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Jahrhunderts – die Entwicklung und die Kontexte der Konstruktion der Tatra als Naturschutzzone, nationale Landschaft und Grenzregion dargestellt. Vor dem Hintergrund dieser sich gegenseitig ergänzenden wie auch konkurrierenden Kontexte werden die drei Hauptnutzungsarten in der Tatra untersucht: Weide- und Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz. Diese Nutzungsarten sind mit Deutungs- und Eigentumsansprüchen des Naturraums Tatra verknüpft, welche die Verfasserin durchgängig mit dem Narrativ der Moderne verbindet. Die Modernisierung der Tatra weist trotz des politischen und sozialen Wandels konstante Problemfelder auf, die mit den Ansprüchen der Bevölkerung vor Ort, der Verwaltung des Naturschutzgebiets und Plänen der jeweiligen Landesregierungen und unterschiedlichen politischen Systeme zusammenhängen. Das erste Kapitel beschreibt die «Entdeckung der Tatra» zum einen durch die slowakische und polnische Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts auf Grundlage der Erfindung von «Wir-Gemeinschaften», wie sie Benedict Anderson und Eric Hobsbawm vorschlagen; zum andern wird die Tatra als Objekt einer sich wandelnden Wahrnehmung der Berge seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in der Kunst, Naturforschung, und dem sich dynamisch entwickelnden Tourismus umrissen. Bereits im Stadium der «Entdeckung» wird die Verschränkung sozialer und kultureller Konstellationen deutlich, in denen die heterogene Bevölkerung der Region – neben Polen und Slowaken auch Goralen, Zipser-Deutsche, Lemken und Ungarn – eine bedeutende Rolle spielen. Die Autorin zeigt dabei gut nachvollziehbar, wie die romantisch-nationalen Konstruktionen sowie Naturvorstellungen der Moderne im 19. Jahrhundert den Hintergrund für die nachfolgenden Entwicklungen bis heute stellen. Das zweite Kapitel geht Plänen eines grenzübergreifenden Nationalparks nach, der unter anderem von der Konzeption des amerikanisch-kanadischen Waterton-Glacier International Peace Park inspiriert war. Der Tatra-Nationalpark hatte freilich auf eine komplexere Konstellation als das Projekt in Nordamerika zu reagieren. Mit Hilfe der Einrichtung eines «Friedensparks» sollten unter anderem Spannungen zwischen Polen und der Tschechoslowakei über den Grenzverlauf mittels eines gemeinsam verwalteten, grenzüberschreitenden Naturschutzgebiets abgebaut werden. Dieses ambitionierte Projekt scheiterte weitgehend aufgrund divergierender politischer, wirtschaftlicher, sozialer respektive ethnischer und ökologischer Interessen. Im dritten und vierten Kapitel wird schliesslich der Blick von den internationalen Konfliktlinien zurück auf widerstreitende soziale Interessen an der Nutzung der Tatra innerhalb Polens und der Tschechoslowakei gelenkt. 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Das abschliessende Kapitel ist als Zusammenfassung und Ausblick gestaltet und macht deutlich, wie unterschiedliche Wahrnehmungen, ökonomische und ökologische Interessen sowie Eigentumsansprüche aus der Vergangenheit auch gegenwärtig nachwirken und Nutzungskonflikte als auch ideologisierte Deutungen die Zukunft der Tatra beeinflussen werden. Die Arbeit ist mit einigen Abbildungen und Karten ergänzt, die das Verständnis erleichtern. Sie beinhaltet zudem ein Glossar, das geographische Bezeichnungen und Personennamen schneller auffindbar macht. Wie ein Blick in das Quellen- und Literaturverzeichnis zeigt, ist die Arbeit sehr gut recherchiert, einzig der Fussnotenteil scheint stellenweise etwas überdimensioniert. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht wäre unter anderem im ersten Kapitel die Berücksichtigung der Konstruktion des Karpatenraums bzw. der Tatra als populärer folkloristisch-literarische und künstlerische Landschaft, zum Beispiel mit der polnischen und slowakischen Inszenierung von Heldenfiguren wie Juraj Jánošik, aufschlussreich gewesen; dies hätte den von der Autorin konstatierten Symbolcharakter der Berge noch einmal deutlich herausgehoben. Insgesamt ist die Arbeit für weitere Forschungen zur Umweltgeschichte und Fragestellungen des Ecocriticism im Karpatenraum äusserst anregend, zugleich veranschaulicht sie eine gelungene Umsetzung transnationaler Forschung. Die Anlage des Buchs macht darüber hinaus deutlich, wie die Untersuchung konkreter Phänomene, etwa der Nationalparkkonzepte, auch die Möglichkeit eröffnet, weiter reichende, globale Aussagen über Konstellationen und Verflechtungen der Umweltgeschichte zu treffen sowie verallgemeinernde Thesen über die Wechselwirkungen von Natur und soziokulturellen Kontexten aufzustellen. Zitierweise: Kratochvil, Alexander: Rezension zu: Hoenig, Bianca: Geteilte Berge. Eine Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra, Göttingen 2018. Zuerst erschienen in: |http://www.sgg-ssh.ch/de/publikationen/schweizerische-zeitschrift-fuer-geschichte-szg|Schweizerische Zeitschrift für Geschichte| 71 (1), 2021, S. 188-190. Online: ." 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Wie weitgediegen beispielsweise die Forschung zu den Alpen ist, lässt sich an Jon Mathieus eingängig gestalteten Band zu den Alpen ablesen.[1] Die Tatra wies jedoch – trotz des enorm hohen Stellenwerts als nationale Landschaft und Urlaubsdestination für Polen und Slowaken – bis _Geteilte Berge_ von Bianca Hoenig keine nennenswerte, geschweige denn vergleichbare, umweltgeschichtliche Forschung auf. Die Monografie ist mit Bedacht komponiert. Mit Rückgriff auf das Konzept der Territorialisierung spannt Hoenig einen weiten Bogen. Er reicht von der „Entdeckung“ der Tatra durch die polnische und slowakische Nationalbewegung im 19. Jahrhundert bis in die jüngste Gegenwart, die im Zeichen der Reprivatisierung des Bodens nach 1989 und der Konflikte zwischen Naturschutz und Tourismus nach dem Orkan von 2004 stehen. Der lange Zeitraum war geprägt von tiefen politischen Zäsuren, in deren Folge sich die staatliche Zugehörigkeit der Tatra mehrfach änderte. Trotz der Regimewechsel blieben die Konstellationen der Ansprüche seitens der Almbauern, des Naturschutzes und des Tourismus und somit auch die Spannung zwischen Kooperation und Konflikt erstaunlich konstant. Das erste Kapitel zeichnet den Aufstieg der Hohen Tatra zu einer verklärten nationalen Landschaft nach. Im Norden des Gebirges waren es polnische Patrioten, die in der lokalen Bevölkerung, den Goralen, den Archetypus der Polen und in der Hohen Tatra den Kern eines freien Polens erblickten. Die Stadt Zakopane wurde zum Treffpunkt der polnischen Patrioten. Künstler, Wissenschaftler und Touristen aus allen polnischen Teilungsgebieten erschlossen die Region, unter anderem im Rahmen des 1873 gegründeten Tatraverbandes. Die Aneignung und Popularisierung der Südseite oblag hingegen dem Ungarischen Karpatenverein, dem nur wenige Slowaken, vor allem jedoch Zipser Deutsche angehörten. Die Slowakisierung der Tatra erfolgte daher mit einem deutlichen Zeitverzug. Die Vorstellung der Tatra als Wiege des Slawentums existierte zwar schon in den 1830er-Jahren. Doch verbreitet wurde sie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zunehmend erweitert um die Vorstellung der Tatra als Gewähr der Stärke und Zukunft der Slowaken. Die Kapitel zwei und drei verfolgen die Pläne zur Errichtung eines polnisch-tschechoslowakischen Nationalparks in der Zwischenkriegszeit. Konflikte zwischen Polen und der Tschechoslowakei um den Verlauf ihrer gemeinsamen Grenze betrafen unter anderem die Javorina, ein zentrales Gebiet der Hohen Tatra. Wirtschaftlich unbedeutend, besaß dieses Gebiet für beide Seiten einen hohen symbolischen Wert. Versuche, die Grenzstreitigkeiten mit militärischen oder gerichtlichen Mitteln zu lösen, verliefen bis dato im Sande. Nun war es der Naturschutz, der die Idee eines zwischenstaatlichen Schutzgebietes als alternative Lösung ins Spiel brachte. 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Im Zentrum des sechsten Kapitels steht die Kampagne um die Rückkehr der Schafe in die polnische Tatra zu Beginn der 1980er-Jahre. Die ansässige Bevölkerung, die Goralen, hatte sich nie vollständig mit der Verbannung der Schafweide aus der Region abgefunden. Das Sein oder Nichtsein der Schafweide in der Tatra besaß einen hohen Symbolwert und war ein höchst politisiertes Thema. 1981 griff die polnische Gewerkschaftsbewegung Solidarność das Thema auf und forderte, die Schafweide im Tatra-Gebiet wieder zuzulassen. Im selben Sommer trieben einige Gorallen wieder Schafe auf die Weide in der Tatra. Die in Folge der Protestaktion eingerichtete „Kulturweide“ blieb allerdings über den Systemwechsel 1989 als Konflikt zwischen der Regierung und der ansässigen Bevölkerung bestehen. Im Ausblick des Buches kommen die Folgen der politischen Wende im slowakischen Teil der Tatra zu Sprache. Die Reprivatisierung des Bodens, die hier im Unterschied zu dem polnischen Pendant umfassend durchgeführt wurde, machte einen zumeist unkontrollierten Ausbau der touristischen Infrastrukturen möglich. Die Entwicklung zu mehr Tourismus und weniger Naturschutz wurde durch den Orkan, der im Jahr 2004 große Teile der Wälder zerstörte, zusätzlich befördert. Die in den sechs Kapiteln versammelten Konflikte untersucht Bianca Hoenig mit einem ganzen Set an analytischen Instrumenten. Die Quellengrundlage bilden neben zeitgenössischem Pressematerial Bestände aus staatlichen Provenienzen sowie Personen- und Vereinsnachlässe aus Archiven in Polen, Tschechien, der Slowakei und Österreich. Die transnationale Geschichte wird mithilfe des Vergleichs und der Verflechtung offengelegt. Eine zentrale Funktion in der Konfliktanalyse kommt dem Begriff des Eigentums zu. 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Hoenig: Geteilte Berge | infoclio - Rezensionen
Cover
Titel
Geteilte Berge. Eine Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra


Autor(en)
Hoenig, Bianca
Reihe
Umwelt und Gesellschaft (20)
Erschienen
Göttingen 2018: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
239 S.
Preis
€ 60,00
von
Alexander Kratochvil, Inst. f. Slawistik, E.-M.-Arndt-Univ. Geifswald

Die aus einer Basler Dissertation hervorgegangene Monographie von Bianca Hoenig gibt mit ihrem metaphorischen Titel «Geteilte Berge» das Leitmotiv der Arbeit vor: Mit der doppelten Bedeutung des Verbs «teilen» einerseits im Sinne von «verbinden» und andererseits «abgrenzen» wird die Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand, die Tatra als Grenzregion und Kontaktzone zwischen Polen und der Tschechoslowakei, hervorgehoben. Ausgehend von der Metapher der geteilten Berge wird chronologisch von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart – mit einem Fokus auf die Mitte des 20. Jahrhunderts – die Entwicklung und die Kontexte der Konstruktion der Tatra als Naturschutzzone, nationale Landschaft und Grenzregion dargestellt. Vor dem Hintergrund dieser sich gegenseitig ergänzenden wie auch konkurrierenden Kontexte werden die drei Hauptnutzungsarten in der Tatra untersucht: Weide- und Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz. Diese Nutzungsarten sind mit Deutungs- und Eigentumsansprüchen des Naturraums Tatra verknüpft, welche die Verfasserin durchgängig mit dem Narrativ der Moderne verbindet. Die Modernisierung der Tatra weist trotz des politischen und sozialen Wandels konstante Problemfelder auf, die mit den Ansprüchen der Bevölkerung vor Ort, der Verwaltung des Naturschutzgebiets und Plänen der jeweiligen Landesregierungen und unterschiedlichen politischen Systeme zusammenhängen.

Das erste Kapitel beschreibt die «Entdeckung der Tatra» zum einen durch die slowakische und polnische Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts auf Grundlage der Erfindung von «Wir-Gemeinschaften», wie sie Benedict Anderson und Eric Hobsbawm vorschlagen; zum andern wird die Tatra als Objekt einer sich wandelnden Wahrnehmung der Berge seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in der Kunst, Naturforschung, und dem sich dynamisch entwickelnden Tourismus umrissen. Bereits im Stadium der «Entdeckung» wird die Verschränkung sozialer und kultureller Konstellationen deutlich, in denen die heterogene Bevölkerung der Region – neben Polen und Slowaken auch Goralen, Zipser-Deutsche, Lemken und Ungarn – eine bedeutende Rolle spielen. Die Autorin zeigt dabei gut nachvollziehbar, wie die romantisch-nationalen Konstruktionen sowie Naturvorstellungen der Moderne im 19. Jahrhundert den Hintergrund für die nachfolgenden Entwicklungen bis heute stellen.

Das zweite Kapitel geht Plänen eines grenzübergreifenden Nationalparks nach, der unter anderem von der Konzeption des amerikanisch-kanadischen Waterton-Glacier International Peace Park inspiriert war. Der Tatra-Nationalpark hatte freilich auf eine komplexere Konstellation als das Projekt in Nordamerika zu reagieren. Mit Hilfe der Einrichtung eines «Friedensparks» sollten unter anderem Spannungen zwischen Polen und der Tschechoslowakei über den Grenzverlauf mittels eines gemeinsam verwalteten, grenzüberschreitenden Naturschutzgebiets abgebaut werden. Dieses ambitionierte Projekt scheiterte weitgehend aufgrund divergierender politischer, wirtschaftlicher, sozialer respektive ethnischer und ökologischer Interessen.

Im dritten und vierten Kapitel wird schliesslich der Blick von den internationalen Konfliktlinien zurück auf widerstreitende soziale Interessen an der Nutzung der Tatra innerhalb Polens und der Tschechoslowakei gelenkt. Hier arbeitet die Verfasserin kenntnisreich heraus, dass auch auf nationalstaatlicher Ebene die Akzeptanz des Nationalparks zu beiden Seiten der Grenze mit den divergierenden Vorstellungen über die Nutzungsweisen des Gebirges kollidierte. Die Vertreibung lokaler Bevölkerungsgruppen, z. B. der Zipser-Deutschen in der Tschechoslowakei und die Zwangsumsiedlungen der ukrainischsprachigen Lemken in Polen am Ende des Zweiten Weltkriegs und während der Nachkriegszeit ermöglichten es, die nun «frei» gewordenen Gebiete neu zu organisieren. Dabei ging es auch um die Bildung einer homogenen Bevölkerung in den Nationalstaaten. Hier verweist die Autorin auch auf die problematischen Aspekte des Zusammenhangs von Naturschutzreservaten und Vertreibung (nicht nur in Europa) als eines der Ergebnisse der «Hochmodernen Neuerung von Gesellschaft und Raum». Dabei griffen totalitäre Staaten mit katastrophalen Folgen eben nicht nur in gesellschaftliche Strukturen ein, sondern auch in die Umwelt.

Im fünften Kapitel wird durchweg spannend vom Scheitern der Alweg-Bahn erzählt. Dabei finden bereits frühere soziokulturelle und politische Konflikte über den Umgang mit den «geteilten Bergen» in der politischen aufgeheizten Zeit Ende der 1960er Jahre in der Tschechoslowakei ihre Fortsetzung v. a. in der Forderung, die völlig überlastete Infrastruktur in der Hohen Tatra endlich effizient zu gestalten, da die Natur durch den damaligen Massentourismus bereits stark belastet war. Die Auseinandersetzungen um die Bahn stellt die Verfasserin als eine Art Stellvertreterkonflikt dar, in dem es neben Naturschutz insbesondere um die slowakische Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei ging. Am Ende wurde die Alweg-Bahn zwar nicht gebaut, dafür aber das Verhältnis des slowakischen und tschechischen Landesteils im Oktober 1968 zugunsten einer Föderalisierung und Stärkung slowakischer Strukturen neu geordnet.

Im sechsten Kapitel wird am Beispiel Polens nochmals das Zusammenspiels unterschiedlicher Interessen bei der Nutzung von Wald und Weide durch lokale Bevölkerungsgruppen sowie als touristisch und ökologisch wertvolle Region analysiert. Neben der konkreten Bedeutung für Naturschutz und Tourismus besassen die Auseinandersetzungen um die Schafweiden auf der polnischen Seite der Tatra einen nicht zu unterschätzenden Symbolwert für politische Ziele. So griff die polnische Gewerkschaftsbewegung Solidarność das Thema 1981 auf und setzte sich für die Rückkehr der Schafweide als «Kulturweide» sowie die traditionellen Rechte der Goralen erfolgreich ein. Die alten Konflikte über die Nutzungsrechte und -ansprüche blieben dann auch nach dem Systemwechsel 1989 zwischen der Regierung und ihren Amtsträgern vor Ort, Umweltschutzvertretern und der ansässigen Bevölkerung bestehen.

Das abschliessende Kapitel ist als Zusammenfassung und Ausblick gestaltet und macht deutlich, wie unterschiedliche Wahrnehmungen, ökonomische und ökologische Interessen sowie Eigentumsansprüche aus der Vergangenheit auch gegenwärtig nachwirken und Nutzungskonflikte als auch ideologisierte Deutungen die Zukunft der Tatra beeinflussen werden.

Die Arbeit ist mit einigen Abbildungen und Karten ergänzt, die das Verständnis erleichtern. Sie beinhaltet zudem ein Glossar, das geographische Bezeichnungen und Personennamen schneller auffindbar macht. Wie ein Blick in das Quellen- und Literaturverzeichnis zeigt, ist die Arbeit sehr gut recherchiert, einzig der Fussnotenteil scheint stellenweise etwas überdimensioniert. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht wäre unter anderem im ersten Kapitel die Berücksichtigung der Konstruktion des Karpatenraums bzw. der Tatra als populärer folkloristisch-literarische und künstlerische Landschaft, zum Beispiel mit der polnischen und slowakischen Inszenierung von Heldenfiguren wie Juraj Jánošik, aufschlussreich gewesen; dies hätte den von der Autorin konstatierten Symbolcharakter der Berge noch einmal deutlich herausgehoben.

Insgesamt ist die Arbeit für weitere Forschungen zur Umweltgeschichte und Fragestellungen des Ecocriticism im Karpatenraum äusserst anregend, zugleich veranschaulicht sie eine gelungene Umsetzung transnationaler Forschung. Die Anlage des Buchs macht darüber hinaus deutlich, wie die Untersuchung konkreter Phänomene, etwa der Nationalparkkonzepte, auch die Möglichkeit eröffnet, weiter reichende, globale Aussagen über Konstellationen und Verflechtungen der Umweltgeschichte zu treffen sowie verallgemeinernde Thesen über die Wechselwirkungen von Natur und soziokulturellen Kontexten aufzustellen.

Zitierweise:
Kratochvil, Alexander: Rezension zu: Hoenig, Bianca: Geteilte Berge. Eine Konfliktgeschichte der Naturnutzung in der Tatra, Göttingen 2018. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (1), 2021, S. 188-190. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00080>.