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Titel
Das Wetter der Nation. Meteorologie, Klimatologie und der schweizerische Bundesstaat, 1860–1914


Autor(en)
Hupfer, Franziska
Reihe
Interferenzen – Studien zur Kulturgeschichte der Technik 27
Erschienen
Zürich 2019: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
377 S.
Preis
€ 48,00
von
Christian Pfister, Historisches Institut, Universität Bern

Diese innovative Arbeit beleuchtet ein auch international erst unzulänglich erforschtes Wissensgebiet. Am Beispiel von Wetter und Klima untersucht sie die Verquickung von Wissenschaft und Politik, die in der Schweiz bisher am Beispiel der Landesvermessung herausgearbeitet worden ist. Sie visualisierte erstmals die Nation als Raum. Die Darstellung ist in drei thematische Teile gegliedert. Der erste beschreibt die Beziehung zwischen wissenschaftlichen und staatlichen Akteuren. Der zweite Teil dreht sich um die meteorologisch-klimatologische Datenproduktion. Der dritte Teil thematisiert die Nützlichkeit meteorologischen Wissens auf verschiedenen Gebieten.

Die 1815 gegründete Schweizerische Naturforschende Gesellschaft, ein privatrechtlicher Verein von Wissenschaftlern, baute von 1826 an ein kurzlebiges Netz von 12 meteorologischen Stationen mit einheitlichen Instrumenten auf, doch blieben die Ergebnisse schwer vergleichbar und überforderten die Kapazitäten der Gesellschaft. Nachdem verschiedene europäische Staaten in den 1850er Jahren bei der Gründung nationaler meteorologischer Institutionen vorangegangen waren, unterstützte der Bund die Naturforschende Gesellschaft 1862 beim Aufbau eines nationalen Messnetzes mit einer Subvention. Dieses nahm im Dezember 1863 seine Tätigkeit auf. Bis 1880 wurde die Subvention für die Meteorologische Zentralanstalt genannte Institution verdoppelt, 1881 wurde dieselbe verstaatlicht. Die Beobachter – zunächst meist Lehrer und Geistliche – waren lange ehrenamtlich tätig, obschon dies zur dreimaligen Ablesung der Messdaten an 365 Tagen verpflichtete. Oft überbrückten Frauen entstehende Beobachtungslücken, wobei einige ihren Ehemännern oder Vätern als Beobachterinnen nachfolgten. Mit der Zeit wurde die Mehrzahl der Beobachter entschädigt. Trotz zahlreicher Anläufe gelang es nicht, die Datenerhebung grenzübergreifend zu vereinheitlichen, weder bei den Beobachtungszeiten noch bei den Masseinheiten. An den nach 1873 periodisch stattfindenden internationalen Meteorologenkongressen waren nur Direktoren von nationalen Messnetzen zugelassen, die keinerlei Kompetenzen abgeben wollten.

Im zweiten Teil setzt sich die Verfasserin mit der Produktion von meteorologischen Daten auseinander. Dabei diskutiert sie die zentrale Frage, wie meteorologische Daten im weitesten Sinne, auch qualitative, zu Informationen in numerischer Form geworden sind. Die Übergänge waren fliessend. So wurden pflanzen- und tierphänologische Beobachtungen in der Kontinuität der älteren qualitativen Beobachtungstradition zunächst weiterhin, allerdings nur fakultativ, aufgenommen. Andere Elemente wie die ebenfalls auf Augenbeobachtung beruhende Bewölkung wurden in quantitativer Form erfasst. Beobachtungskontinuität, ein zentrales Anliegen der Zentralanstalt, konnte in Anbetracht von verschiedenen Lokalzeiten und der häufigen Verlegung von Stationen, nur nach und nach erreicht werden. Die gängigen Klimavorstellungen beruhten auf langjährigen Mittelwerten. Wie weit der Einfluss der Nationsbildung im Bereich der Klimaforschung reichte, ist schwierig zu bestimmen. Die 1909 erschienene synthetische Darstellung des Klimas der Schweiz erwähnt einerseits die Verschiedenheit der lokalen Klimata, verlegte den Akzent aber auf die Alpen, die als eine Form der nationalen Selbstdarstellung galten.

Der dritte Teil thematisiert die Errichtung von Gebirgsstationen, namentlich jener auf dem Säntis, die aufkommenden Wetterballone, die beginnende Erforschung von Klimaveränderungen, die Vermessung von Gletschern sowie die Anfänge der Wetterprognose, um nur einige Inhalte zu erwähnen. Im Ganzen gesehen liefert die gut recherchierte Untersuchung wertvolle Grundlagen für Folgearbeiten auf diesem bisher unzureichend erschlossenen Forschungsgebiet.

Zitierweise:
Pfister, Christian: Rezension zu: Hupfer, Franziska: Das Wetter der Nation. Meteorologie, Klimatologie und der schweizerische Bundesstaat, 1860–1914, Zürich 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (3), 2021, S. 543-544. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00093>.

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