R. Gentner u.a. (Hrsg.): bern modern

Cover
Titel
bern modern. Wohnbauten der 1920er- und 1930er-Jahre in den Berner Quartieren


Herausgeber
Gentner, Ralph; Jacob, Markus
Erschienen
Zürich 2020: Scheidegger & Spiess
Anzahl Seiten
135 S.
von
Anna Bähler

Ralph Gentner, Architekt und Partner im Berner Architekturbüro Atelier 5, und der freie Autor Markus Jakob – die Schreibweise des Nachnamens weicht im Text von jener im Impressum ab – gaben 2020 gemeinsam ein Buch über Gebäude der Moderne in der Stadt Bern heraus, das den Zeitraum von 1928 bis 1941 abdeckt. Die zahlreichen qualitativ hochstehenden Fotografien in der Publikation stammen von den Fotografen Thomas Telley und Adrian Scheidegger.

Schon im Vorwort zeigt sich, dass die beiden Herausgeber eine dezidierte Vorstellung von guter und von hässlicher Architektur, von bewährter und von schlechter Stadtplanung haben. Viele Bauten in Bern, die gegen Ende der 1920er- und in den 1930er-Jahren im Geist der Moderne und der neuen Sachlichkeit entstanden sind, gefallen ihnen sehr, was sie zur vorliegenden Publikation animierte. Sie sprechen von einer sanften, nicht von der klassischen Moderne, weil viele der Wohngebäude, die sie vorstellen, «einen Kompromiss zwischen der resoluten, wenn nicht absoluten Moderne und dem rückwärtsgewandten Bauen» gefunden hätten. In ihren Augen verleihen sie «den Quartieren bis heute eine gewisse Noblesse». (S. 8) Die Stadterweiterungen nach 1940 sind in der Beurteilung der Herausgeber hingegen «in städtebaulicher und – diskutablerweise – architektonischer Hinsicht […] ein Niedergang». Eine geordnete Bauentwicklung sei damals «offensichtlich nicht einmal mehr in Betracht gezogen worden». (S. 5f.) Angesichts der Tatsache, dass 1955 der Bauklassenplan von 1928 revidiert worden war, ist dies eine gewagte These.

Die meisten Texte in der Publikation stammen aus der Feder von Markus Jakob. Sie sind persönlich gehalten und inhaltlich gelegentlich flapsig formuliert. Dies ist zwar unterhaltsam zu lesen, dient aber nicht unbedingt dem Erkenntnisgewinn. Was soll die Leserin zum Beispiel mit der Aussage anfangen, dass an der Rodtmattstrasse der 1950er-Jahre-Mief der Treppenhäuser auf die Trottoirs hinausfliesse? Und was bringt wiederholtes Lamentieren über die Tatsache, dass das Architektenbüro Scherler & Berger heute vergessen ist, wenn in der Publikation auch nichts Weiteres dazu zu erfahren ist? Etwas weniger Polemik und etwas mehr Fakten hätten der Publikation nicht geschadet. Zudem fehlt leider ein Literaturverzeichnis, obwohl der Text gelegentlich auf weiterführende Literatur und Quellen verweist.

Immerhin sind in die meisten Kapitel Kommentare des Architekturhistorikers Dieter Schnell eingestreut, der die Aussagen Jakobs nüchtern und faktenfest in den architektur- und gesellschaftshistorischen Kontext der damaligen Zeit einordnet.

Zwei weitere Autoren ergänzen die Publikation. Der ehemalige Direktor der Kunsthalle Bern, Ulrich Loock, zeigt im Kapitel zur Berner Kunstszene von der Wende zum 20. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, wie die Eröffnung der Kunsthalle 1918 die Ausstellungsmöglichkeiten für moderne Kunst erweiterte und inwiefern diese Institution in den 1930er-Jahren von den Spannungen zwischen internationaler Moderne und national-konservativer bis nationalsozialistischer Kunstauffassung betroffen war. Der Architekt Yorick Ringeisen, Partner von Bauart Architekten und Planer, tritt seinerseits im Kapitel zur Länggasse in einen Dialog mit Markus Jakob und stellt die Wohnbauten der klassischen Moderne, die es in diesem Quartier häufiger gibt als in der übrigen Stadt, in den Zusammenhang mit der Stadtentwicklung und dem dichten Bauen, das schon in der Zwischenkriegszeit aus funktionaler Sicht sinnvoll gewesen sei.

Aus der Spannung zwischen Jakobs subjektivem, manchmal polemischem Tonfall und den sachlichen Anmerkungen Schnells und Ringeisens ergeben sich interessante und leicht zu lesende Zwiegespräche über Sinn und Wert von Architektur und Stadtplanung, an denen auch die Leserin und der Leser an Ort und Stelle teilhaben können. Das Buch animiert, durch die Stadtquartiere zu spazieren, die zahlreichen, in der Publikation vorgestellten und abgebildeten Objekte zu betrachten und die entsprechenden Texte dazu zu lesen. Es ist die grosse Stärke der Publikation, den Bernerinnen und Bernern Gebäude vorzustellen, an denen sie wohl bislang meist achtlos vorbeigegangen sind, nicht wissend, dass es sich dabei um Perlen der Berner Architektur aus der Zwischenkriegszeit handelt.

Zitierweise:
Bähler, Anna: Rezension zu: Gentner, Ralph; Jacob, Markus (Hrsg.): bern modern. Wohnbauten der 1920er- und 1930er-Jahre in den Berner Quartieren. Zürich 2020. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 4, 2021, S. 107-108.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 4, 2021, S. 107-108.

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