M. Zanoli u.a. : Atlas historique de la Suisse

Cover
Titel
Atlas historique de la Suisse. L’histoire Suisse en cartes


Autor(en)
Zanoli, Marco; Walter, François
Erschienen
Neuchâtel 2020: Livreo-Alphil
Anzahl Seiten
195 S.
von
Georg Kreis, Europainstitut der Universität Basel

Das Vorgängerwerk des neuerdings zur Verfügung stehenden Atlas zur Schweizer Geschichte stammt von Ammann / Schib und ist 1951 erschienen. Ein in mehrfacher Beziehung neues Kartenwerk ist demnach ein Desiderat gewesen, weil neuen historischen Einsichten, neuen reprografische Möglichkeiten und der Entwicklung der jüngsten Zeit, die immerhin mehr als ein halbes Jahrhundert einnimmt, Rechnung getragen werden kann. In den letzten Jahren ist die Schweiz kartographisch allerdings nicht unbearbeitet geblieben. Zu nennen ist der von Bruno Fritzsche unter anderem im Jahr 2001 vorgelegte Strukturatlas zum 19. Jahrhundert, der es verdient hätte, von den Produzenten des neuesten Werks mehr einbezogen zu werden. Einen weiteren Hinweis verdient der wirklich innovative, allerdings auf gegenwartsnahe Verhältnisse beschränkte, 2003 von Heiri Leuthold und Michael Herrmann präsentierte «Atlas der politischen Landschaften: ein weltanschauliches Porträt der Schweiz», der uns mit einer Auswertung von zur jüngsten Zeit zur Verfügung stehenden Daten die Verteilung der regionalen politischen Mentalitäten der Schweiz aufzeigt. Der neue, in 25 Kapitel unterteilte Atlas versammelt 111 Karten über einen Zeitraum vom Neolithikum bis zu den kürzlich entstandenen Metropolitanregionen. Eine wichtige Besonderheit besteht darin, dass sich die Karten nicht auf das heutige Staatsgebiet der Schweiz beschränken, sondern zum Teil weiträumig auch die Nachbargebiete abdecken, so dass zum Beispiel im Fall der La Tène-Zivilisation oder der Autobahnen des 20. Jahrhunderts transnationale Gegebenheiten sichtbar werden. Über weite Strecken gilt die Hauptaufmerksamkeit jedoch nach traditioneller Manier den politischen Herrschaftsverhältnissen beziehungsweise den Territorien mit unterschiedlichen Regimen. So erfährt etwa ihre kleinräumige Gliederung des 14. Jahrhunderts eine anschauliche Darstellung.

Einige Karten sind Phänomenen gewidmet, zu denen bisher noch keine Raumrepräsentationen entwickelt worden sind: zur räumlichen Verteilung der verschiedenen politischen Tendenzen um 1848 oder der Arbeiterbewegung vor 1914. Zwei Karten sind immerhin der Industrialisierung um 1780 und 1860 gewidmet. Die für das erfasste Land bekanntlich nicht unwichtige Landwirtschaft (die Verteilung der Forst-, Gras- und Getreidewirtschaft) bleibt hingegen unberücksichtigt. Eintragungen zu Städten unterschiedlicher Grösse vermitteln bloss eine schwache Ahnung von der Besiedlungsdichte des Landes. Alles in allem bietet der neue Atlas verglichen mit dem Vorgängerwerk einen erheblichen Mehrwert und bleibt doch, wie das Werk von 1951 und wie wissenschaftliches Arbeiten schlechthin, bloss eine Etappe auf dem Weg des steten Ausbaus. Die nächste Etappe wird wohl in der digitalen Animation von solchen Karten liegen. Eine dynamisierte Darstellung drängt sich zum Beispiel in der Geschichte der Eisenbahnentwicklung (hier statisch mit zwei Karten zu 1860 und 1914 festgehalten) geradezu auf. Vielleicht wird uns dies sogar der Kartograph dieses Werks gelegentlich zur Verfügung stellen.

Marco Zanoli unterrichtet Geschichte und Informatik an einer Zürcher Kantonsschule, wo er auch das IT-Team leitet. Das Zeichnen historischer Karten ist in einer eigenartigen Mischung von Professionalität und Amateurentum bloss seine leidenschaftliche Freizeitbeschäftigung. In seinem Vorwort spricht er die Hoffnung aus, dass diese Publikation das Interesse an der Geschichte der Schweiz wecken werde. Der Atlas kann aber auch denen nützlich sein, die sich schon für diese Geschichte interessieren und sogar bereits einiges über sie wissen. Die Karten geben zwar Auskünfte, diese müssen jedoch eingebettet und zu einem Verständnis verarbeitet werden. Eine erste Hilfe dazu bieten die von François Walter, zu jedem Kapitel verfassten kurzen Einleitungen. Walter kann dabei aus dem Vollen schöpfen, hat er doch eine mehrbändige, im gleichen Verlag erschienene Schweizer Geschichte verfasst und sich wiederholt mit Fragen der Imagination von Landschaften befasst. In seinem Vorwort erklärt er, dass die Vielfalt der stets neue Konturen annehmenden und neue Kompositionen einnehmenden Territorien an ein Kaleidoskop erinnern und auch daran, dass die Schweiz kein in Zeit und Raum festes Gebilde ist und nicht aufgehört hat, sich zu entwickeln beziehungsweise, wie man es nur französisch auf den Punkt bringen kann: «de se faire, de se défaire et de se recomposer» (S. 9).

Zitierweise:
Kreis, Georg: Rezension zu: Zanoli, Marco (cartes); Walter, François (textes): Atlas historique de la Suisse. L’histoire Suisse en cartes, Neuchâtel 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (3), 2021, S. 519-520. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00093>.

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