T. Hammel: Mary Elizabeth Barber and the Nineteenth-Century Cape

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Titel
Shaping Natural History and Settler Society. Mary Elizabeth Barber and the Nineteenth-Century Cape


Autor(en)
Hammel, Tanja
Reihe
Cambridge Imperial and Post-Colonial Studies
Erschienen
Cham 2019: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
360 S.
von
Felicity Jensz, Exzellenzcluster "Religion und Politik", Westfälische Wilhelms-Universität Münster

In ihrer Studie stellt Tanja Hammel das Leben der in Grossbritannien geborenen und am Kap aufgewachsenen Wissenschaftlerin und Naturforscherin Mary Elizabeth Barber (geb. Bowker) in den Mittelpunkt. Hammel nutzt das Leben und Werk Barbers, um die Naturgeschichte und die Wissenschaft der viktorianischen Zeit sowie insbesondere Aspekte wie Gender als auch aussereuropäische Einwirkung zu erforschen. Barber wurde 1818 in England geboren und wanderte bald darauf mit ihren Eltern und acht Brüdern nach Südafrika aus. Dort entwickelte sie ein Interesse für Naturwissenschaften. Im Laufe ihres Lebens veröffentlichte Barber 16 wissenschaftliche Artikel und korrespondierte mit einigen der bedeutendsten Wissenschaftlern jener Zeit. Der Hauptuntersuchungszeitraum Hammels Buches ist die Zeit zwischen den 1840er und 1880er Jahren. In den Naturwissenschaften wurde diese Zeit von der Rezeption von Charles Darwins Theorien, dem Kolonialismus und der Professionalisierung der Wissenschaft geprägt. Am Beispiel Barbers bringt Hammel auch noch die Themen Gender, Siedlerkolonialismus und die Wechselbeziehungen zwischen Nord und Süd in die Konstruktion einer wissenschaftlichen Moderne mit ein. Als Wissenschaftlerin im 19. Jahrhundert hatte Barber mit Diskriminierung, dem Plagiat ihrer Studien und Marginalisierung zu kämpfen. Dass ihre Geschichte wieder ans Licht gebracht wurde, ist ein Ergebnis der tiefgründigen Archivrecherchen, die Hammel über viele Jahre durchgeführt hat.

Das Buch beginnt mit einer Einführung und besteht dann aus neun Kapiteln, die in drei Abschnitte unterteilt sind. Die gut durchdachte Einführung stellt den Schwerpunkt der Arbeit dar und umrahmt die historische Situation, in der Barber lebte. Die Grundlage für einen Grossteil der Analysen in diesem Buch bilden Barbers Briefe und Schriften, die über drei Kontinente verteilt sind.

Der erste Teil «African Experts and Science in the Cape» enthält zwei Kapitel, in denen Hammel versucht, afrikanisches Wissen über die Natur zur Zeit Barbers dazustellen und vor allem zu zeigen, wie Afrikaner:innen dieses Wissen mit im Kap lebenden europäischen Wissenschaftler:innen teilten. Obwohl es nur wenige von Afrikaner:innen verfasste Texte aus der Zeit Barbers gibt, sind einige koloniale Texte vorhanden, die afrikanische Wissenssysteme und die Art und Weise darstellen, wie afrikanisches Wissen in das europäische Wissen einbezogen wurde. Kapitel 2 thematisiert die Zusammenarbeit zwischen Afrikaner:innen und Europäer:innen. Kapitel 3 ist afrikanischen Sammler:innen, Informant:innen und Präparatoren gewidmet. Obwohl, wie Hammel selbst feststellt, dieser Teil aufgrund der begrenzten Menge an Quellenmaterial ziemlich fragmentiert ist, trägt er nichtdestotrotz dazu bei, dass man den Blick auf Naturwissenschaft im Kap nicht nur aus europäischer Perspektive betrachtet, sondern auch die Mitwirkung afrikanischer Expert:innen wahrnimmt.

Der zweite Teil, «From Providing Data to Forging New Practices and Theories», untersucht die Spannung zwischen Kolonie und Metropole sowie zwischen Männern und Frauen in der Naturwissenschaft. Insbesondere die Spannung zwischen Brit:innen und Siedler-Kolonist:innen am Kap und ihr wissenschaftlicher Wettbewerb wird in den Blick genommen. Kapitel 4 ist der Untersuchung der Rolle von Gender, Klasse und Wettbewerb gewidmet. Hier werden Barbers wissenschaftliche Illustrationen eingehend untersucht. Durch ihre Beobachtungen und Illustrationen erleichterte Barber die wissenschaftliche Arbeit anderer, allerdings wurde sie selbst aufgrund ihres Geschlechts oft an den Rand gedrängt. Da Barber jedoch, wie Hammel anmerkt, nicht wissenschaftlich ausgebildet war, entfernte sie sich zeitweise von den wissenschaftlichen Kodizes, indem sie Bibelverse und Literaturzitate in ihre wissenschaftlichen Essays aufnahm. Kapitel 5 untersucht Barbers Auseinandersetzung mit Darwins Theorien und wie es ihr gelang, diese mit ihrem christlichen Glauben in Einklang zu bringen. Kapitel 6 untersucht Barbers Beiträge zur aufstrebenden Wissenschaft der Ornithologie und insbesondere ihre Korrespondenz mit Edgar Leopold Layard, dem Kurator des South African Museum, in dem Barbers eigene Beiträge zur wissenschaftlichen Theorie ausgestellt wurden.

Der dritte Teil, «Negotiating Belonging Through Science», geht der Frage nach, wie Barber ihre Rollen als britische Frau und Wissenschaftlerin am Kap ausgehandelt hat. Kapitel 7 fokussiert nicht auf die Wissenschaftskonstruktion, sondern untersucht die erhärtung von Barbers rassistischen Einstellung gegenüber Afrikaner:innen, ihres Glaubens an die britische Überlegenheit und ihrer Feindseligkeit gegenüber australischen Wissenschaftlern. In Kapitel 8 versucht Hammel zu argumentieren, dass Barber Vögel als Metapher für mehr Gleichberechtigung der Geschlechter benutzt hat. Sie vergleicht Barbers Illustrationen von Vögeln mit denen des britischen Ornithologen John Gould, um zu zeigen, dass Barber weibliche und männliche Vögel als gleichberechtigt darzustellen versuchte, während Gould laut Hammel durch seine Illustrationen die viktorianischen Geschlechterrollen verstärkte. Wenn jedoch andere Bilder von Gould herangezogen werden, könnte man zu einer anderen Schlussfolgerung gelangen. Kapitel 9 nimmt nicht das Leben von Barber in den Fokus, sondern die Art und Weise, wie ihr Nachlass politisiert wird. Hammel zeigt auf, wie Ausstellungen und die Archivierungspraxis von Barbers Arbeit die Privilegierung der Erfahrungen von Männern aus der Grossstadt widerspiegeln. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit zeitgenössischen Museen und Ausstellungen und damit, wie Wissen, das digitalisiert wurde und theoretisch für alle zugänglich ist, auch Menschen verweigert werden kann, die sich den Zugang nicht leisten können. So wird etwa der Zugang zu globalem Wissen durch den kostspieligen Kauf von Jahreslizenzen für Online-Archive eingeschränkt. Kapitel 10 schliesst das Buch mit einem Fazit, das die Argumente der Studie zusammenführt. Dazu zählen unter anderen, dass die moderne Wissenschaft nicht nur ein Projekt des globalen Nordens war, dass Afrikaner:innen wesentlich zur Produktion von Wissen über Afrika beitrugen, dass das Kap ein wichtiger Teil des imperialen Wissenschaftsnetzwerks war, dass die Professionalisierung der Wissenschaft Frauen marginalisierte und dass der Darwinismus auch am Kap diskutiert wurde. Am Beispiel Barbers kann Hammel diesen Argumenten nicht nur mehr Tiefe verleihen und sie dadurch lebendig gestalten, sondern den breiteren Kontext dieser Diskussion verdeutlichen.

Hammel arbeitet mit einer Methodik, die sie «a relational approach» (S. 11) nennt, um Ereignisse und Entwicklungen an verschiedenen Orten, die sich auf den Verlauf von Barbers Karriere ausgewirkt haben könnten, in einen Kontext zu stellen und zu vergleichen. Obwohl dies oft ein fruchtbarer Ansatz ist, führt er manchmal zu unnötigen Details, die vom Thema abweichen und von der Erzählung ablenken. Hammel begründet diesen Ansatz damit, dass es eine bewusste Entscheidung gewesen sei, «in Erinnerung an die lange mündliche Tradition, historisches Wissen von Generation zu Generation weiterzugeben » (S. 12), allerdings lässt dieser Ansatz den Text manchmal unstrukturiert erscheinen. Nichtsdestotrotz wirft das Buch viele interessante Fragen und Probleme über die Konstruktion von Wissen auf, über die Art und Weise, wie Menschen aus der Geschichte herausgeschrieben werden, wie und warum wir Menschen wieder in die Geschichte hineinschreiben könnten und sollten, was das für unser Verständnis von verbundenen Geschichten bedeutet und wie sich zeitgenössische Archivierungspraktiken auf das zukünftige Verständnis der Wissenschaftsgeschichte auswirken könnten. Schliesslich ist die Verbreitung des Buchs als Open-Access-Publikation zu begrüssen.1

Anmerkung
1 Siehe https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-030-22639-8 (12.11.20).

Zitierweise:
Jensz, Felicity: Rezension zu: Hammel, Tanja: Shaping Natural History and Settler Society. Mary Elizabeth Barber and the Nineteenth-Century Cape, Cham 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (3), 2021, S. 536-538. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00093>.

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