H. Braun: Beat Fischer (1641-1698)

Cover
Titel
Beat Fischer (1641-1698). Der Gründer der bernischen Post


Autor(en)
Braun, Hans; Braun-Bucher, Barbara; Hüssy Annelies
Reihe
Schriften der Burgerbibliothek Bern, Bd. 24
Erschienen
Bern 2004: Stämpfli Verlag
Anzahl Seiten
352 S.
Preis
€ 58,20
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Martin Stuber, Forschungsprojekt Ökonomische Gesellschaft Bern, Historisches Institut, Universität Bern

Beat Fischer von Reichenbach ist untrennbar verknüpft mit der Gründung der bernischen Post, und schon allein diese Tat macht ihn zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des bernischen 17. Jahrhunderts. Dank der effi zienten Organisation seiner Fischerpost war es bereits mit Pferd und Postkutsche möglich, auf Briefe nach Schaffhausen, Zürich und Genf innert dreier Tage eine Antwort in den Händen zu halten. Auch darüber hinaus ist Beat Fischer eine aussergewöhnliche Erscheinung. Während sich die allermeisten Angehörigen des bernischen Patriziats auf ihre Magistratstätigkeit konzentrierten und neben der politischen allenfalls eine militärische Karriere oder die Verwaltung der eigenen Landgüter als standesgemäss ansahen, kann er als einer der wenigen Unternehmer im bernischen Ancien Régime gelten. Er errichtete im Waisenhaus eine Tuchweberei, betreute eine Tuchmanufaktur in Thun und eine Ziegelei in der Matte, gründete die erste bernische Brauerei und ermöglichte die erste Zeitung in Bern («Gazette de Berne»). Zudem durchlief er eine politische Laufbahn, die ihn über die Landvogtei in Wangen bis in den Kleinen Rat führte. Die vorliegende Monografi e würdigt die Persönlichkeit erstmals in ihrer gesamten Breite. Die Stiftung der Familie von Fischer (von Reichenbach) unterstützte dazu die Arbeit finanziell.

Hans Braun hebt in seinem Beitrag «Zur familiären Herkunft Beat Fischers» die Bedeutung der familiären Voraussetzungen für dessen Karriere hervor, zeigt aber gleichzeitig auch, dass Beat Fischers Erfolge über den bisherigen Rahmen der Familie hinausgingen. Zu nennen sind erstens die grossen wirtschaftlichen Gewinne, die ihm den Kauf der Herrschaft Reichenbach ermöglichten, zweitens die Verdienste, die er sich als Postherr auch im Ausland erwarb und die dazu führten, dass er 1680 von Kaiser Leopold I. in den erblichen Reichsritterstand erhoben wurde. Daraus resultierte eine herausragende Stellung, mit der er die Position der Familie Fischer im bernischen Patriziat auch mittel- und längerfristig sicherte.

Auf Quellenprobleme macht Barbara Braun-Bucher in «Beat Fischer – Jugend, Lehrjahre und Bibliothek» aufmerksam: So berühmt Beat Fischer geworden sei, so karg stünden Daten aus der Jugendzeit und den Lehrjahren zur Verfügung. Im Vordergrund ihrer Darstellung stehen deshalb nicht direkte Angaben zu Beat Fischer, sondern zum einen Exkurse zu seinen Lebensstationen, so zur Landvogtei Bipp (wo sein Vater amtierte), zur allgemeinen Bildungssituation (von der man annimmt, dass sie ihn geprägt hat), zur Universität Basel (wo er immatrikuliert war) und zur Stadt Genf (die er wahrscheinlich besuchte). Den zweiten Schwerpunkt bildet die Analyse seiner Bibliothek. In der Liste «Nach Wangen eingepackte und verschickte Mobilia und Haus Raht» hat Beat Fischer als neu gewählter Landvogt neben anderem gegen 170 Büchertitel aufgeführt, die für die Rekonstruktion seiner Bibliothek dienen können. Diese umfasste einerseits Fachliteratur, die der angehende Landvogt wohl als Handapparat für die juristische Weiterbildung und als Entscheidungshilfen bei rechtlichen und staatspolitischen Fragen brauchte, andererseits Werke für die kulturelle Weiterbildung, die religiöse Erbauung und die medizinische Versorgung.

Auch Annelies Hüssy kann in «Beat Fischer – Ökonomie, Politik und barocke
Lebensart» nur wenige eigentliche Selbstzeugnisse heranziehen. Sie nähert sich der Person vielmehr bei deren Tätigkeit auf der politischen Bühne im Amt des Landvogts sowie als Mitglied des Kommerzienrats, des Grossen und Kleinen Rats, als vielseitig tätiger Unternehmer und als Herrschaftsherr von Reichenbach. Bis zu einem gewissen Grad erlaubt die Quellenlage auch einen Blick auf seinen Lebensstil. Beispielsweise lassen sich viele Details aus seinem Haushaltsbuch erschliessen, in dem er peinlich genau alles festhielt, was Geld kostete. Andere im Kontext dieses Beitrags wichtige Dokumente werden in dessen Anhang integral wiedergegeben: das Patent beim Amtsantritt in Wangen, die Supplik an Kaiser Leopold I. zur Verleihung des Adelstitels, der Kaufbrief für die Herrschaft Reichenbach, das Verzeichnis der Einkünfte dieser Herrschaft sowie der Erbvertrag der drei Söhne.

Thomas Klöti zeigt in seinem Beitrag «Die Gründung der Fischerpost – eine
Erfolgsgeschichte», dass Beat Fischer bei der Durchsetzung des Postregals nicht nur auf äussere Widerstände bei Konkurrenten und benachbarten Postämtern stiess, die er jeweils erfolgreich überwand, sondern auch Teil eines politischen Machtgefüges war, das sich zu guter Letzt gegen ihn wandte. Zudem befasst er sich mit dem eigentlichen Postunternehmen und dem Postverkehr, von der Gründung bis zum Ende des ersten Postpachtvertrages. Gerade in diesem zweiten Teil, in dem er sich auf zahlreiche (meist eigene) Vorarbeiten stützen kann, erweist sich Klöti als Kenner konkreter Praktiken sowohl in Verkehrstechnik, Organisation und Betrieb als auch bei den transportierten Gütern (Briefe, Zeitungen, Geld, Waren, Reisende) und deren Tarife. Im Anhang werden die zentralen Quellen zur Gründung der Fischerpost ediert: der Postpachtvertrag, das Mandat an die Amtsleute, zwei Bekanntmachungen an die Burgerschaft sowie das Postreglement.

Georges Herzog stellt in «Beat Fischer als Bauherr und Freund der Künste» fest, dass trotz aufwändiger Suche die erhaltenen Quellen in entscheidenden Fragen stumm bleiben. Immerhin kann er sich auf die direkten Sachzeugnisse von Fischers Tätigkeit als Auftraggeber für Bauten und Ausstattungen stützen. Zudem existiert eine ganze Reihe von Akten, Journalen und Rechnungsbüchern, aus denen direkt und indirekt Schlüsse zu Lebensstil und Statuskonsum der Familie Fischer zu ziehen sind. Beispielsweise finden sich in der erwähnten Umzugsliste detaillierte Angaben zu Wein, Wäsche und Kleider, Möbel sowie Geschirr aus Silber, Zinn, Kupfer, Eisen und Blech, die im Anhang ebenso integral wiedergegeben werden wie das Register zum Haushaltsbuch. Eigentlicher Kapitelschwerpunkt sind aber die akribischen Analysen der Baugeschichten in Reichenbach und in Wangen, die nicht wenige der älteren Befunde korrigieren. So widerlegt Herzog die Behauptung, dass Beat Fischer das alte Schloss Reichenbach habe abbrechen und etwas landeinwärts neu aufbauen lassen. Der vermeintliche Neubau scheint viel eher ein tief greifender Umbau unter mehr oder weniger umfangreichem Einbezug alter Teile gewesen zu sein. Ein zentrales Element des Kapitels sind schliesslich die Wandmalereien im Schloss Reichenbach, unter denen der berühmte Zyklus von Joseph Werner zur Affäre um Katharina Perregaux-von Wattenwyl, der sich heute im Schloss Jegenstorf befindet, besondere Erwähnung verdient.

In der Gesamtbilanz zur Monografie ist die quellengesättigte Darstellung zu
nennen, welche die Forschung zum bernischen Postgründer zweifellos auf eine neue Stufe hebt. Ebenfalls hervorzuheben sind die reichhaltigen und in durchwegs hoher Qualität wiedergegebenen Illustrationen, welche das schön gestaltete Buch zu einem ästhetischen Genuss machen. Es sei an dieser Stelle aber auch erlaubt, gewisse Kritikpunkte zur Diskussion zu stellen. Was abgesehen von vereinzelten Ausnahmen fehlt, ist die Einbettung in die neuere historische Forschung, wie sie sich für Beat Fischer besonders in den Bereichen Kommunikationsgeschichte und neuerer Kulturgeschichte aufdrängen würde. Die am häufi gsten erwähnte Forschungsliteratur ist die klassische Darstellung Richard Fellers, die, vielleicht aus einer gewissen Scheu vor der eigenen pointierten These, immer wieder an den Schlüsselstellen mit ausführlichen Zitaten angeführt wird. Gleichzeitig fehlt weitgehend eine vergleichende Perspektive, sowohl mit Blick auf Europa als auch auf das bernische Umfeld. Wohl erst damit wäre es möglich, eine These zu prüfen wie die folgende: «Fischer passte nicht ins gängige Schema seiner Zeit, er dachte und handelte in Strukturen, für die sein in Gegenreformation, sozialer Unrast, verbreitetem Unbehagen verharrendes Jahrhundert noch nicht reif war» (S. 120/121). Insgesamt handelt es sich um eine Publikation, die hinsichtlich Kontextualisierung gewisse Schwächen aufweist, in ihrer Quellennähe aber auch grosse Stärken besitzt und nicht zuletzt dank ihren ästhetischen Qualitäten ein breites Publikum ansprechen kann.

Zitierweise
Robert Barth: Rezension zu: Braun, Hans et al.: Beat Fischer (1641–1698). Der Gründer der bernischen Post, Bern, Burgerbibliothek Bern, 2004 (Schriften der Burgerbibliothek Bern, Bd. 24), 352 S., ill.. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 4, Bern 2005, S. 64f.

Redaktion
Veröffentlicht am
10.02.2010
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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit infoclio.ch (Redaktionelle Betreuung: Eliane Kurmann und Philippe Rogger). http://www.infoclio.ch/
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