E. Bachmann: Die Macht auf dem Gipfel

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Titel
Die Macht auf dem Gipfel. Alpentourismus und Monarchie 1760–1910


Autor(en)
Bachmann, Eva
Erschienen
Wien 2020: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
290 S.
von
Romed Aschwanden, Departement Geschichte, Universität Basel

Die Alpen machen bekanntlich weder vor Landes- noch vor Sprachgrenzen halt. Ungeachtet dessen sind Forschungsarbeiten, die einen mehrsprachigen Untersuchungsraum behandeln, in der Geschichtsforschung zu den Alpen eine Ausnahme. Eva Bachmanns Dissertation gehört zu dieser seltenen Spezies, denn die Forscherin arbeitete sowohl mit italienisch-, englisch- als auch deutschsprachigen Quellen. Die Arbeit, die 2018 bei Jon Mathieu an der Universität Luzern eingereicht worden ist, folgt britischen und italienischen Monarchinnen und Monarchen auf ihren Reisen in den Alpen. Die Protagonistinnen und Protagonisten dienen dabei als Repräsentantinnen und Repräsentanten der sich wandelnden Gesellschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, die Bachmann daraufhin befragt, inwiefern sie «gesamtgesellschaftliche Veränderungen von kulturellen Präferenzen und Lebensstilen» (S. 8) reflektieren.

Die Alpen waren im 18. Jahrhundert durch die Aufklärung primär republikanisch konnotiert (S. 7 f.), ungeachtet dessen zog es im 19. Jahrhundert auch die britischen und italienischen Monarchinnen und Monarchen in dieses, zunehmend durch die Ideen der Romantik gedeutete, Gebirge. Die «Konjunktur der königlichen Alpenreisen» (S. 8) bildete eine eklatante Forschungslücke, die im Rahmen des SNF-Projekts «Majestätische Berge? Monarchie, Ideologie und Tourismus im Alpenraum 1760–1910» erforscht wurde, in dessen Rahmen auch die Dissertation entstand. Methodisch verpflichtet sich die Studie der historischen Komparatistik, wobei die britische und italienische Monarchie als Vergleichsgegenstand fungieren.

Kern des Buchs bilden Kapitel 3 und 4, die der «British Royalty» beziehungsweise der «Casa Reale d’Italia» gewidmet sind. Beiden Kapiteln sind knappe Einführungen zum entsprechenden Königshaus vorangestellt. In Kapitel 3 begleiten die Lesenden die britischen Royals Prinzessin Caroline, Prinz Albert, König Edward VII. und Königin Victoria auf ihren Reisen – nicht nur, aber zunehmend in den Alpen: Denn mit der Expansion des British Empires wuchsen auch die Reiseradien der Monarchinnen und Monarchen. Die Alpenreisen der Royals verfolgten entweder den Zweck einer Bildungsreise («Grande Tour») oder der Rekreation. Insbesondere mit letzterem folgten sie den englischen tourists, wie dies auch die britische Times anlässlich der Luzern-Reise von Queen Victoria 1868 feststellte: «Queen Victoria has had the enterprise and the good sense to see what every one of her subjects sees if he can […].» (S. 111). Bachmann macht deutlich: Die Alpen hatten keine Sonderrolle als Reiseziel der britischen Monarchinnen und Monarchen inne, vielmehr bildeten sie eine Destination unter vielen. Auch waren die Royals keine Pioniere, sie folgten viel eher den «Fussstapfen vieler Landesleute», wie die Autorin in Bezug auf Prinz Albert festhält (S. 259).

Kapitel 4 verfolgt die Reisen des italienischen Königs Vittorio Emanuele II., der Königspaare Umberto I. und Margherita sowie Vittorio Emanuele III. und Elena. Im Gegensatz zu Grossbritannien verfügte das italienische Königreich über einen eigenen Alpenanteil. Die Besuche des italienischen Königspaares in den Westalpen hatten demnach auch den Charakter einer «symbolischen Beschreitung der Herrschaftsgebiete» (S. 244), wodurch sie sich dezidiert von den Alpenreisen der britischen Monarchie unterschieden. Zudem verbrachten alle Mitglieder der «Casa Reale» gerne und oft Zeit in den Alpen, sei es zur Jagd oder zum Bergsteigen. Doch auch sie waren keine eigentlichen Pioniere, wie Bachmann klar festhält: Selbst die «königliche Alpinistin» (Quellenzitat, S. 200) Margherita hatte als Bergsteigerin bereits weibliche Vorbilder.

Im Vergleich (Kapitel 5) zeigt Bachmann auf, dass die Motivationen für Alpenreisen trotz höchst unterschiedlicher Frequenz auf britischer (sporadisch) und italienischer (regelmässig) Seite durchaus ähnlich gelagert waren: Die Alpen «waren Tummelplatz eskapistischer Ausflüge und Touren, prachtvolle Szenerien der befristeten Auslebung scheinbar einfacher Lebensentwürfe und Nährboden reicher Jagdbeute.» (S. 264). Schliesslich bilanziert Bachmann, dass die royalen Alpenreisen durchaus den gesellschaftlichen Wandel während des Untersuchungszeitraums repräsentieren. Ihre Arbeit legt deutlich und quellennah dar, wie das Verhalten der Monarchinnen und Monarchen von der aufkommenden Freizeitkultur, von Individualisierung und dem Aufstieg des Bürgertums geprägt waren, sie also keine Vorreiter waren, sondern in ihrem Reiseverhalten den «Trend[s]» (S. 261) folgten.

Bachmann verortet ihre Arbeit an der Schnittstelle zwischen Tourismusgeschichte, Alpen- und Monarchieforschung. Insbesondere letztere bildete ein Literaturkorpus heraus, das sich durch einen starken Fokus auf die jeweilige Nation beziehungsweise das jeweilige Reich auszeichnet, während zahlreiche Biografien von Monarchinnen und Monarchen eher populärwissenschaftlicher Natur sind. Bachmann geht mit dieser Ausgangslage konstruktiv um. Sie setzte sich nicht nur intensiv mit der Literatur aus vier Sprachräumen auseinander (sie zieht auch französische Werke bei), sondern konsultierte auch Archive in England, Italien und der Schweiz. Ihre Arbeit eröffnet einen neuen Blick sowohl auf die Alpen als auch auf das britische und das italienische Königshaus. Ihr Buch unterhält durch die ausführlichen Reiseschilderungen und bereichert durch die konzisen Analysen.

Zitierweise:
Aschwanden, Romed: Rezension zu: Bahmann, Eva: Die Macht auf dem Gipfel. Alpentourismus und Monarchie 1760–1910, Wien / Köln / Weimar 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (3), 2021, S. 530-531. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00093>.

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