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Heiko Wegmann, ausgewiesen durch zahlreiche Arbeiten zu diesem Thema, aber auch zur Geschichte des «Dritten Reiches» und besonders der SS im südbadischen Raum, zeigt nun mit seiner 2018 vorgelegten Dissertation, dass der koloniale Gedanke eine bedeutsame Rolle in der Stadtgeschichte spielte und Auswirkungen bis in die Gegenwart hat. Die Untersuchung beruht auf einer umfassenden und teilweise erstmals bearbeiteten Quellengrundlage sowie einer Auswertung der einschlägigen Literatur. Theoretisch orientiert sich Wegmann vor allem an Vorstellungen zur transnationalen und postkolonialen Geschichte. Wie so oft erweist sich das Verfahren, über die Biografie eines wichtigen Akteurs Zusammenhänge und Strukturen zu erschliessen, als aufschlussreich und weiterführend – das hätte theoretisch freilich noch vertieft werden können. Max Knecht, 1874 in Basel als Sohn einer Schweizerin und eines badischen Offiziers geboren, wuchs im Elsass auf und entschied sich für eine Militärlaufbahn. Er strebte einen Einsatz im Kolonialdienst an, zumal er in eine Bankiersfamilie einheiraten wollte, die sich aktiv in der Kolonialbewegung betätigte. 1905 wurde er zur Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika einberufen und dort sofort im Maji-Maji-Krieg im heutigen Tansania eingesetzt. Knecht, dessen Tagebuch Wegmann erstmals auswerten konnte, stand hinter der Politik der «kontrollierten Härte» (S. 179). Hinrichtungen und das Niederbrennen von Dörfern hielt er für legitim. 1907 übernahm er die Leitung eines Grenzpostens in Ruanda. Auch hier offenbarte er sich als überzeugter Anhänger des Kolonialismus und zugleich glühender Nationalist. Die deutsche Politik vertrat er mit dem «zeittypischen Herrenmenschentum » (S. 287). Über die militärische Gewalt hinausgehende Exzesse, Machtmissbrauch oder persönliche Bereicherung sind nicht bekannt. 1908 trat Knecht in das Freiburger Infanterie-Regiment Nr. 113 ein. Im Herzen blieb er jedoch Kolonialoffizier. So hielt er nicht nur Vorträge, sondern führte auch eine Abteilung der Freiburger Jugendwehr, in der deutliche kolonialistische Einflüsse spürbar waren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er an der Westfront. In der Nachkriegszeit trat er gegen die Soldatenräte auf und engagierte sich in der bürgerlichen Einwohnerwehr, wurde aber während des Kapp-Putsches zum Rücktritt gezwungen. Seit 1919 leitete Knecht die Freiburger Ortsgruppe des Deutschen Offiziersbundes. Dieses Amt behielt er auch bei, nachdem er 1921 die Reichswehr verlassen und die Funktion eines Archivars beim Freiburger Bankhaus Krebs angetreten hatte. Kommunalpolitisch betätigte er sich in der liberalen Deutschen Volkspartei, die er auch als Stadtverordneter vertrat. Im März 1933 wechselte er zur Deutschnationalen Volkspartei und unterstützte die NSDAP, der er sich 1937 dann auch offiziell anschloss. 1925 war Knecht an die Spitze der Oberbadischen Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft getreten. Er nutzte diese Position, um die koloniale Ideologie, die ohnehin im Freiburger bürgerlich-liberalen Milieu weit verbreitet war, intensiv in die Bevölkerung hineinzutragen. Einen Höhepunkt bildete 1935 die Durchführung der Reichskolonialtagung in Freiburg, die mit einer grossen Ausstellung verbunden wurde. Auf diese Weise konnte die Verbindung zwischen Kolonialbewegung und Nationalsozialismus gefestigt werden. 1936 ging die Kolonialgesellschaft im Reichskolonialbund auf, und Knecht wechselte in eine leitende Funktion beim Reichskriegerbund. 1937 wurde er in die SS aufgenommen. Antisemitische Äusserungen und Aktivitäten sind hingegen nicht überliefert. Während des Zweiten Weltkrieges diente er im Ersatzheer. Die «Entnazifizierung» überstand er durch eine «Strategie der Verharmlosung, Rechtfertigung und Auslassung» (S. 523). Er wurde als «Minderbelasteter» eingestuft und 1950 begnadigt. In seinem Lebensrückblick sparte er die NS-Zeit aus. 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Über Knechts Biografie eröffnen sich neue Einblicke in die jeweiligen Kontexte – von den Verhältnissen im Elsass nach 1870/71 über den trotz einiger wichtiger Studien immer noch wenig bekannten Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika (hier hat Wegmann mit 19 Interviews, die in seinem Auftrag geführt wurden, neue Quellen erschlossen) bis hin zu den vielfältigen Querbeziehungen in Freiburg. Dabei schärft der Autor das Bild, indem er Knechts Verhalten mit Denken und Handeln vergleichbarer Personen in Beziehung setzt, sodass Varianten und Alternativen sichtbar werden. Seine Urteile fallen differenziert aus. Das Buch ist trotz der Länge gut lesbar. Zu bedauern ist, dass Knechts Privatleben weitgehend ausgespart bleibt. Diese Aspekte seiner Lebenswelt hätten vielleicht manche Züge seines Verhaltens genauer hervortreten lassen, andererseits den Umfang des Buches noch mehr ausgeweitet. 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Entgegen althergebrachter Forschungsmeinungen illustriert Wegmann, dass Knechts „koloniale Identität“ gepaart mit einer militaristisch-rassistisch-nationalistisch-sozialdarwinistischen Überzeugung genügte, um lebenslang für den Kolonialismus zu agitieren – und zwar ohne den Gedanken, jemals wieder dauerhaft in eine deutsche Kolonie zurückkehren zu wollen. Sowohl der Militarismus als auch der Kolonialismus bildeten die zwei Grundpfeiler von Knechts Identität und stützten einander. Über die verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte hinweg war Knecht pragmatisch genug, seine Grundüberzeugungen stets an lokale und gegenwärtige Realitäten anzupassen. Knecht handelte dabei utilitaristisch: (Militärische) Gewalt war für ihn legitimes Mittel zum Zweck. Gewaltexzesse um ihrer selbst willen hingegen vollzog Knecht selbst während eines Kolonialkrieges nicht. In Freiburg schloss er sich denjenigen Kräften an, die seinem Selbstverständnis nahestanden und trachtete in allen seinen lokalen Netzwerken danach, seine „Ideale“ zu verwirklichen. Knecht war aber auch bereit, sich eine neue „politische Heimat“ zu suchen, sofern diese seinen Grundüberzeugungen nicht entgegenstand und für das Erreichen seiner Ziele erfolgversprechender erschien. Dadurch gelang es ihm über Jahrzehnte, „den Kolonialgedanken“ in Freiburg im Breisgau aufrecht zu erhalten und weiter zu etablieren; lediglich im sozialdemokratischen Milieu war Knecht weniger erfolgreich. Die Studie stützt sich auf Aktenmaterial aus Zentral- und Lokalarchiven, Knechts Tagebuch sowie zahlreiche Zeitungsberichte und Publikationen lokaler Verbände des Freiburger Raums. Dabei steht Knechts Tagebuch während seiner Zeit in Ostafrika im Vordergrund der Analyse. Für die Zeit nach seiner Rückkehr nach Deutschland dominieren zeitgenössische Publikationen; Knecht hatte das Tagebuchschreiben eingestellt. _Vom Kolonialkrieg_ gliedert sich neben Einleitung sowie Fazit und Ausblick in acht Hauptkapitel, die dem Leben Knechts chronologisch folgen. Die zwei einführenden Kapitel geben Auskunft über Knechts Herkunft und Berufslaufbahn sowie die generelle Geschichte DOAs und dessen Kolonialmilitär. Diese Kapitel sind mit jeweils ca. 20 Seiten im Vergleich zu den anderen Kapiteln (ca. 80 Seiten) knappgehalten und beleuchten Knechts Sozialisation in eine Militärfamilie und sein Aufwachsen im Elsass. Das Kapitel „Maji Maji Krieg“ beleuchtet die Kriegshandlungen Knechts. Als einer der wenigen deutschen Kolonialoffiziere fungierte er hierbei als bedeutender Akteur bei der Kriegsführung. Dabei vollzog Knecht neben vergleichsweise normalen Kriegspraktiken auch die „Taktik der verbrannten Erde“, um die Guerillataktik seiner Gegner unmöglich zu machen. Neben „Gefangenennahmen, Schnellurteilen und Hinrichtungen“ (S. 154), die Knecht selbst vollstreckte, war er auch Mitverursacher und Zeuge einer weitverbreiteten Hungersnot im Süden der Kolonie. Als direkte Folge der Vernichtung von Lebensmitteln durch das deutsche Kolonialmilitär verlor schätzungsweise bis zu einem Drittel der (Zivil-)Bevölkerung der südlichen Hälfte DOAs ihr Leben. In diesem Kapitel erschließt Wegmann weitgehend Neuland, da über die Kriegsführung in der Region Morogoro noch wenig bekannt war. Im Kapitel „Ruanda“ untersucht Wegmann Knechts Tätigkeiten in Ruanda von 1906 bis 1907. Dort war er besonders für den Aufbau einer kolonialen Infrastruktur sowie dem diplomatischen Austausch mit Vertretern anderer europäischer Kolonialmächte und christlicher Missionen sowie den afrikanischen Würdenträgern verantwortlich. Trotz seines deutsch-chauvinistischen Überlegenheitsgefühls gegenüber seinen belgischen Kollegen sowie katholischen Missionaren und seiner rassistischen Verachtung aller Afrikaner rang Knecht sich einen gewissen Grad an Achtung gegenüber all jenen Menschen ab, die ihn im Ernstfall nicht behinderten oder stützten. Er fand auch ein gewisses Maß an Bewunderung für die Macht und Regierungsführung des ruandischen Königs Msinga, dessen Autorität sich Knecht bei einem offiziellen Besuch entgegen seines eigenen Herrschaftsanspruches unterwerfen musste. Das Kapitel „Offizier und Milizführer in Freiburg (1908–1920)“ stellt Knechts Leben als Offizier im 5. Badischen Infanterie Regiment Nr. 113 in Freiburg dar. Typisch für ehemalige Kolonialoffiziere war der Beitritt zu kolonialen Organisationen wie der Deutschen Kolonialgesellschaft, deren Mitglied Knecht unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1908 wurde. Ehrenamtlich hielt er verschiedene Vorträge über seine Zeit in DOA und avancierte innerhalb des Dunstkreises von Freiburg zu einem der effektivsten Netzwerker, der sich insbesondere der „alltäglichen Kleinarbeit der Kolonialbewegung“ (S. 307) widmete. Parallel dazu nahm Knecht zwischen 1911 und 1914 eine leitende Funktion in der Jugendwehr Freiburgs ein und suchte mithilfe seiner Kolonialkriegserfahrung die Jugend für einen antizipierten Weltkrieg zu schulen. Grundsätzlich gilt, dass Knechts Prestige als hochdekorierter Kolonialoffizier im militaristischen Deutschen Reich ihm den „Weg in die Elite der städtischen Gesellschaft“ (S. 299) Freiburgs ebnete. Zugleich wurde Knecht in der Wahrnehmung Dritter nicht nur als ehemaliger Offizier mit Kolonialerfahrung wahrgenommen, sondern repräsentierte an sich „das Koloniale“ vor Ort, so Wegmann. 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Seinen größten Erfolg als Kolonialagitator konnte Knecht 1935 kurz vor der NS-„Gleichschaltung“ verbuchen. Es gelang ihm mithilfe seines lokalen Netzwerkes trotz schwieriger „politscher Großwetterlage“, die Reichskolonialtagung und die Kolonialausstellung nach Freiburg zu holen. Die Veranstaltungen standen „ganz im Zeichen der Annäherung von Kolonialbewegung und Nationalsozialismus“ (S. 441) und damit auch exemplarisch für Knecht selbst. Das Kapitel „Badischer Kriegerbund – Veteranen, Nationalsozialismus und Kolonien (1930–1945)“ beleuchtet zunächst, wie zentral Militarismus und Soldatentum neben dem „Kolonialgedanken“ für Knechts Identität auch nach seiner aktiven Laufbahn als Offizier waren. Dieser „Gesinnungsmilitarismus“ (S. 469) fand in Knechts Fall in seinem Beitritt zum monarchistischen und paramilitärischen „Stahlhelm“ Ausdruck, der seiner politischen Heimat (DNVP) nahestand. Er zeigte sich aber auch in Knechts Mitgliedschaft in Freiburger (Kolonial-)Kriegerverbänden und in seiner aktiven Mitgliedschaft im überregional organisierten Kyffhäuser-Bund. Zwar gelang es Knecht in diesen Verbänden ebenfalls, den Kolonialrevisionismus einzuweben. Primär verfolgte er aber das Ziel, „soldatische Tugenden“ hochzuhalten. Wegmann ist überzeugt, dass ebendiese militaristische Mentalität Knechts eine Scharnierfunktion darstellte, die ihn dazu bewog, schlussendlich die DNVP zu verlassen und in die NSDAP und SS einzutreten. Bemerkenswert ist, dass sich Knecht privat und öffentlich „auffallend wenig“ (S. 512) antisemitisch äußerte und somit ein Kernelement des Nationalsozialismus durch den sonst politisch so umtriebigen ehemaligen „Schutztruppenoffizier“ unbesetzt blieb. 1939 kurz zum Zweiten Weltkrieg eingezogen, schied Knecht 69-jährig im Jahre 1943 aus dem Militärdienst aus. 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Wegmann gelingt es mittels Knechts Biographie glaubhaft darzulegen, dass der Kolonialismus weder während der Weimarer Republik noch während der NS-Zeit ein Randphänomen der Freiburger – wenn nicht der deutschen – Gesellschaft war. Besonders hervorzuheben sind zudem Wegmanns Forschungsergebnisse über den Maji Maji-Krieg in der Region Morogoro, die er mithilfe von Knechts Tagebüchern nachzeichnet. Keinen Gefallen tut sich Wegmann allerdings damit, seine biographische Forschung mit nur wenigen Sätzen in ein globalgeschichtliches Narrativ einordnen zu wollen. Stattdessen wäre eine theoretisch fundiertere Herangehensweise an den Quellenkorpus der Selbstzeugnisse wünschenswert gewesen, da diese Gattung für Wegmanns Forschung unverzichtbar ist. Möglicherweise hätte dies aber den Rahmen der ohnehin umfangreichen Forschung gesprengt. 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Wegmann: Vom Kolonialkrieg zur Kolonialbewegung | infoclio - Rezensionen

H. Wegmann: Vom Kolonialkrieg zur Kolonialbewegung

Cover
Titel
Vom Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika zur Kolonialbewegung in Freiburg. Der Offizier und badische Veteranenführer Max Knecht (1874–1954)


Autor(en)
Wegmann, Heiko
Reihe
Rombach Wissenschaften Alltag und Provinz 16
Erschienen
Freiburg i. Br. 2019: Rombach
Anzahl Seiten
580 S.
Preis
34,00 €
von
Heiko Haumann, Departement Geschichte, Universität Basel

In den gängigen Werken zur Geschichte Freiburgs i. Br. taucht der Kolonialismus kaum auf. Erst seit den 1990er Jahren sind Ansätze zu finden, sich mit der kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Heiko Wegmann, ausgewiesen durch zahlreiche Arbeiten zu diesem Thema, aber auch zur Geschichte des «Dritten Reiches» und besonders der SS im südbadischen Raum, zeigt nun mit seiner 2018 vorgelegten Dissertation, dass der koloniale Gedanke eine bedeutsame Rolle in der Stadtgeschichte spielte und Auswirkungen bis in die Gegenwart hat. Die Untersuchung beruht auf einer umfassenden und teilweise erstmals bearbeiteten Quellengrundlage sowie einer Auswertung der einschlägigen Literatur. Theoretisch orientiert sich Wegmann vor allem an Vorstellungen zur transnationalen und postkolonialen Geschichte. Wie so oft erweist sich das Verfahren, über die Biografie eines wichtigen Akteurs Zusammenhänge und Strukturen zu erschliessen, als aufschlussreich und weiterführend – das hätte theoretisch freilich noch vertieft werden können.

Max Knecht, 1874 in Basel als Sohn einer Schweizerin und eines badischen Offiziers geboren, wuchs im Elsass auf und entschied sich für eine Militärlaufbahn. Er strebte einen Einsatz im Kolonialdienst an, zumal er in eine Bankiersfamilie einheiraten wollte, die sich aktiv in der Kolonialbewegung betätigte. 1905 wurde er zur Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika einberufen und dort sofort im Maji-Maji-Krieg im heutigen Tansania eingesetzt. Knecht, dessen Tagebuch Wegmann erstmals auswerten konnte, stand hinter der Politik der «kontrollierten Härte» (S. 179). Hinrichtungen und das Niederbrennen von Dörfern hielt er für legitim. 1907 übernahm er die Leitung eines Grenzpostens in Ruanda. Auch hier offenbarte er sich als überzeugter Anhänger des Kolonialismus und zugleich glühender Nationalist. Die deutsche Politik vertrat er mit dem «zeittypischen Herrenmenschentum » (S. 287). Über die militärische Gewalt hinausgehende Exzesse, Machtmissbrauch oder persönliche Bereicherung sind nicht bekannt.

1908 trat Knecht in das Freiburger Infanterie-Regiment Nr. 113 ein. Im Herzen blieb er jedoch Kolonialoffizier. So hielt er nicht nur Vorträge, sondern führte auch eine Abteilung der Freiburger Jugendwehr, in der deutliche kolonialistische Einflüsse spürbar waren. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er an der Westfront. In der Nachkriegszeit trat er gegen die Soldatenräte auf und engagierte sich in der bürgerlichen Einwohnerwehr, wurde aber während des Kapp-Putsches zum Rücktritt gezwungen. Seit 1919 leitete Knecht die Freiburger Ortsgruppe des Deutschen Offiziersbundes. Dieses Amt behielt er auch bei, nachdem er 1921 die Reichswehr verlassen und die Funktion eines Archivars beim Freiburger Bankhaus Krebs angetreten hatte. Kommunalpolitisch betätigte er sich in der liberalen Deutschen Volkspartei, die er auch als Stadtverordneter vertrat. Im März 1933 wechselte er zur Deutschnationalen Volkspartei und unterstützte die NSDAP, der er sich 1937 dann auch offiziell anschloss.

1925 war Knecht an die Spitze der Oberbadischen Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft getreten. Er nutzte diese Position, um die koloniale Ideologie, die ohnehin im Freiburger bürgerlich-liberalen Milieu weit verbreitet war, intensiv in die Bevölkerung hineinzutragen. Einen Höhepunkt bildete 1935 die Durchführung der Reichskolonialtagung in Freiburg, die mit einer grossen Ausstellung verbunden wurde. Auf diese Weise konnte die Verbindung zwischen Kolonialbewegung und Nationalsozialismus gefestigt werden. 1936 ging die Kolonialgesellschaft im Reichskolonialbund auf, und Knecht wechselte in eine leitende Funktion beim Reichskriegerbund. 1937 wurde er in die SS aufgenommen. Antisemitische Äusserungen und Aktivitäten sind hingegen nicht überliefert. Während des Zweiten Weltkrieges diente er im Ersatzheer. Die «Entnazifizierung» überstand er durch eine «Strategie der Verharmlosung, Rechtfertigung und Auslassung» (S. 523). Er wurde als «Minderbelasteter» eingestuft und 1950 begnadigt. In seinem Lebensrückblick sparte er die NS-Zeit aus. Für seine Beerdigung 1954 hatte er verfügt, dass seine Schutztruppentätigkeit im Mittelpunkt stehen sollte. Das weist darauf hin, «dass er mit sich bis zum Schluss im Reinen war und keinen Anlass zur Selbstkritik sah» (S. 531).

Knecht war ein «vorbildlicher Typus eines Kolonialoffiziers» (S. 535). Seine rassistische Denkweise und sein Nationalismus liessen ihn die Afrikaner als zur «Zivilisierung» unfähig ansehen (ebd.). Es ging ihm um Herrschaft und Überlegenheit Deutschlands. Durch die Rekonstruktion seines Lebens zeigt sich, wie vernetzt er selbst und die von ihm vertretenen Organisationen mit anderen Verbänden waren und wie sehr es ihm gelang, die mit dem Kolonialgedanken verbundenen Anschauungen in den «Köpfen und Herzen der Mitmenschen» (S. 538) zu verankern. Das wirkt bis heute nach – etliche diskriminierende Denkmuster lassen sich bis in die Zeit des Kolonialismus zurückverfolgen.

Heiko Wegmann hat eine eindrucksvolle und überzeugende Analyse vorgelegt. Über Knechts Biografie eröffnen sich neue Einblicke in die jeweiligen Kontexte – von den Verhältnissen im Elsass nach 1870/71 über den trotz einiger wichtiger Studien immer noch wenig bekannten Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika (hier hat Wegmann mit 19 Interviews, die in seinem Auftrag geführt wurden, neue Quellen erschlossen) bis hin zu den vielfältigen Querbeziehungen in Freiburg. Dabei schärft der Autor das Bild, indem er Knechts Verhalten mit Denken und Handeln vergleichbarer Personen in Beziehung setzt, sodass Varianten und Alternativen sichtbar werden. Seine Urteile fallen differenziert aus. Das Buch ist trotz der Länge gut lesbar. Zu bedauern ist, dass Knechts Privatleben weitgehend ausgespart bleibt. Diese Aspekte seiner Lebenswelt hätten vielleicht manche Züge seines Verhaltens genauer hervortreten lassen, andererseits den Umfang des Buches noch mehr ausgeweitet. Insgesamt ist das Buch ein Meilenstein bei der Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus und seiner langfristigen Tiefenwirkung.

Zitierweise:
Haumann, Heiko: Rezension zu: Wegmann, Heiko: Vom Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika zur Kolonialbewegung in Freiburg. Der Offizier und badische Veteranenführer Max Knecht (1874–1954), Freiburg i. 2019. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (1), 2021, S. 196-197. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00080>.