 Seiten wichtige «Werkformen und -zusammenhänge» thematisiert. Besonders deutlich wird hier Beuys gattungs- und spartenübergreifendes Arbeiten, wovon das umfangreiche zeichnerische Œuvre, die verschiedensten Aktionen und Performances, seine plastisch-skulpturalen Arbeiten, Multiples, Installationen und Räume aber auch seine Musik und insbesondere sein Konzept eines erweiterten Kunstbegriffs und einer Sozialen Plastik Zeugnis ablegen. Auf weiteren 80 Seiten wird die weltweite «Werketablierung» behandelt. Insbesondere das Thema stellt in der kunsthistorischen Forschung – so auch in der Beuys-Forschung – ein wesentliches Desiderat dar. Ein Kunstwerk etabliert sich nur nach und nach, wird verdichtet, institutionalisiert, vermittelt und damit für eine breitere Öffentlichkeit wahrnehmbar gemacht. Erst im folgenden Kapitel werden auf über 120 Seiten die «Kontexte» Beuys’ Œuvre im Bezug zu künstlerischen Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Böll oder Nam June Paik und auch im Bezug zu Beuys Werk beeinflussenden Strömungen, Institutionen und Weltanschauungen deutlich gemacht. All die verwirrenden «Begriffe» (erweiterter Kunstbegriff, Antikunst, Energie, Transformation, Partitur, Gesamtkunstwerk, Kapital, Kreativität, Prozesse, Soziale Plastik, Denken als plastische Praxis u.a.) werden im Anschluss auf knapp 100 Seiten ausgiebig erläutert. Beschlossen wird das Handbuch mit einem Kapitel zur «Rezeption», das ihren Fokus auf zwei prominente Diskurse: Tier-Mensch- und Natur-Mensch-Beziehungen aber auf Beuys Rezeption in Kunst und Wissenschaft legt. Der «Anhang» stellt ein umfangreiches, aber nicht vollständiges Register von Autor:innen, Werken und Personen auf.

Insgesamt gelingt es Timo Skrandies und Bettina Paust gemeinsam mit zahlreichen Autor:innen ein Handbuch mit viel Material zusammenzustellen, das so zu einer systematischen Darstellung von Beuys Denken und Handeln wird, aber nicht von Beginn an gelesen werden muss. Vielmehr lädt es zum Nachschlagen oder gar zum Schmökern ein. Da aber leider gänzlich auf Abbildungen verzichtet und nur wenige Zitate des Künstlers aufgegriffen wurden und es ausserdem in einem eher wissenschaftlichen Sprachstil geschrieben wurde, verliert die Darstellung ihre Anschaulichkeit und Authentizität und erschwert vor allem – selbst interessierten – Laien den Zugang zum Handbuch. Joseph Beuys Handbuch, Leben – Werk – Wirkung stellt aber durchaus – vor allem für junge Wissenschaftler:innen und andere, eher fachwissenschaftlich orientierte Leser:innen – eine gute Ergänzung zu bestehenden Standardwerken dar, beleuchtet Beuys Werk interdisziplinär und gibt interessante Impulse für eine weitere Auseinandersetzung mit Leben, Werk und Wirkung eines bedeutenden Künstlers unserer Zeit.

Zitierweise:
Szkiet, Christine: Rezension zu: Skrandies, Timo; Paust, Bettina (Hg.): Joseph Beuys, Handbuch, Leben – Werk – Wirkung. Unter Mitarbeit von Jasmina Nöllen, Zsuzsanna Aszodi, Alina Samsonija, im Rahmen von «beuys 2021», Heidelberg 2021. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 116, 2022, S. 496-496. Online: https://doi.org/10.24894/2673-3641.00127.

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