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Der «Gang nach Canossa» ist spätestens seit dem Kulturkampf zu einer deutschen Redewendung geworden, die sich gegenüber dem ursprünglichen Entstehungszusammenhang zwar nicht völlig verselbständigt hat, die aber auch ohne genaueres Hintergrundwissen verwendet wird: «nach Canossa gehen» bzw. «den Gang nach Canossa antreten» bedeutet so viel wie «auf erniedrigende Weise Reue zeigen und sich entschuldigen müssen» (so beispielsweise auf redensarten.net). Angespielt wird dabei auf die Anstrengungen des gebannten Königs Heinrich IV., der sich im Januar 1077 vor der auf einem Felsen am Rand des Appenins gelegenen Burg Canossa einfand, um als Büsser von Papst Gregor VII. die Rekonziliation mit der Kirche zu erreichen. Um die in der deutschen Historiographie viel debattierte Episode aus dem sogenannten Investiturstreit, der aber selbst im Laufe der Januar-Ereignisse – den erhaltenen Quellen nach zu urteilen – nicht im Vordergrund stand, «war es», so Ernst-Dieter Hehl, «bis vor einigen Jahren ruhiger geworden» (1); auch lag die einschlägige Dokumentation gewissermassen auf dem Tisch. Interessanterweise ist die Fokussierung auf König Heinrichs Bussgang eine Eigenheit der deutschen Historiographie des 19. Jahrhunderts, während die Zeitgenossen eher die «Canossa» vorausgegangene Exkommunikation des Königs durch den Papst bewegte. Der historiographische Konsens wurde ab 2008 durch den (emeritierten) Frankfurter Ordinarius Johannes Fried gestört, der die traditionelle antagonistische Interpretation des Verhältnisses zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. durch das Postulat eines zwischen dem König und dem Papst in Canossa geschlossenen «Friedensbündnisses» herausforderte. Fried, ein unkonventioneller Denker, der Erkenntnisse der Hirnforschung für seine Arbeiten heranzieht, hat gemäss den Worten des Verfassers letztlich gefordert, «Gedächtnis und Erinnerungskritik habe der philolo-gischen Quellenkritik vorauszugehen» (7). Seine Deutungen haben viel von sich reden gemacht und sind auf z. T. dezidierten Widerspruch gestossen. Ernst-Dieter Hehl, als MGH-Editor der Konzilien Deutschlands und Reichsitaliens im 10./11. Jahrhundert für die historische Kärrnerarbeit geradezu prädestiniert, verfolgt in seinem Diskussionsbeitrag einen anderen Ansatz: Er konzentriert sich mit Bedacht auf Texte, die sich seiner eigenen Umschreibung zufolge «einer erinnerungsgeleiteten sprachlichen Umformung entziehen [...], weil sie in dem Vorgang selbst, von dem sie Zeugnis geben, entstanden sind» (7). Erzählende, d. h. historiographische, Zeugnisse treten gegenüber diesen «dokumentarischen» Quellen zurück und werden höchstens ergänzend betrachtet. Hehls Untersuchungen setzen mit dem Eid Heinrichs IV. ein, «dem einzigen (erhaltenen) Dokument, welches während der Zusammenkunft von Gregor VII. und Heinrich IV. im Januar 1077 entstanden und von beiden ausgehandelt worden ist» (9–10). Nach der eingehenden grammatikalischen Analyse einer strittigen Stelle kommt Hehl zum Schluss, dass Heinrich in Canossa «weit weniger pures Objekt des Handelns Gregors und der deutschen Opposition sein sollte», als von der Forschung bislang angenommen (22). Sein Fazit: «Das geplante Zusammentreffen von Papst, König, Bischöfen und Grossen im nordalpinen Reich», zu dem es aber nicht mehr kam, «hätte den noch offenen Konflikt zwischen König und Fürsten beenden sollen» (23). Die zweite minutiös untersuchte Quelle ist der Brief, mit dem Gregor die geistlichen und weltlichen Reichsfürsten über die Ereignisse in Canossa in Kenntnis setzte und dabei begründete, weshalb er sich «trotz starker Vorbehalte dazu entschlossen habe, die über Heinrich verhängte Exkommunikation zu lösen» (25) – so dass der mit der Kirche versöhnte König «wieder zu einem anerkannten Verhandlungspartner der Grossen [im Reich] wurde» (26). An diesem Punkt wirft Hehl eine grundsätzliche Frage auf, nämlich diejenige nach der «Rolle», die «den Vorgängen von Canossa überhaupt zukommt»: ein «Zwischenergebnis in einem weiterhin andauernden und prinzipiell noch unentschiedenen Konflikt» oder eine «endgültige Entscheidung» (34)? Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf Johannes Frieds Unterscheidung zweier Konfliktfelder, nämlich (1.) der Auseinandersetzung zwischen Papst und König, die mit der Lösung Heinrichs vom Kirchenbann beigelegt worden sei, und (2.) des andauernden Konflikts des Königs mit seinen deutschen Opponenten. Hehl verwehrt sich gegen eine solch strikte Trennung, führte sich doch Gregor – dem Autor zufolge – ebenso dem honor des mit der Kirche versöhnten Königs verpflichtet wie auch demjenigen seiner deutschen Gegner, die er als Verteidiger des christlichen Glaubens apostrophierte. Auch steht er Frieds These einer grundsätzlichen Friedensbereitschaft Heinrichs und Gregors kritisch gegenüber. Nichts deute in den päpstlichen Briefen aus der zweiten Jahreshälfte 1076 darauf, dass «die Zeit der Bedrängnis bald ein Ende haben werde» (50). Eine allgemeine Befriedung hätte die nicht realisierte Zusammenkunft aller beteiligter Parteien im Reich bringen sollen. Nach einem Einblick in die historiographischen Deutungen der Ereignisse spricht Hehl das Scheitern von «Canossa» an, also die bereits am 15. März 1077 von Heinrichs fürstlichen Gegnern vorgenommene (und vom Papst erst nachträglich gebillig-te) Erhebung Rudolfs von Rheinfelden zum (Gegen-)König und die erneute Exkommunikation Heinrichs durch Gregor zur Fastenzeit des Jahres 1080, mit welcher der Papst eindeutig Stellung für Heinrichs Gegner bezog. Wir brechen das Referat des zu rezensierenden Bändchens hier ab und kommen zu unserem Fazit: Ernst-Dieter Hehl legt eine ungemein detaillierte, dichte Studie vor, die sich in eine längere Forschungsdiskussion einreiht und deren vielleicht wichtigste Erkenntnis in der Notwendigkeit gründlicher Quellenarbeit liegt. Zitierweise: Modestin, Georg: Rezension zu: Hehl, Ernst-Dieter: Gregor VII. und Heinrich IV. in Canossa 1077. Paenitentia – absolutio – honor (MGH Studien und Texte 66), Wiesbaden 2019. Zuerst erschienen in: |https://www.unifr.ch/szrkg/de/|Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte|, Vol. 115, 2021, S. 423-424. 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Im Zuge des erneuerten Interesses an der salischen Dynastie in den letzten dreißig Jahren wurde das Ereignis zu einer Art historiographischem Labor, auf der methodischen ebenso wie der epistemologischen Ebene. Unter den zahlreichen Abhandlungen zum Thema – darunter auch der Versuch, die in der älteren Forschung vorherrschende symbolische Bedeutung des Ereignisses zu reaktualisieren (Stefan Weinfurter)[1] – stechen zwei heraus, weil sie Debatten auslösten. Zum einen wurde in den neunziger Jahren versucht, den Bußakt Heinrichs IV. als politisches Unterwerfungsritual (_deditio_) zu interpretieren und somit zu resemantisieren. Dem lagen allgemein die neue kulturgeschichtliche Strömung in den Geschichtswissenschaften zugrunde und konkret Forschungen zum Konflikt, zum Institut der Friedensvermittlung, zur symbolischen Kommunikation und zu Spielregeln der Politik, vor allem von Gerd Althoff.[2] Zum anderen wurde 2008 vorgeschlagen, das Canossa-Treffen als Gelegenheit für das Schließen eines vorbereiteten Friedenspakts zwischen Papst und König zu deuten (Johannes Fried).[3] Methodisch basierte dieser Vorschlag auf der von Fried seit einiger Zeit verfolgten positivistisch-neurealistischen Tendenz, deren Autorität er mit einer neurowissenschaftlichen Theorie des Gedächtnisses begründet. Die zwei Debatten verliefen zwar chronologisch und schwerpunktmäßig getrennt, sind aber thematisch und vor allem strukturell – im Hinblick auf die Positionen und auf das Spiel der Forscher in dem hier betroffenen Mikrosektor des wissenschaftlichen Felds[4] – miteinander verbunden. Hehls Monographie positioniert sich mit etwas zeitlichem Abstand in der zweiten Debatte über Canossa und setzt sich grundsätzlich mit der Deutung von Johannes Fried auseinander, laut dem in Canossa vor allem ein vorher ausgehandeltes politisches Friedensbündnis zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. geschlossen wurde. Das Buch besteht aus einigen analytischen Untersuchungen (Kap. I–V und zwei Exkursen), einer verhältnismäßig ausführlichen Synthese (Kap. VI, S. 90–115) und einem erweiternden Ausblick (Kap. VII). Hehl geht bei seinem analytischen Experiment von einer Grundannahme aus, die eigentlich den _basics_ der Quellenkritik entspricht: Da die bis heute sehr einflussreichen dramatisierten Darstellungen des Canossa-Ereignisses in der damaligen Geschichtsschreibung erst nach der deutlichen Veränderung der politischen Situation infolge der Erhebung Rudolfs von Rheinfelden zum König (März 1077) und der zweiten Exkommunikation Heinrichs IV. (1080) verfasst wurden, konzentriert sich Hehl auf die wenigen „dokumentarischen Texte“ (S. 8) über das Treffen und – soweit möglich – auf ihre archivalische Überlieferung: Der Eid Heinrichs IV. und das Rundschreiben Gregors VII. an die geistlichen und weltlichen Großen des Reichs, die in seinem Register überliefert sind.[5] Die Untersuchungen Hehls lassen sich in einigen Kernaussagen zusammenfassen, obwohl sie detailreich auch viele andere Aspekte berühren. Im ersten Kapitel analysiert Hehl die grammatische Struktur des Schlüsselsatzes im Eid Heinrichs IV. oder besser in den von ihm in Canossa versprochenen _securitates_, die als Bedingungen für die Absolution galten: Heinrich werde entweder Gerechtigkeit gemäß dem Urteil des Papstes oder Eintracht gemäß dem Rat des Papstes schaffen. In einem späteren Zusammentreffen im nordalpinen Reich sei deshalb dem König eine aktive Rolle neben dem Papst in der Beilegung eines gleichzeitig kirchlich-religiösen und politischen Konflikts zugekommen, der für die damaligen Maßstäbe ein ungewöhnliches Ausmaß hatte: Das war das kurzlebige politische Ergebnis von Canossa. Wenn Hehl so Frieds Übersetzung unterstützt, lehnt er dagegen dessen Idee eines Obödienzeids in Canossa ab (Exkurs 1, S. 123–129). Im zweiten Kapitel betont Hehl, dass der Informationsbrief Gregors an die deutschen Großen nicht nur als politische Rechtfertigung, sondern vor allem als ein Bestandteil der Lösung der Exkommunikation (als provisorische und aufhebbare Strafmaßnahme) und der Rekonziliation interpretiert werden müsse: Es handelte sich um eine Mitteilung nach den damaligen kanonisch-liturgischen Vorstellungen der _paenitentia_ und der _absolutio_, die das Handeln in Canossa sowie seine zeitgenössischen Darstellungen bestimmten. Dabei lehnt Hehl auch die Interpretation Canossas als _deditio_ ab (S. 26, 36–37), sowie die scharfe Trennung der politischen Dimension von der kirchlich-religiösen in der Deutung von Johannes Fried. Das führt zur Grundthese des dritten Kapitels: Die politische Dimension war durch den Leitbegriff _honor_ in die kirchlich-religiöse eingebettet. Gregor hat durch die Absolution versucht, den _honor_ aller Beteiligten zu wahren: seinen, den des Königs und vor allem den der opponierenden Fürsten, deren wichtige Rolle als Verteidiger des Glaubens er anerkannte. Im vierten Kapitel betont Hehl, dass diese Lösung nicht vor dem Treffen vorbereitet worden war – wie Fried behauptet hat –, sondern erst in Canossa in der Formulierung der _securitates_ ausgehandelt wurde, die als Bestandteil des liturgischen Absolutionsverfahrens galten. Diese stellten deshalb keine Beilegung des komplexen politischen Konflikts dar, sondern nur die Vorbedingungen für das zukünftige Treffen in Deutschland. Da die Darstellung des Verfahrens im Rundschreiben Gregors VII. wenig konkret ist – aber nicht verschleiernd, wie Fried vermutet hat –, hätten die Chronisten, insbesondere Lampert von Hersfeld und Berthold von Reichenau, die Erzählung ergänzt bzw. dramatisiert: Allerdings findet man in diesen Chroniken keine Spur eines in Canossa geschlossenen politischen Vertrags (Exkurs 2, S. 129–136). Wie im fünften Kapitel gezeigt wird, wurden eher diese Darstellungen, die z. B. die trügerische Einstellung bzw. die falsche Buße Heinrichs betonen, schon stark von der politischen Weiterentwicklung beeinflusst: insbesondere von der Königswahl Rudolfs von Rheinfelden in Forchheim wenige Wochen nach dem Treffen in Canossa. Das bedeutete die Obsoleszenz der Lösung, die Gregor VII. durch die Absolution in Canossa eingeleitet hatte. Mit der zweiten Exkommunikation scheiterte sie endgültig (1080): In diesen Entwicklungen waren die politische und kirchlich-religiöse Dimension weiter miteinander verflochten. Während das sechste Kapitel ausführlich und prägnant rekapituliert, wie die vorherigen Untersuchungen durch akribische philologische und kontextualisierende Analysen das schwierig rekonstruierbare Geschehen in Canossa durch das Geflecht kirchlich-religiöser und politischer Vorstellungen (_paenitentia_, _absolutio_ und _honor_) konturieren, stellt das siebte Kapitel eine Kontextualisierung und gleichzeitig eine Art Beurteilung von Canossa dar. Unter verschiedenen Aspekten betont Hehl die neue vom Papst anerkannte Rolle der Fürsten, die die Verantwortung für Aufgaben des Königs in der Verteidigung des Glaubens übernahmen. Im Übrigen sei es ihnen infolge eines tiefen Vertrauensverlusts gegenüber Heinrich IV. unmöglich, das in der Absolution von Canossa eingebettete politische Angebot anzunehmen, das letztendlich strukturell unzulänglich für die Komplexität des Konflikts gewesen sei. Hehl, der zwar zu Recht die sich auf Entsakralisierungs-, Säkularisierungs- und Entzauberungs-Meistererzählungen ausrichtenden Deutungen der Geschehnisse in Canossa relativiert, schlussfolgert jedoch, dass dieses Ereignis ein „Prüfstein“ für die Geschichtswissenschaft bleiben wird (S. 122). Damit nähert er sich der leider nicht erwähnten Beurteilung Ovidio Capitanis an, der bereits 1977 in einer nüchternen Deutung des Ereignisses Canossa als „lezione da meditare“ [6] definierte. Beide geschichtswissenschaftliche Urteile wurzeln in der Stellung Canossas im abendländischen kulturellen Gedächtnis: Die Erinnerung an Canossa ist eine der wichtigsten und immer wieder produktiven Konkretionen, in denen sich das moderne helldunkle Mythologem der Macht ohne Grundlagen herauskristallisiert. Anmerkungen: [1] Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 2006. [2] Gerd Althoff, Demonstration und Inszenierung. Spielregeln der Kommunikation in mittelalterlicher Öffentlichkeit, in: Frühmittelalterliche Studien 27 (1993), S. 27–50, hier S. 37–40. [3] Johannes Fried, Der Pakt von Canossa. Schritte zur Wirklichkeit durch Erinnerungsanalyse, in: Wilfried Hartmann / Klaus Herbers (Hrsg.), Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 28), Köln u.a. 2008, S. 133–197. [4] Pierre Bourdieu, Science de la science et réflexivité. Cours du collège de France 2000–2001, Paris 2001. [5] Das Register Gregors VII., hrsg. von Erich Caspar, Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae 2/1-2, Bd. 1, IV, 12 und 12a, S. 311–315. [6] Ovidio Capitani, Canossa. Una lezione da meditare, in: Studi Matildici. Atti e memorie del III convegno di Studi Matildici (Reggio Emilia, 7-8-9 ottobre 1977), Deputazione di Storia Patria per le antiche Provincie Modenesi – Biblioteca, n.s., 44, Modena 1978, S. 3–27, bes. S. 27." 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Hehl: Gregor VII. und Heinrich IV. in Canossa 1077 | infoclio - Rezensionen

E.-D. Hehl: Gregor VII. und Heinrich IV. in Canossa 1077

Cover
Titel
Gregor VII. und Heinrich IV. in Canossa 1077. Paenitentia – absolutio – honor


Autor(en)
Ernst-Dieter Hehl
Reihe
Monumenta Germaniae historica. Studien und Texte
Erschienen
Wiesbaden 2019: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
XXII, 142 S.
Preis
€ 35,00
von
Georg Modestin, Fachschaft Geschichte, Kantonsschule Freudenberg (Zürich)

Der hier anzuzeigende schmale Band aus der «kleinen roten» Studien-und-Texte-Reihe der MGH ist einer aktualisierten historischen Diskussion entwachsen. Der «Gang nach Canossa» ist spätestens seit dem Kulturkampf zu einer deutschen Redewendung geworden, die sich gegenüber dem ursprünglichen Entstehungszusammenhang zwar nicht völlig verselbständigt hat, die aber auch ohne genaueres Hintergrundwissen verwendet wird: «nach Canossa gehen» bzw. «den Gang nach Canossa antreten» bedeutet so viel wie «auf erniedrigende Weise Reue zeigen und sich entschuldigen müssen» (so beispielsweise auf redensarten.net). Angespielt wird dabei auf die Anstrengungen des gebannten Königs Heinrich IV., der sich im Januar 1077 vor der auf einem Felsen am Rand des Appenins gelegenen Burg Canossa einfand, um als Büsser von Papst Gregor VII. die Rekonziliation mit der Kirche zu erreichen. Um die in der deutschen Historiographie viel debattierte Episode aus dem sogenannten Investiturstreit, der aber selbst im Laufe der Januar-Ereignisse – den erhaltenen Quellen nach zu urteilen – nicht im Vordergrund stand, «war es», so Ernst-Dieter Hehl, «bis vor einigen Jahren ruhiger geworden» (1); auch lag die einschlägige Dokumentation gewissermassen auf dem Tisch.
Interessanterweise ist die Fokussierung auf König Heinrichs Bussgang eine Eigenheit der deutschen Historiographie des 19. Jahrhunderts, während die Zeitgenossen eher die «Canossa» vorausgegangene Exkommunikation des Königs durch den Papst bewegte. Der historiographische Konsens wurde ab 2008 durch den (emeritierten) Frankfurter Ordinarius Johannes Fried gestört, der die traditionelle antagonistische Interpretation des Verhältnisses zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. durch das Postulat eines zwischen dem König und dem Papst in Canossa geschlossenen «Friedensbündnisses» herausforderte. Fried, ein unkonventioneller Denker, der Erkenntnisse der Hirnforschung für seine Arbeiten heranzieht, hat gemäss den Worten des Verfassers letztlich gefordert, «Gedächtnis und Erinnerungskritik habe der philolo-gischen Quellenkritik vorauszugehen» (7). Seine Deutungen haben viel von sich reden gemacht und sind auf z. T. dezidierten Widerspruch gestossen.

Ernst-Dieter Hehl, als MGH-Editor der Konzilien Deutschlands und Reichsitaliens im 10./11. Jahrhundert für die historische Kärrnerarbeit geradezu prädestiniert, verfolgt in seinem Diskussionsbeitrag einen anderen Ansatz: Er konzentriert sich mit Bedacht auf Texte, die sich seiner eigenen Umschreibung zufolge «einer erinnerungsgeleiteten sprachlichen Umformung entziehen [...], weil sie in dem Vorgang selbst, von dem sie Zeugnis geben, entstanden sind» (7). Erzählende, d. h. historiographische, Zeugnisse treten gegenüber diesen «dokumentarischen» Quellen zurück und werden höchstens ergänzend betrachtet.
Hehls Untersuchungen setzen mit dem Eid Heinrichs IV. ein, «dem einzigen (erhaltenen) Dokument, welches während der Zusammenkunft von Gregor VII. und Heinrich IV. im Januar 1077 entstanden und von beiden ausgehandelt worden ist» (9–10). Nach der eingehenden grammatikalischen Analyse einer strittigen Stelle kommt Hehl zum Schluss, dass Heinrich in Canossa «weit weniger pures Objekt des Handelns Gregors und der deutschen Opposition sein sollte», als von der Forschung bislang angenommen (22). Sein Fazit: «Das geplante Zusammentreffen von Papst, König, Bischöfen und Grossen im nordalpinen Reich», zu dem es aber nicht mehr kam, «hätte den noch offenen Konflikt zwischen König und Fürsten beenden sollen» (23). Die zweite minutiös untersuchte Quelle ist der Brief, mit dem Gregor die geistlichen und weltlichen Reichsfürsten über die Ereignisse in Canossa in Kenntnis setzte und dabei begründete, weshalb er sich «trotz starker Vorbehalte dazu entschlossen habe, die über Heinrich verhängte Exkommunikation zu lösen» (25) – so dass der mit der Kirche versöhnte König «wieder zu einem anerkannten Verhandlungspartner der Grossen [im Reich] wurde» (26). An diesem Punkt wirft Hehl eine grundsätzliche Frage auf, nämlich diejenige nach der «Rolle», die «den Vorgängen von Canossa überhaupt zukommt»: ein «Zwischenergebnis in einem weiterhin andauernden und prinzipiell noch unentschiedenen Konflikt» oder eine «endgültige Entscheidung» (34)? Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf Johannes Frieds Unterscheidung zweier Konfliktfelder, nämlich (1.) der Auseinandersetzung zwischen Papst und König, die mit der Lösung Heinrichs vom Kirchenbann beigelegt worden sei, und (2.) des andauernden Konflikts des Königs mit seinen deutschen Opponenten. Hehl verwehrt sich gegen eine solch strikte Trennung, führte sich doch Gregor – dem Autor zufolge – ebenso dem honor des mit der Kirche versöhnten Königs verpflichtet wie auch demjenigen seiner deutschen Gegner, die er als Verteidiger des christlichen Glaubens apostrophierte. Auch steht er Frieds These einer grundsätzlichen Friedensbereitschaft Heinrichs und Gregors kritisch gegenüber. Nichts deute in den päpstlichen Briefen aus der zweiten Jahreshälfte 1076 darauf, dass «die Zeit der Bedrängnis bald ein Ende haben werde» (50). Eine allgemeine Befriedung hätte die nicht realisierte Zusammenkunft aller beteiligter Parteien im Reich bringen sollen.
Nach einem Einblick in die historiographischen Deutungen der Ereignisse spricht Hehl das Scheitern von «Canossa» an, also die bereits am 15. März 1077 von Heinrichs fürstlichen Gegnern vorgenommene (und vom Papst erst nachträglich gebillig-te) Erhebung Rudolfs von Rheinfelden zum (Gegen-)König und die erneute Exkommunikation Heinrichs durch Gregor zur Fastenzeit des Jahres 1080, mit welcher der Papst eindeutig Stellung für Heinrichs Gegner bezog. Wir brechen das Referat des zu rezensierenden Bändchens hier ab und kommen zu unserem Fazit: Ernst-Dieter Hehl legt eine ungemein detaillierte, dichte Studie vor, die sich in eine längere Forschungsdiskussion einreiht und deren vielleicht wichtigste Erkenntnis in der Notwendigkeit gründlicher Quellenarbeit liegt.

Zitierweise:
Modestin, Georg: Rezension zu: Hehl, Ernst-Dieter: Gregor VII. und Heinrich IV. in Canossa 1077. Paenitentia – absolutio – honor (MGH Studien und Texte 66), Wiesbaden 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 115, 2021, S. 423-424. Online: https://doi.org/10.24894/2673-3641.00100