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Ausführlich wird jeweils die historische Entwicklung bis 1971 analysiert und der Frage nach dem Verlauf der unendlich vielen vorangegangenen Versuche auf kantonaler Ebene und den Gründen ihres Scheiterns nachgegangen. Der Zeitraum nach 1971 wird dann eher kurz abgehandelt. Der von Denise Schmid herausgegebene Sammelband setzt dagegen den Schwerpunkt auf den Zeitraum nach der Einführung des Frauenstimmrechts. Implizit oder explizit steht dabei die Frage im Zentrum, was dieser epochale Schritt den Frauen gebracht hat, wie er ihre Lebenswelt und die politische Situation der Schweiz verändert hat. In fünf chronologisch geordneten Artikeln analysieren Historikerinnen in 10 Jahresabschnitten die Entwicklung von Frauenrechten und Frauenräumen. Von dieser Dezennium-Ordnung und der Fokussierung auf die Zeit nach 1971 weicht nur der einleitende Text von Caroline Arni ab. Ausgehend vom Ausruf «Endlich!» nach der erfolgreichen Abstimmung 1971, analysiert sie die zahllosen vorangegangenen Versuche der Frauen, an der Ausweitung der demokratischen Rechte teilzuhaben, die für Männer in dieser Zeit erreicht wurden. Weder in der Politik, im Recht oder im Arbeitsleben galten in der Schweiz die «Menschenrechte» für Frauen, bis endlich 1971 ein Anfang für die Ausweitung gemacht wurde. «Nichts versprochen – alles erkämpft» ist zugleich Untertitel und Fazit von Arnis Beitrag. Die späte Realisierung der politischen Rechte ist nicht «ein Zuspätkommen aus Vergesslichkeit», nicht «Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit», kein «Betriebsunfall der Geschichte», es ist eine «Entscheidung, die wiederholt getroffen und bekräftigt wurde» (S. 10). Dieser Kampf um Teilhabe prägt die Geschichte seit 1800 – und er geht nach 1971 weiter. So legt Arni das Fundament für die Darstellungen der Jahrzehnte nach 1971. Wie prägend die Beziehung zwischen der alten und der neuen Frauenbewegung in der Schweiz war, zeigt Elisabeth Joris in ihrem Beitrag über die 1970er Jahre. Sie unterschieden sich in ihren Aktionsformen wie in ihren Forderungen, grenzten sich voneinander ab, behinderten sich, aber dynamisierten sich doch gleichzeitig. Hier die in der «Vereinsstruktur» organisierte alte Frauenbewegung – dort die neue, über «informelle Arbeitsgruppen, Aktionen und Demonstrationen agierende Frauenbewegung» (S. 47). Diese, für die Schweiz aufgrund der späten Realisierung des Wahlrechts der Frauen so typische und doch sehr spezielle Situation barg viel «kreatives Potential»: Hatte die Wahlrechtsfrage durch den Protest gegen die Ratifizierung EMRK den entscheidenden Schub erhalten, so waren die Forderung nach Liberalisierung der Abtreibung, nach Beratungsstellen und Institutionen zum Schutz vor Gewalt, für die künftige Politik prägend und erlaubten auch den Anschluss an die internationale Frauenbewegung. Die 1980er Jahre – so Anja Suter – begannen mit «einem gewissen Triumph», der Annahme des Gleichstellungsartikels der Bundesverfassung (S. 103). Er löste trotz der Enttäuschung, dass die weitergehenden Forderungen in diesem Gegenvorschlag nicht enthalten waren, die Schaffung von Gleichstellungsbüros im Bund wie in den Kantonen aus, führte zu – wenn auch zunächst nicht erfolgreichen – Lohngleichstellungsklagen und war nicht zuletzt Grundlage für das wichtige Gleichstellungsgesetz von 1995. Auf rechtlicher Ebene wegweisend war auch die Annahme des neuen Eherechts 1985, das 1988 in Kraft trat und Partnerschaft als Grundlage der ehelichen Gemeinschaft postulierte. Auf gesellschaftlicher, wie auf wissenschaftlicher Ebene waren im internationalen Kontext die Theorien der US-amerikanischen Historikerin Joan W. Scott von der Unterscheidung des biologischen («sex») und des sozialen Geschlechts («gender») prägend. In der Schweizer Wissenschaftsszene – insbesondere in der Geschichtswissenschaft, wo seit dem Ende der 1970er Jahre Lehrveranstaltungen zur «Frauengeschichte» stattfanden – prägten diese theoretischen Ansätze, die Diskussionen und ihre Kritik «eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern». (S. 110) Die 1990er Jahre bezeichnet Fabienne Amlinger in ihrem Beitrag als «eigentliche Blütezeit» der Schweizer Frauenbewegung (S. 170). Die Defizite im Bereich der Gleichstellung wurden in diesem Zeitraum besonders deutlich sichtbar. Und sie mobilisierten, sei es im Rahmen der Bundesfeiern zum 700-jährigen Bestehen der Eidgenossenschaft, der Frauensession oder des legendären Frauenstreiks von 1991 sowie des Protests gegen die Nichtwahl von Christiane Brunner und des Kampfs um die Wahl von Ruth Dreifuss. Das zeitigte Erfolge: in allen gesellchaftlichen Bereichen – so Amlinger – «setzten sich feministische Anliegen durch», auch wenn viele kurz vor der Jahrhundertwende nicht umgesetzt wurden (S. 179). Gegen Ende des Jahrzehnts erlahmte das Interesse an öffentlichen Aktionen, an ihre Stelle traten zum Teil zermürbende Alltagsgeschäfte (S. 185). Offensichtlich waren Frauen in den Alltagsgeschäften aber erfolgreich – wie Leena Schmitters Überblick zeigt. «Das neue Jahrtausend stand […] unter dem Motto ‹Verankerung›.» (S. 226) «Verankert» wurden die lange vorbereiteten gesetzlichen Regelungen wie das neue Scheidungsrecht, die «Fristenlösung» und die Mutterschaftsversicherung. Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung wurden unabhängig vom Beziehungsstatus ein Offizialdelikt. Ein erfolgreicher Jahrtausendanfang! Feministische Vernetzung war angesagt, die elektronischen Medien schufen neue Möglichkeiten der Information und Kommunikation, sowohl national als auch transnational. Rückschläge wie die deutliche Ablehnung der Quoteninitiative, die «Männerwahl» in den Bundesrat aber auch die «realen Diskriminierungserfahrungen vieler Frauen», zeigten wie wichtig «die Verknüpfung von Forderungen von der Strasse und Forderungen in den Parlamenten» war. Was allerdings in den vergangenen Jahren erkämpft wurde, geriet in diesen Jahren, wie das Beispiel der Versuche der Abschaffung der Gleichstellungsbüros zeigt, «unter Druck» (S. 213). Angelika Hardegger umgrenzt die 2010er Jahre mit den zwei Frauenstreik-Veranstaltungen, die für sie Anfang und Ende des Jahrzehnts charakterisieren: «Feminismus hatte zu Beginn der 2010er Jahre in der Schweiz wenig Konjunktur» (S. 253), wohl gerade weil es schien, als hätten Frauen es «eigentlich geschafft». Entsprechend erschien der Frauenstreik 2011 als «kleines Fest unter Linken und Gewerkschaftern». Acht Jahre später am 14. Juni 2019 gingen Hunderttausende auf die Strasse. Die «Empörung, Ohnmacht, Wut» darüber, dass sich in wesentlichen Fragen wenig bewegt hatte und dass Diskriminierung sowie sexuelle Belästigung in Presse, Politik, sozialen Medien und Arbeitsplätzen grassierten, entluden sich in dieser mächtigen Protestveranstaltung und waren auch in der Schweiz Reaktion auf die weltweite Me-Too-Bewegung. Der Streik fand auch medial ungewöhnlich grosse Beachtung. Ob er darüber hinaus weitreichende Folgen für Politik und Wirtschaft haben wird – so die Autorin – «muss die Zukunft zeigen» (S. 273). Unbestritten aber ist, dass er für die eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019 von Bedeutung war: Frauen erzielten historische Gewinne. «Endlich!» – so schliesst Angelika Hardegger ihren Beitrag. Die Analyse der Geschichte der jüngsten Vergangenheit ist immer ein Wagnis – nicht selten beschränken sich Historiker:innen deshalb auf Datenpublikationen und Statistiken. Davon haben die Autorinnen abgesehen und mit ihrer Analyse gezeigt, wie der Einbezug von Frauen, ihr Engagement in Politik und Gesellschaft die Schweiz verändert hat. Es ist aber nicht nur die Analyse, die dieses Buch lesenswert macht: Jeder Artikel wird bereichert durch ausführlich kommentierte Fotos, Plakate und die zeittypischen Flugblätter und ergänzt durch ein Portrait von Frauen, die sich in unterschiedlichen Bereichen gegen Diskriminierungen gewehrt haben. Das Buch vereint Analysen, Erzählungen, Biografien und bildliche Darstellungen und es ist – nicht zuletzt – ein schönes Buch. Zitierweise: Wecker, Regina: Rezension zu: Schmid, Denise (Hg.): Jeder Frau ihre Stimme. 50 Jahre Schweizer Frauengeschichte 1971–2021, Zürich 2020. Zuerst erschienen in: |http://www.sgg-ssh.ch/de/publikationen/schweizerische-zeitschrift-fuer-geschichte-szg|Schweizerische Zeitschrift für Geschichte| 73(1), 2023, S. 96-98. Online: ." 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Es handelt sich dabei zwar um ein Jubiläum, aber nicht um einen Anlass zum Feiern. Viel zu lange schlossen die männlichen Stimmberechtigten die Frauen in der Schweiz von der politischen Partizipation aus. 2021 wird folglich als ein Jahr der Reflexion begangen: In zahlreichen Ausstellungen, Dokumentarfilmen, Zeitungsartikeln wie auch wissenschaftlichen Arbeiten werden die historischen Geschlechterhierarchien erörtert. Das von Denise Schmid herausgegebene Buch, das die Schweizer Frauengeschichte zwischen 1971 und 2021 beleuchtet, kann dabei als besonders fundierter Beitrag zur Debatte gewertet werden. «Jeder Frau ihre Stimme» folgt einem chronologischen Aufbau: Fünf Autorinnen untersuchen jeweils ein Jahrzehnt. Diese narrative Struktur ist gewinnbringend, denn sie ermöglicht, die geschlechterpolitischen Meilensteine des jeweiligen Jahrzehntes auszuleuchten. Den Auftakt jeden Kapitels machen ausgewählte Fotografien und Bilder, die eindrückliche frauengeschichtliche Ereignisse des Dezenniums einfangen. Den Abschluss bilden Portraits von Frauen, die Diskriminierungen bekämpften und in so unterschiedlichen Bereichen wie dem Justiz- oder Bankenwesen und der Landwirtschaft tätig waren. Als 1971 das Frauenstimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene eingeführt wurde, lag hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter noch Vieles im Argen. Wie Elisabeth Joris aufzeigt, zielten Feministinnen denn auch nicht lediglich auf den Ausbau der politischen Rechte. Die Aktivistinnen der Neuen Frauenbewegung, die sich in Analogie zu internationalen Vorbildern formierte, verlangten vielmehr eine «uneingeschränkte Selbstbestimmung», die symbolhaft in der Verfügung über den eigenen sexuellen Körper eingefordert wurde (S. 51). Ein Schlüsselanliegen war denn auch die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, wobei es den Feministinnen bei dieser Thematisierung um Grundsätzliches ging, wie Elisabeth Joris überzeugend aufzeigt. Die eingeforderte Selbstbestimmung ging mit einer Patriarchatskritik und einer Politisierung des Privaten einher, im Zuge dessen Frauen unter anderem Sexualität neu verhandelten, aber auch die unbezahlte Haus- und Betreuungsarbeit kritisierten. 1981 nahmen die Stimmberechtigten den Gleichstellungsartikel in der Verfassung an. Für Feministinnen begann das Jahrzehnt damit mit einem Teilerfolg, wie Anja Suter aufzeigt. Denn auch wenn der Gleichstellungsartikel in der Folge Signalwirkung hatte und unter anderem zur Etablierung von Gleichstellungsbüros führte, ging dieser Verfassungsartikel zahlreichen Frauen zu wenig weit: Die Lohnungleichheitsklagen scheiterten denn auch vielfach. Des Weiteren blieb die Auseinandersetzung mit Sexualität und Reproduktion auch in den 1980er-Jahren ein Schlüsselthema, wie Anja Suter differenziert erläutert: In der Schweiz begegneten die Feministinnen den neuen Gen- und Reproduktionstechnologien häufig mit Skepsis. Zudem setzten sich Aktivistinnen, insbesondere im Zuge eines internationalen Austausches, kritisch mit der Geburtenkontrolle im globalen Süden auseinander. Ein wichtiger Markstein bildete schließlich die Annahme des revidierten Zivilrechts: Seit 1988 ist der Mann in der Schweiz nicht mehr das gesetzliche «Haupt» der Familie. Mehr als zehn Jahre nach der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts war der Zugang zu politischen Spitzenpositionen für Frauen weiterhin schwierig. 1983 erteilte das Parlament der Bundesratskandidatin Lilian Uchtenhagen eine Abfuhr und wählte stattdessen den inoffiziellen Kandidaten Otto Stich. 1984 wurde Elisabeth Kopp als erste Bundesrätin vereidigt, doch bereits 1989 musste sie zurücktreten. Auch in den 1990er-Jahren hatten Frauen mit viel Widerstand zu kämpfen. Die Nicht-Wahl von Christiane Brunner 1993 als Bundesrätin symbolisierte nochmals deutlich, wie wirkungsmächtig patriarchale Machtansprüche weiterhin waren. Doch wie Fabienne Amlinger überzeugend aufzeigt, war das feministische Mobilisierungspotential in den frühen 1990er-Jahren ebenfalls groß: Im Februar 1991 fand die Frauensession statt, am 14. Juni 1991 der erste Frauenstreik. Dieser war von jurassischen Uhrenarbeiterinnen angestoßen worden, die sich gegen Lohndiskriminierungen zur Wehr setzten. Rund eine halbe Million Frauen streikten in der Schweiz und forderten einen Abbau der Diskriminierungen, ebenso wie die Beendigung der Gewalt an Frauen. Ende der 1990er-Jahre war vom feministischen Mobilisierungspotential allerdings kaum mehr etwas zu spüren. Der Feminismus zeigte sich nicht mehr auf der Straße, sondern bahnte seinen Weg durch die Institutionen, so Fabienne Amlinger (S. 186). Diese These ist anregend und ließe sich mit weiterführenden Reflexionen zur Verzahnung dieser Institutionalisierung mit Transformationsprozessen der 1990er-Jahre, wie etwa dem Aufstieg des Neoliberalismus, verknüpfen. Das neue Jahrtausend startete in der Schweiz zunächst mit der Umsetzung feministischer Anliegen, um die jahrzehntelang gestritten worden war: 2002 wurde der Schwangerschaftsabbruch unter gewissen Bedingungen entkriminalisiert und 2004 nahmen die Stimmberechtigten die Mutterschaftsversicherung an. Seit 2004 ist Gewalt in der Partnerschaft ein Offizialdelikt. Neben diesen Erfolgen in Sachen Gleichstellung kam es, wie Leena Schmitter pointiert aufzeigt, zu einem weiteren «Affront gegenüber Frauen»: 2003 wurde Ruth Metzler als Bundesrätin nicht wiedergewählt (S. 215). Zudem hievte das Parlament einen weiteren Mann in den Bundesrat, sodass Micheline Calmy-Rey als einzige Frau im Siebnergremium verblieb. Gegen diese «Männerwahl» formierte sich politischer Protest, so etwa eine monatelange Mahnwache auf dem Bundesplatz. 2007 gelang zwar die Abwahl des dezidierten Antifeministen Christoph Blocher zugunsten von Eveline Widmer-Schlumpf, gleichwohl stellt sich bei der Lektüre die Frage, ob der Feminismus der Nullerjahre weniger Sprengkraft entfalten konnte als in früheren Jahrzehnten. Davon geht Angelika Hardegger für die frühen 2010er-Jahre aus, als Feminismus vielen als Schimpfwort galt. Als 2011 die Gewerkschaften zu einem Frauenstreik aufriefen, versammelten sich in Schweizer Städten lediglich zwischen 1.000 und 2.000 Demonstrierende. Acht Jahre später, am 14. Juni 2019, sah die Situation ganz anders aus: Hunderttausende gingen auf die Straße. Wie Angelika Hardegger in spannender Weise ausführt, verzahnten sich in den 2010er-Jahren unterschiedliche Prozesse, die schließlich zu einem massiven Aufschwung der Frauenbewegung führte. 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Indem die fünf Jahrzehnte separat verhandelt werden, gibt es zwangsläufig Themen, die in einzelnen Kapiteln angeschnitten, nachfolgend aber nicht weiterentwickelt werden. Dies gilt insbesondere für die unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb des Feminismus: So betont beispielsweise Elisabeth Joris die Bedeutung der konfessionellen Unterschiede innerhalb der Frauenbewegung der 1970er-Jahre, und Anja Suter zeigt auf, wie sich Migrantinnen in den 1980er-Jahren organisierten. Dass sich Frauen in unterschiedlicher Weise zur heterosexuellen Matrix positionierten bzw. die Kategorie «Frau» selbst kritisch hinterfragten und dekonstruierten, wird ebenfalls in mehreren Beiträgen thematisiert. Diese Geschichten werden angeschnitten, ohne den Anspruch zu erheben, sie abschließend zu behandeln. Das Buch ist denn nicht lediglich als Synthese zu lesen, sondern auch als Wegmarker für zukünftige geschlechterhistorische Forschungen. Denise Schmid resümiert im Nachwort, dass sich mit der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts die Schweiz veränderte: Frauen konnten direkt politisch mitreden und haben damit die Schweiz in geschlechterpolitischer Hinsicht nachhaltig verändert. Diesen Bruch zu betonen, ist sicher richtig. Gleichzeitig schwingen bei der Lektüre die Einleitungsworte von Caroline Arni immer mit. Sie apostrophiert die Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts 1971 mit dem Ausruf «Endlich!» und weist darauf hin, dass es sich beim überlangen Ausschluss der Schweizer Frauen von politischen Rechten nicht um einen «Betriebsunfall der Geschichte» handelte oder um «ein Stottern im Motor der Moderne» (S. 10). Vielmehr war es ein machtpolitischer Entscheid des männlichen Stimmvolkes, der mehrfach wiederholt wurde. 1971 hörte es aber nicht auf mit dem «Endlich!», dies zeigt «Jeder Frau ihre Stimme» sehr eindrücklich. Die Schweiz blieb in geschlechterpolitischen Fragen im internationalen Vergleich vielfach eine Nachzüglerin, so bei der Einführung der politischen Frauenrechte in einzelnen Kantonen, bei der Fristenlösung und ganz besonders bei der Mutterschaftsversicherung. Die Schweiz war das letzte europäische Land, das eine solche verwirklichte (S. 221). Nach der Lektüre wird klar: Die feministische Bewegung war in der Schweiz seit den 1970er-Jahren vielfältig und vielfach auch schlagkräftig, doch das patriarchale Beharrungsvermögen zeigte sich ebenfalls als höchst wirkungsmächtig. Dieses Spannungsverhältnis wird, so ist anzunehmen, auch die unmittelbare Zukunft der Schweiz prägen." 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Schmid (Hrsg.): Jeder Frau ihre Stimme | infoclio - Rezensionen

D. Schmid (Hrsg.): Jeder Frau ihre Stimme

Cover
Titel
Jeder Frau ihre Stimme. 50 Jahre Schweizer Frauengeschichte 1971–2021


Herausgeber
Schmid, Denise
Erschienen
Zürich 2020: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
CHF 39.00
von
Regina Wecker, Historisches Seminar, Universität Basel

Mit vielen Veranstaltungen, Radio- und Fernsehsendungen, Zeitungsartikeln und Publikationen wurde 2021 der Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene gedacht. Ausführlich wird jeweils die historische Entwicklung bis 1971 analysiert und der Frage nach dem Verlauf der unendlich vielen vorangegangenen Versuche auf kantonaler Ebene und den Gründen ihres Scheiterns nachgegangen. Der Zeitraum nach 1971 wird dann eher kurz abgehandelt. Der von Denise Schmid herausgegebene Sammelband setzt dagegen den Schwerpunkt auf den Zeitraum nach der Einführung des Frauenstimmrechts. Implizit oder explizit steht dabei die Frage im Zentrum, was dieser epochale Schritt den Frauen gebracht hat, wie er ihre Lebenswelt und die politische Situation der Schweiz verändert hat.

In fünf chronologisch geordneten Artikeln analysieren Historikerinnen in 10 Jahresabschnitten die Entwicklung von Frauenrechten und Frauenräumen. Von dieser Dezennium-Ordnung und der Fokussierung auf die Zeit nach 1971 weicht nur der einleitende Text von Caroline Arni ab. Ausgehend vom Ausruf «Endlich!» nach der erfolgreichen Abstimmung 1971, analysiert sie die zahllosen vorangegangenen Versuche der Frauen, an der Ausweitung der demokratischen Rechte teilzuhaben, die für Männer in dieser Zeit erreicht wurden. Weder in der Politik, im Recht oder im Arbeitsleben galten in der Schweiz die «Menschenrechte» für Frauen, bis endlich 1971 ein Anfang für die Ausweitung gemacht wurde. «Nichts versprochen – alles erkämpft» ist zugleich Untertitel und Fazit von Arnis Beitrag. Die späte Realisierung der politischen Rechte ist nicht «ein Zuspätkommen aus Vergesslichkeit», nicht «Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit», kein «Betriebsunfall der Geschichte», es ist eine «Entscheidung, die wiederholt getroffen und bekräftigt wurde» (S. 10). Dieser Kampf um Teilhabe prägt die Geschichte seit 1800 – und er geht nach 1971 weiter. So legt Arni das Fundament für die Darstellungen der Jahrzehnte nach 1971.

Wie prägend die Beziehung zwischen der alten und der neuen Frauenbewegung in der Schweiz war, zeigt Elisabeth Joris in ihrem Beitrag über die 1970er Jahre. Sie unterschieden sich in ihren Aktionsformen wie in ihren Forderungen, grenzten sich voneinander ab, behinderten sich, aber dynamisierten sich doch gleichzeitig. Hier die in der «Vereinsstruktur» organisierte alte Frauenbewegung – dort die neue, über «informelle Arbeitsgruppen, Aktionen und Demonstrationen agierende Frauenbewegung» (S. 47). Diese, für die Schweiz aufgrund der späten Realisierung des Wahlrechts der Frauen so typische und doch sehr spezielle Situation barg viel «kreatives Potential»: Hatte die Wahlrechtsfrage durch den Protest gegen die Ratifizierung EMRK den entscheidenden Schub erhalten, so waren die Forderung nach Liberalisierung der Abtreibung, nach Beratungsstellen und Institutionen zum Schutz vor Gewalt, für die künftige Politik prägend und erlaubten auch den Anschluss an die internationale Frauenbewegung.

Die 1980er Jahre – so Anja Suter – begannen mit «einem gewissen Triumph», der Annahme des Gleichstellungsartikels der Bundesverfassung (S. 103). Er löste trotz der Enttäuschung, dass die weitergehenden Forderungen in diesem Gegenvorschlag nicht enthalten waren, die Schaffung von Gleichstellungsbüros im Bund wie in den Kantonen aus, führte zu – wenn auch zunächst nicht erfolgreichen – Lohngleichstellungsklagen und war nicht zuletzt Grundlage für das wichtige Gleichstellungsgesetz von 1995. Auf rechtlicher Ebene wegweisend war auch die Annahme des neuen Eherechts 1985, das 1988 in Kraft trat und Partnerschaft als Grundlage der ehelichen Gemeinschaft postulierte. Auf gesellschaftlicher, wie auf wissenschaftlicher Ebene waren im internationalen Kontext die Theorien der US-amerikanischen Historikerin Joan W. Scott von der Unterscheidung des biologischen («sex») und des sozialen Geschlechts («gender») prägend. In der Schweizer Wissenschaftsszene – insbesondere in der Geschichtswissenschaft, wo seit dem Ende der 1970er Jahre Lehrveranstaltungen zur «Frauengeschichte» stattfanden – prägten diese theoretischen Ansätze, die Diskussionen und ihre Kritik «eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern». (S. 110)

Die 1990er Jahre bezeichnet Fabienne Amlinger in ihrem Beitrag als «eigentliche Blütezeit» der Schweizer Frauenbewegung (S. 170). Die Defizite im Bereich der Gleichstellung wurden in diesem Zeitraum besonders deutlich sichtbar. Und sie mobilisierten, sei es im Rahmen der Bundesfeiern zum 700-jährigen Bestehen der Eidgenossenschaft, der Frauensession oder des legendären Frauenstreiks von 1991 sowie des Protests gegen die Nichtwahl von Christiane Brunner und des Kampfs um die Wahl von Ruth Dreifuss. Das zeitigte Erfolge: in allen gesellchaftlichen Bereichen – so Amlinger – «setzten sich feministische Anliegen durch», auch wenn viele kurz vor der Jahrhundertwende nicht umgesetzt wurden (S. 179). Gegen Ende des Jahrzehnts erlahmte das Interesse an öffentlichen Aktionen, an ihre Stelle traten zum Teil zermürbende Alltagsgeschäfte (S. 185).

Offensichtlich waren Frauen in den Alltagsgeschäften aber erfolgreich – wie Leena Schmitters Überblick zeigt. «Das neue Jahrtausend stand […] unter dem Motto ‹Verankerung›.» (S. 226) «Verankert» wurden die lange vorbereiteten gesetzlichen Regelungen wie das neue Scheidungsrecht, die «Fristenlösung» und die Mutterschaftsversicherung. Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung wurden unabhängig vom Beziehungsstatus ein Offizialdelikt. Ein erfolgreicher Jahrtausendanfang! Feministische Vernetzung war angesagt, die elektronischen Medien schufen neue Möglichkeiten der Information und Kommunikation, sowohl national als auch transnational. Rückschläge wie die deutliche Ablehnung der Quoteninitiative, die «Männerwahl» in den Bundesrat aber auch die «realen Diskriminierungserfahrungen vieler Frauen», zeigten wie wichtig «die Verknüpfung von Forderungen von der Strasse und Forderungen in den Parlamenten» war. Was allerdings in den vergangenen Jahren erkämpft wurde, geriet in diesen Jahren, wie das Beispiel der Versuche der Abschaffung der Gleichstellungsbüros zeigt, «unter Druck» (S. 213).

Angelika Hardegger umgrenzt die 2010er Jahre mit den zwei Frauenstreik-Veranstaltungen, die für sie Anfang und Ende des Jahrzehnts charakterisieren: «Feminismus hatte zu Beginn der 2010er Jahre in der Schweiz wenig Konjunktur» (S. 253), wohl gerade weil es schien, als hätten Frauen es «eigentlich geschafft». Entsprechend erschien der Frauenstreik 2011 als «kleines Fest unter Linken und Gewerkschaftern». Acht Jahre später am 14. Juni 2019 gingen Hunderttausende auf die Strasse. Die «Empörung, Ohnmacht, Wut» darüber, dass sich in wesentlichen Fragen wenig bewegt hatte und dass Diskriminierung sowie sexuelle Belästigung in Presse, Politik, sozialen Medien und Arbeitsplätzen grassierten, entluden sich in dieser mächtigen Protestveranstaltung und waren auch in der Schweiz Reaktion auf die weltweite Me-Too-Bewegung. Der Streik fand auch medial ungewöhnlich grosse Beachtung. Ob er darüber hinaus weitreichende Folgen für Politik und Wirtschaft haben wird – so die Autorin – «muss die Zukunft zeigen» (S. 273). Unbestritten aber ist, dass er für die eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019 von Bedeutung war: Frauen erzielten historische Gewinne. «Endlich!» – so schliesst Angelika Hardegger ihren Beitrag.

Die Analyse der Geschichte der jüngsten Vergangenheit ist immer ein Wagnis – nicht selten beschränken sich Historiker:innen deshalb auf Datenpublikationen und Statistiken. Davon haben die Autorinnen abgesehen und mit ihrer Analyse gezeigt, wie der Einbezug von Frauen, ihr Engagement in Politik und Gesellschaft die Schweiz verändert hat. Es ist aber nicht nur die Analyse, die dieses Buch lesenswert macht: Jeder Artikel wird bereichert durch ausführlich kommentierte Fotos, Plakate und die zeittypischen Flugblätter und ergänzt durch ein Portrait von Frauen, die sich in unterschiedlichen Bereichen gegen Diskriminierungen gewehrt haben.

Das Buch vereint Analysen, Erzählungen, Biografien und bildliche Darstellungen und es ist – nicht zuletzt – ein schönes Buch.

Zitierweise:
Wecker, Regina: Rezension zu: Schmid, Denise (Hg.): Jeder Frau ihre Stimme. 50 Jahre Schweizer Frauengeschichte 1971–2021, Zürich 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 73(1), 2023, S. 96-98. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00120>.

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