S. Moeri u.a.: Die eidgenössischen Kasernen in Thun

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Titel
Die eidgenössischen Kasernen in Thun.


Autor(en)
Moeri, Siegfried; Knauer, Guntram
Reihe
Schweizerischer Kunstführer GSK (1073)
Erschienen
Bern 2020: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte - GSK
Anzahl Seiten
44 S.
von
Philipp Stämpfli

Der Führer zur Kaserne Thun beginnt mit einer knappen, aber guten Einführung zur Frage, weshalb Thun überhaupt als Waffenplatz und Standort der eidgenössischen Zentralschule bestimmt wurde. Nachdem die Stadt ihre Rolle als Truppenübungsplatz übernommen hatte, zeigten sich die vielen Mängel, die noch zu beheben waren. Schon 1842 forderte der Kommandant des damaligen Übungslagers, es sei in Thun eine neue Kaserne zu bauen, weil die Kosten für die temporäre Unterbringung der Soldaten viel zu hoch seien. Erst 1849 gab der Bundesrat den Startschuss für den Bau einer Kaserne auf der Allmend. Die Planung verzögerte sich jedoch, weil sich abzeichnete, dass Thun ans Eisenbahnnetz angebunden würde, und der Bundesrat wollte abwarten, wo die neue Linie durchführen und der Bahnhof zu stehen kommen sollte. In der Folge wurden mehrere Projekte sowohl im Bälliz als auch ausserhalb der Stadt entworfen, bis sich der Bund für den Standort an der Allmendstrasse entschied. Obwohl er ein grösseres Engagement der Stadt erwartet hatte, gab sich der Bund schliesslich damit zufrieden, dass sie das Land gratis abgab und die Strassenbeleuchtung bis zur Kaserne erstellte. 1863 bewilligte die Bundesversammlung das Projekt und den Baukredit. Nun ging es schnell: Noch im gleichen Jahr konnte der Bundesrat die fertigen Pläne genehmigen. 1867 war der Bau so weit fertig, dass ihn die Truppen beziehen konnten; letzte Arbeiten zogen sich jedoch bis ins Jahr 1868 hin. Auch wenn der Bau grundsätzlich den Ansprüchen genügte, so waren doch immer wieder Ergänzungen und Renovationen nötig, wie der Ersatz der hölzernen Aborttürme oder die Installation von Duschen. Es folgten der Einbau einer Zentralheizung und im Jahr 1900 die Elektrifizierung der Kaserne. Von 1961 bis 1968 und von 2016 bis 2021 wurden Gesamtsanierungen durchgeführt.

Nach einer eingehenden Baubeschreibung geben die Autoren eine architekturhistorische Einordnung der Kaserne Thun ins europäische Umfeld. In der Schweiz ist die Thuner Kaserne weitgehend ein Einzelfall geblieben; vergleichbare Bauten gibt es jedoch in Norddeutschland und Polen, der Heimat des Architekten Leopold Stanislaus Blotnitzki (1817 – 1879). Dieser hatte den Bau zusammen mit Felix Wilhelm Kubly (1802 – 1872) geplant und als verantwortlicher Bauleiter ausgeführt. Dass der junge Bundesstaat für die Kaserne Thun die Loggienbauweise verlangte, könnte damit zusammenhängen, dass sich Loggien als Herrschaftssymbol etabliert hatten. Die Vorbilder dafür finden sich in Spanien, Portugal und Griechenland, wo jedoch günstigere klima tische Verhältnisse für solche Bauten herrschen. Die nötigen Anpassungen ans hiesige Klima führten zu relativ hohen Baukosten, welche die ursprünglich vorgesehenen überstiegen. Die Kaserne gehört mit der ETH Zürich zu den ersten Repräsentationsbauten des Bundes. Als Resümee schreiben die Autoren: «Aus architektonischer und baukünstlerischer Sicht gehört die Mannschaftskaserne zu den schönsten und aussergewöhnlichsten Schöpfungen schweizerischer Militärarchitektur, und sie ist gewiss die bedeutendste Kaserne der Schweiz. Ihre ausgedehnten, einst leichten Loggienarkaden sind vermutlich gar innerhalb der mittel- und nordeuropäischen Militärarchitektur einzigartig.»

Der Führer beschränkt sich nicht auf die Hauptkaserne: Auch die Offizierskaserne und die Dufourkaserne werden beschrieben. Die Offizierskaserne entstand in den Jahren 1901 / 02 und bestand nicht nur aus den Unterkünften für die Offiziere, sondern enthielt auch eine Kantine für die Mannschaft. (Der Bau löste grossen Widerstand durch die Stadt aus, da die Wirte und Hoteliers um ihr Geschäft fürchteten, sollten die Offiziere nicht mehr in den Hotels einquartiert werden.) Die Kaserne war nötig geworden, weil in Thun immer mehr militärische Kurse stattfanden.

Von 1936 bis 1940 baute das EMD die Dufourkaserne – nach der Luzerner Allmendkaserne das zweite konsequent umgesetzte Militärgebäude der frühen Moderne in der Schweiz – für die motorisierten Truppen, das heisst zuerst vor allem für Motorfahrer und Motordragoner, nach dem Zweiten Weltkrieg für Panzertruppen. Während des Zweiten Weltkriegs bestanden die Panzertruppen erst aus wenigen, zudem veralteten Fahrzeugen.

Der Führer mit seiner gelungenen Bebilderung vermittelt in sehr konzentrierter Form Grundlagenwissen zu drei Bauten, die Thun bis heute prägen – sei es als Bauwerke an sich, sei es als markanter Eckpunkt des Waffenplatzes oder als Ausdruck des grossen Gewichts, das die Armee als Wirtschaftsfaktor und als Bauherrin seit rund 200 Jahren und bis heute hat.

Zitierweise:
Stämpfli, Philipp: Rezension zu: Moeri, Siegfried; Knauer, Guntram: Die eidgenössischen Kasernen in Thun. (Schweizerischer Kunstführer GSK, Nr. 1073). Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte 2020. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 4, 2021, S. 115-116.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 4, 2021, S. 115-116.

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