D. Müller-Jentsch: Emanuel Gyger & Arnold Klopfenstein

Cover
Titel
Emanuel Gyger & Arnold Klopfenstein.


Herausgeber
Müller-Jentsch, Daniel
Erschienen
Berlin 2020: Regenbrecht
Anzahl Seiten
140 S.
von
Stefan Hächler

«Abfahrt im Gegenlicht», «Pulverschneewolken», «Schussfahrt», «feine Linien im Schnee», «Drehsprung» – so lauten einige der Legenden, mit denen die Fotos im hier anzuzeigenden Werk betitelt sind. Es sind Reizwörter, die Skibegeisterten bis heute ein Kribbeln auf der Kopfhaut und ein Ziehen in den Beinen hervorrufen. Aber beginnen wir ganz vorne: Als Ende des 19. Jahrhunderts das Skifahren in der Schweiz langsam populär wurde, existierte das Medium Fotografie bereits seit fünfzig Jahren. Kein Wunder also, dass der damals neue Sport von Beginn weg bildlich festgehalten wurde. Frühe Skienthusiasten waren nicht selten auch begeisterte Freizeitfotografen. Und bald entdeckten auch Berufsfotografen die Ästhetik von Lichtkontrast, Linien und Dynamik, die dem Skifahren in tief verschneiten Landschaften innewohnt. In den Portfolios zahlreicher bekannter Schweizer Fotografen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts finden sich denn auch immer wieder Skifotos (Albert Steiner, Jean Gaberell, Gebrüder Wehrli, Carl Jost, Emil Meerkämper, Andreas Pedrett, Herbert Matter, Jacques Naegeli, Walter Kuster u.v.m.).

Bis in die 1920er-Jahre entwickelt sich so eine Art Bildkanon, ja ein eigentliches Bildprogramm des Skifahrens. Ziemlich idealtypisch ist es in den Postkarten der beiden Adelbodner Fotografen Emanuel Gyger (1886 – 1951) und Arnold Klopfenstein (1896 – 1961) verkörpert.

Begriffe wie in den oben zitierten Legenden charakterisieren den inhaltlichen Fokus der klassischen Skifotografie. Die stilistischen Merkmale beschreibt der Herausgeber Daniel Müller-Jentsch im Textteil – zwar nur bezogen auf die Fotografie von Gyger und Klopfenstein, aber durchaus treffend für die ästhetischen Ideale der Skifotografie – wie folgt: «Ihre Aufnahmen zeichnen sich aus durch Kontrastreichtum, das virtuose Spiel mit Licht und Schatten sowie einen radikalen Einsatz von Gegenlichteffekten. Weitere Merkmale sind die Stringenz der Bildkomposition und die meisterhaft in Szene gesetzten Landschaftskulissen.» Die alpine Winterlandschaft und das vorherrschende gleissende Licht bilden zudem laut Müller-Jentsch ideale Bedingungen für perfekte Schwarz-Weiss-Fotografie.

Der sehr schön gestaltete Fotoband zeigt eindrücklich, dass der Herausgeber in der Einleitung nicht zu viel verspricht. Zahlreich sind die ikonisch wirkenden Bildkompositionen, gelungen die Inszenierung der Fotos als Postkarten. Denn das Spezielle an diesem Werk ist, dass die Bilder fast ausnahmslos Postkartensujets darstellen und somit ein Medium in den Vordergrund rücken, das in seiner fotografischen Qualität und Aussage oft unterschätzt oder missverstanden wird.

Was die Freude an diesem Werk leicht trübt, ist der knappe Textteil, der auf gerade einmal zwei Seiten (in angenehm zu lesender grosser Typografie) vieles offenlässt, was das Publikum interessieren könnte. Gerade die Bedeutung der Postkarte für das Werk von Gyger und Klopfenstein (aber auch für die Fotografie- und Tourismusgeschichte) kommt kaum zur Sprache. Auch ist die Würdigung der Skifotografie «als künstlerisches Hauptwerk» von Gyger und Klopfenstein wohl ein wenig hochgegriffen, wenn man sich die Verdienste der beiden in der Bergpanoramafotografie vor Augen führt oder an den durchaus mit ästhetischem Anspruch verbundenen Dokumentationscharakter
vieler Aufnahmen der beiden aus ihrer engeren und weiteren Heimat denkt.1 Ganz vernachlässigt sind solche Aspekte im vorliegenden Band dennoch nicht, denn über dreissig Fotos haben mit Skifahren nicht direkt zu tun, sondern zeigen SAC-Hütten, Winterlandschaften ohne menschliche Spuren, Bergporträts, Frühlingsblumen und weisen damit auf das weite Spektrum im Schaffen der beiden Fotografen hin.

Die Bildlegenden im Anhang geben neben den minimal notwendigen Informationen zu jeder einzelnen Aufnahme (auf der Postkarte vermerkter Titel und Bildnummer) auch eine kurze Bildbeschreibung, die für jedes Bild einen speziellen Aspekt hervorhebt, sei es zum Bildinhalt, zur fotografischen Technik oder zur Ästhetik. Einiges, was man in der Einleitung vermisst, findet man hier in verdichteter Form.

Obwohl dies nirgends explizit erwähnt wird, darf angenommen werden, dass die vorgelegte Auswahl der Bilder aus der grossen Sammlung an Skifotografien von Gyger und Klopfenstein stammt, die der Herausgeber Daniel Müller-Jentsch über Jahre zusammengetragen hat. Ebenfalls nirgends erwähnt wird, dass der vorliegende Band eigentlich eine Begleitpublikation zu einer Ausstellung darstellt, die im Oktober 2020 am European Month of Photography (EMOP) in Berlin gezeigt wurde.

Es ist zu wünschen, dass bald einmal auch in der Schweiz eine Ausstellung zu Gygers und Klopfensteins tollen Skipostkarten zu sehen sein wird. In Bern würde sich als Ausstellungsort zum Beispiel das Alpine Museum der Schweiz anbieten.

Anmerkung:
1 Vgl. zum Werk der Fotografendynastie Klopfenstein die Rezension zu Adelboden in altenAnsichten in: BEZG 82,1 (2020), 67f.

Zitierweise:
Hächler, Stefan: Rezension zu: Müller-Jentsch, Daniel (Hrsg.): Emanuel Gyger & Arnold Klopfenstein. Pioniere der Skifotografie. Berlin: Regenbrecht 2020. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 4, 2021, S. 116-118.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 4, 2021, S. 116-118.

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