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Aufgrund des Unglücks musste damals auch eine geplante Ausstellung abgesagt werden, für die der Psychiatriepfleger, Künstler und Fotograf Willi Keller den Klinikalltag mit der Kamera festgehalten hatte. Die Fotografien gerieten danach in Vergessenheit. Erst 2014 entdeckte Keller sie in seinem privaten Archiv wieder und bot sie dem Staatsarchiv Zürich an. Der Staatsarchivar Beat Gnädinger erkannte den ausserordentlichen Wert der Aufnahmen und initiierte ein Buchprojekt, für das er die beiden Historiker Sabine Jenzer und Thomas Meier gewinnen konnte. Eingeschlossen gliedert sich in drei Teile: Die Fotografien und Texte Kellers bilden den Hauptteil und werden von kontextualisierenden Beiträgen Jenzers und Meiers umrahmt. Im ersten Teil schildern sie das Brandunglück und dessen unmittelbaren Folgen. Basierend auf Interviews mit dreizehn ehemaligen Ärztinnen und Ärzte und Pflegerinnen und Pfleger beleuchten Meier und Jenzer im dritten Teil verschiedene Aspekte des Klinikalltags. Hauptsächlich gestützt auf amtliche Dokumente und Presseberichte zeigen Meier und Jenzer im ersten Teil, wie es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zur Brandkatastrophe kam. Der Brand ereignete sich mitten in einer Phase gesellschaftlicher Umwälzungen, die auch vor der Psychiatrie nicht Halt machten, und legte schonungslos bestehende Missstände offen. Dass viele Patient*innen, wie bereits der Titel andeutet, innerhalb der Klinik eingeschlossen waren, trug massgeblich zur Katastrophe bei. Im Nachgang an die medial breit und kontrovers rezipierte Tragödie klagte die Bezirksanwaltschaft den diensthabenden Nachtpfleger wegen Fahrlässigkeit an. Die genaue Ursache des Feuers sowie die Schuld des Angeklagten konnten jedoch nicht ermittelt werden, weshalb das Verfahren 1972 mit einem Freispruch endete. In mediale Kritik geriet ferner der Verwaltungsdirektor des Burghölzli, dem diverse Nachlässigkeiten angelastet wurden. Eine unabhängige Untersuchung entkräftete diese Vorwürfe später. Die über achtzig Schwarz-Weiss-Fotografien von Willi Keller aus den verschiedenen Männerabteilungen des Burghölzli bilden den zweiten Teil und das Herzstück des Buchs. In den Begleittexten greift Keller jeweils einen bestimmten Aspekt des Klinikalltags heraus und stellt einzelne Patienten vor. Die als dokumentarisch zu charakterisierenden Fotografien bieten einen einmaligen Einblick in den eintönigen Alltag der Klinikpatienten. So zeigt Keller mit seinen Fotografien, dass in erster Linie die Aufenthalte im Hof sowie Spiele wie Federball und Schach den Patienten etwas Abwechslung in den ansonsten repetitiven täglichen Routinen boten. Als Angehöriger des Pflegekörpers gelang es Keller, den Klinikalltag weitgehend ungestört und mit einem empathischen Blick einzufangen, wie es Aussenstehende kaum vermocht hätten. Der dritte und letzte Teil widmet sich zunächst dem Burghölzli, dessen organisatorischem Aufbau sowie der Klinikatmosphäre mit ihren spezifischen Geräuschen und Gerüchen. In den nachfolgenden Ausführungen steht der Alltag des Personals im Zentrum. Um den Rahmen des Buchprojekts nicht zu sprengen, verzichteten Jenzer und Meier bewusst darauf, die «nicht minder interessante und wichtige Perspektive» der ehemaligen Patientinnen und Patienten miteinzubeziehen. Deutlich wird in diesem Kapitel, dass die Hierarchien 1970 sehr steil waren und die medizinischen und pflegerischen Berufsgruppen weitgehend getrennt voneinander lebten. Im Klinikalltag tauschten sich die Assistenzärztinnen und Assistenzärzte hingegen rege mit dem Pflegepersonal aus, da letzteres deutlich mehr Zeit mit den Patientinnen und Patienten verbrachte. Weiter erfahren die Leserinnen und Leser, dass in therapeutischer Hinsicht um 1970 eine ganze Palette neuer Methoden eingeführt wurde, die die umstrittenen sogenannten «grossen körperlichen Kuren» – die Insulinschocktherapie, die Schlaf- und die Fieberkur sowie die Elektroschockbehandlung – schrittweise ablösten. So setzten die Ärzt*innen im Zuge der «pharmakologischen Wende» bei der Behandlung der Patientinnen und Patienten seit Mitte der 1950er vermehrt auf Medikamente, zu deren Erforschung im Burghölzli eigens eine Forschungsabteilung aufgebaut wurde. Zudem gelangten nicht-medikamentöse Therapiemethoden wie beispielsweise die Ergotherapie oder Gruppentherapien zu standardmässiger Anwendung. Einzelne Verbesserungen in den täglichen Routinen der Patient*innen initiierte die sogenannte Basisgruppe, die sich inspiriert von der 68er- und der Antipsychiatriebewegung um 1970 formiert hatte und sich sowohl aus Pflegerinnen und Pfleger als auch Ärztinnen und Ärzte zusammensetzte. Die Klinikleitung verhielt sich zurückhaltend, zeigte sich aber zumindest teilweise offen für die Ideen der Basisgruppe. Rückblickend bewerten die interviewten Pflegerinnen und Pfleger und Ärztinnen und Ärzte die Weichenstellungen um 1970, die eine gesellschaftliche Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten als primäres Ziel, bauliche und infrastrukturelle Massnahmen sowie schliesslich den Ausbau niederschwelliger und ambulanter Angebote umfassten, durchweg positiv. Gleichwohl sieht das Gros die Entwicklung hin zur «Drehtürpsychiatrie» mit zwar verkürzten, dafür aber oft wiederholten Klinikaufenthalten kritisch. Sabine Jenzer und Thomas Meier ist es gelungen, aufschlussreiche Einblicke in das Leben hinter den Anstaltsmauern zu geben. Obwohl sie einleitend ausführen, dass sie lediglich «Schlaglichter» auf die zu weiten Teilen entweder noch ungeschriebene oder revisionsbedürftige Psychiatriegeschichte werfen können, ist Eingeschlossen auch für die Wissenschaft von hohem Wert. Dies zum einen aufgrund Kellers intimer fotografischer Dokumentation, die einmalige plastische Einblick in den Klinikalltag des Burghölzli gewähren. Als Glücksfall ist der Umstand zu bezeichnen, dass mit Keller ein Pfleger fotografierte, der sowohl die Klinik als auch die Patienten kannte. Zum anderen erhellen die Ausführungen der Interviewpartner*innen im dritten Teil den bis dato noch wenig untersuchten Klinikalltag, wie es alleine mithilfe amtlicher Quellen nicht möglich wäre. Obschon Jenzers und Meiers Anspruch bescheiden und erklärtermassen kein akademischer ist, vermisst man als Leser*in ein Literatur- und Quellenverzeichnis. Für künftige Forschungsvorhaben wäre es zudem hilfreich zu wissen, ob und wo die Interviews resp. deren Transkripte zugänglich sind. Zu den Interviewpersonen wären darüber hinaus Ausführungen zur Auswahl und eine kritischere Einordnung wünschenswert gewesen. Weil ein beträchtlicher Teil der Interviewten der erwähnten «Basisgruppe» angehörte, bleibt zu vermuten, dass konträre Stimmen unterrepräsentiert sind. Ferner ist es für die Leserschaft aufgrund der Verwendung des generischen Maskulinums in einzelnen Abschnitten schwierig, herauszulesen, ob sich eine Aussage auf die gesamte Klinik oder nur auf die Männerabteilung bezieht. Die Lektüre des Buches ist aber ohne Frage allen zu empfehlen, die sich für das Burghölzli in den Jahren um 1970 oder ganz allgemein für den Alltag in psychiatrischen Kliniken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessieren. Zitierweise: Jaun, Rudolf: Rezension zu: Jenzer, Sabine; Keller, Willi; Meier, Thomas: Eingeschlossen. Alltag und Aufbruch in der psychiatrischen Klinik Burghölzli zur Zeit der Brandkatastrophe von 1971, Zürich 2017. Zuerst erschienen in: |http://www.sgg-ssh.ch/de/publikationen/schweizerische-zeitschrift-fuer-geschichte-szg|Schweizerische Zeitschrift für Geschichte| 70 (3), 2020, S. 509-511. Online: ." 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Kurze Zeit später, im März 1971, brach ein verheerender Brand in der Klinik aus, bei dem 28 Patienten ihr Leben verloren. Die Fotoausstellung kam nach dieser Katastrophe nicht zustande und die Bilder gerieten in Vergessenheit. In der Zwischenzeit hat im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschichte der Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnamen in der Schweiz auch die Klinik- und Anstaltengeschichte grosse Aufmerksamkeit erfahren. So erteilten etwa verschiedene Schweizer Kantonsregierungen Forschungsgruppen den Auftrag, die Psychiatriegeschichte aufzuarbeiten. Im Fokus stehen insbesondere Medikamentenversuche an Patientinnen und Patienten.[2] Vor diesem Hintergrund kam die Idee auf, die ausdrucksstarken Schwarz-Weiss-Fotografien, die sich im Zürcher Staatsarchiv befinden, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Buch zeichnet sich durch seine besonderen Zugänge aus, indem es Elemente einer kritischen und künstlerisch ausgezeichneten Fotoreportage mit historisch analytischen Beiträgen verbindet. Das Buch gliedert sich in drei Teile: Im Zentrum und Mittelteil stehen die Fotografien von Willi Keller, der dazu auch die Bildlegenden verfasst hat. Sie dokumentieren den Alltag der Patienten und Psychiatriepfleger. Es handelt sich um männliche Patienten, die Keller fotografierte und zu denen er als Pfleger ein besonderes Verhältnis aufgebaut hatte, was sich auch in den Fotografien widerspiegelt. Der Brand brach in der Männerabteilung der Klinik aus, die damals noch strikt geschlechtersegregiert war. So versteht sich das Buch denn auch als Hommage an die 28 Männer, die in der Brandnacht ihr Leben verloren. Eine Namensliste der Opfer des Brandunglücks wurde damals nicht veröffentlicht, psychische Erkrankungen wurden noch vorwiegend tabuisiert. Zwei historische Untersuchungen umrahmen den fotografischen Teil: Als Auftakt steht die Abhandlung der Brandkatastrophe vom 6. März 1971, die hohe politische und publizistische Wellen warf und juristisch zu klären war. Das Autorenteam der Studie beleuchtet vor allem die Zeit der Brandkatastrophe, als sich nicht nur das Burghölzli, sondern auch andere psychiatrische Kliniken und die Psychiatrie generell in einer Phase des Auf- und Umbruchs befanden. Mit Hilfe der Oral History werden Erinnerungen an das Brandunglück sowie an den Klinikalltag und die Arbeit in der Klinik wachgerufen. So werden, wie die Autoren vermerken, „Blicke hinter die Mauern des Burghölzli geworfen, die in keinem Jahresbericht aufscheinen und nicht in den Krankenakten ihren Niederschlag gefunden haben“ (S. 11). Mit dem Einblick in den ungewohnten Psychiatriealltag schafft der Band Alterität und weckt so das Interesse an der Vergangenheit. Eindrücklich sind die Aufnahmen der Patienten und die kurzen Geschichten dazu, die Willi Keller als Bildlegenden formuliert. Im einleitenden Teil zum Brandunglück wird sichtbar gemacht, wie sich die Katastrophe ereignete und wie verhängnisvoll die zeitlichen Umstände und Verknüpfungen waren. Damals, wie auch heute, schockierte der Tod der eingeschlossenen Patienten und liess das Ereignis besonders dramatisch erscheinen: „Weil die meisten Fenster vergittert und viele Türen abgeschlossen sind, kann man bei uns ohne Schlüssel nichts machen“ (S. 42). Auch die Rettungskräfte standen vor vergitterten Fenstern. Die Türen mussten gesprengt werden, um Einlass zu erlangen. In der damaligen Debatte, die schnell Dimensionen einer parteipolitischen Auseinandersetzung annahm, kritisierten die Sozialdemokraten die bürgerliche Ratsmehrheit im Kantonsparlament, die sich gegen eine zusätzliche psychiatrische Klinik gestemmt hatte und damit eine Überfüllung des Burghölzli in Kauf genommen habe. 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Deplorable Zustände herrschten vor allem im sanitären Bereich. In den Interviews mit ehemaligem Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzten kommt die Alltagssituation detailliert zur Sprache. Die Themen reichen von der Infrastruktur über „Gerüche, Geräusche, Farben und Stimmungen“ aus der Erinnerung der Befragten bis hin zum Alltag des Personals, dem Umgang mit Gewalt, den Therapien oder auch der zeitgenössischen „antipsychiatrischen Kritik“. Die Untersuchung liefert hier mustergültige Vorlagen und Beispiele, wie mittels Oral History solche Themen erschlossen werden können. Die letzten beiden Kapitel widmen sich der Umbruchzeit um 1970 und der Entwicklung hin zur Gegenwart. Der Band zum „Alltag und Aufbruch in der psychiatrischen Klinik Burghölzli“ verbindet eine gelungene Synthese mit einer eindrucksvollen Fotoreportage, die vor dem Brand mit ganz anderen Absichten angegangen worden war und uns über vier Jahrzehnte später in eine Zeit des Umbruchs der Psychiatrie zurückführt. 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Anmerkungen: [1] U.a.: Dorothee Vögeli, Hinter verschlossenen Türen erstickt. 1971 sterben bei einem Brand 28 Patienten – ein Buch beleuchtet den damaligen Klinikalltag, in: Neue Zürcher Zeitung, 14.11.2017, S. 19; Rolf App, Die Eingeschlossenen von Zürich, in: Neue Luzerner Zeitung, 30.11.2017, online: http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/kultur/die-eingeschlossenen-von-zuerich;art9643,1149766 (03.12.2017); siehe hierzu auch die Medienmitteilung des Staatsarchivs Zürich: Kanton Zürich, Medienmitteilung / Bilder einer vergessenen Brandkatastrophe / https://www.zh.ch/internet/de/aktuell/news/medienmitteilungen/2017/bilder-einer-vergessenen-brandkatastrophe.html (03.12.2017). [2] Siehe etwa: Gregor Spuhler, Gerettet – zerbrochen. Das Leben des jüdischen Flüchtlings Rolf Merzbacher zwischen Verfolgung, Psychiatrie und Wiedergutmachung, Zürich 2011; Eric J. Engstrom, Rezension zu: Marietta Meier, Spannungsherde. Psychochirurgie nach dem Zweiten Weltkrieg. 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Jenzer (u.a.): Psychiatrische Klinik Burghölzli | infoclio - Rezensionen

S. Jenzer (u.a.): Psychiatrische Klinik Burghölzli

Cover
Title
Eingeschlossen. Alltag und Aufbruch in der psychiatrischen Klinik Burghölzli zur Zeit der Brandkatastrophe von 1971


Author(s)
Jenzer, Sabine; Keller, Willi; Meier, Thomas
Published
Zürich 2017: Chronos Verlag
Extent
168 S.
Price
€ 48,00
URL
by
Emmanuel Neuhaus

Das Buch Eingeschlossen hat eine tragische Vorgeschichte. Als am 26. März 1971 in der Zürcher Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli ein fataler Brand ausbrach, starben 28 Patienten. Ihnen ist das zu besprechende Buch gewidmet. Aufgrund des Unglücks musste damals auch eine geplante Ausstellung abgesagt werden, für die der Psychiatriepfleger, Künstler und Fotograf Willi Keller den Klinikalltag mit der Kamera festgehalten hatte. Die Fotografien gerieten danach in Vergessenheit. Erst 2014 entdeckte Keller sie in seinem privaten Archiv wieder und bot sie dem Staatsarchiv Zürich an. Der Staatsarchivar Beat Gnädinger erkannte den ausserordentlichen Wert der Aufnahmen und initiierte ein Buchprojekt, für das er die beiden Historiker Sabine Jenzer und Thomas Meier gewinnen konnte.

Eingeschlossen gliedert sich in drei Teile: Die Fotografien und Texte Kellers bilden den Hauptteil und werden von kontextualisierenden Beiträgen Jenzers und Meiers umrahmt. Im ersten Teil schildern sie das Brandunglück und dessen unmittelbaren Folgen. Basierend auf Interviews mit dreizehn ehemaligen Ärztinnen und Ärzte und Pflegerinnen und Pfleger beleuchten Meier und Jenzer im dritten Teil verschiedene Aspekte des Klinikalltags.

Hauptsächlich gestützt auf amtliche Dokumente und Presseberichte zeigen Meier und Jenzer im ersten Teil, wie es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zur Brandkatastrophe kam. Der Brand ereignete sich mitten in einer Phase gesellschaftlicher Umwälzungen, die auch vor der Psychiatrie nicht Halt machten, und legte schonungslos bestehende Missstände offen. Dass viele Patient*innen, wie bereits der Titel andeutet, innerhalb der Klinik eingeschlossen waren, trug massgeblich zur Katastrophe bei. Im Nachgang an die medial breit und kontrovers rezipierte Tragödie klagte die Bezirksanwaltschaft den diensthabenden Nachtpfleger wegen Fahrlässigkeit an. Die genaue Ursache des Feuers sowie die Schuld des Angeklagten konnten jedoch nicht ermittelt werden, weshalb das Verfahren 1972 mit einem Freispruch endete. In mediale Kritik geriet ferner der Verwaltungsdirektor des Burghölzli, dem diverse Nachlässigkeiten angelastet wurden. Eine unabhängige Untersuchung entkräftete diese Vorwürfe später.

Die über achtzig Schwarz-Weiss-Fotografien von Willi Keller aus den verschiedenen Männerabteilungen des Burghölzli bilden den zweiten Teil und das Herzstück des Buchs. In den Begleittexten greift Keller jeweils einen bestimmten Aspekt des Klinikalltags heraus und stellt einzelne Patienten vor. Die als dokumentarisch zu charakterisierenden Fotografien bieten einen einmaligen Einblick in den eintönigen Alltag der Klinikpatienten. So zeigt Keller mit seinen Fotografien, dass in erster Linie die Aufenthalte im Hof sowie Spiele wie Federball und Schach den Patienten etwas Abwechslung in den ansonsten repetitiven täglichen Routinen boten. Als Angehöriger des Pflegekörpers gelang es Keller, den Klinikalltag weitgehend ungestört und mit einem empathischen Blick einzufangen, wie es Aussenstehende kaum vermocht hätten.

Der dritte und letzte Teil widmet sich zunächst dem Burghölzli, dessen organisatorischem Aufbau sowie der Klinikatmosphäre mit ihren spezifischen Geräuschen und Gerüchen. In den nachfolgenden Ausführungen steht der Alltag des Personals im Zentrum. Um den Rahmen des Buchprojekts nicht zu sprengen, verzichteten Jenzer und Meier bewusst darauf, die «nicht minder interessante und wichtige Perspektive» der ehemaligen Patientinnen und Patienten miteinzubeziehen.

Deutlich wird in diesem Kapitel, dass die Hierarchien 1970 sehr steil waren und die medizinischen und pflegerischen Berufsgruppen weitgehend getrennt voneinander lebten. Im Klinikalltag tauschten sich die Assistenzärztinnen und Assistenzärzte hingegen rege mit dem Pflegepersonal aus, da letzteres deutlich mehr Zeit mit den Patientinnen und Patienten verbrachte.

Weiter erfahren die Leserinnen und Leser, dass in therapeutischer Hinsicht um 1970 eine ganze Palette neuer Methoden eingeführt wurde, die die umstrittenen sogenannten «grossen körperlichen Kuren» – die Insulinschocktherapie, die Schlaf- und die Fieberkur sowie die Elektroschockbehandlung – schrittweise ablösten. So setzten die Ärzt*innen im Zuge der «pharmakologischen Wende» bei der Behandlung der Patientinnen und Patienten seit Mitte der 1950er vermehrt auf Medikamente, zu deren Erforschung im Burghölzli eigens eine Forschungsabteilung aufgebaut wurde. Zudem gelangten nicht-medikamentöse Therapiemethoden wie beispielsweise die Ergotherapie oder Gruppentherapien zu standardmässiger Anwendung.

Einzelne Verbesserungen in den täglichen Routinen der Patient*innen initiierte die sogenannte Basisgruppe, die sich inspiriert von der 68er- und der Antipsychiatriebewegung um 1970 formiert hatte und sich sowohl aus Pflegerinnen und Pfleger als auch Ärztinnen und Ärzte zusammensetzte. Die Klinikleitung verhielt sich zurückhaltend, zeigte sich aber zumindest teilweise offen für die Ideen der Basisgruppe.

Rückblickend bewerten die interviewten Pflegerinnen und Pfleger und Ärztinnen und Ärzte die Weichenstellungen um 1970, die eine gesellschaftliche Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten als primäres Ziel, bauliche und infrastrukturelle Massnahmen sowie schliesslich den Ausbau niederschwelliger und ambulanter Angebote umfassten, durchweg positiv. Gleichwohl sieht das Gros die Entwicklung hin zur «Drehtürpsychiatrie» mit zwar verkürzten, dafür aber oft wiederholten Klinikaufenthalten kritisch.

Sabine Jenzer und Thomas Meier ist es gelungen, aufschlussreiche Einblicke in das Leben hinter den Anstaltsmauern zu geben. Obwohl sie einleitend ausführen, dass sie lediglich «Schlaglichter» auf die zu weiten Teilen entweder noch ungeschriebene oder revisionsbedürftige Psychiatriegeschichte werfen können, ist Eingeschlossen auch für die Wissenschaft von hohem Wert. Dies zum einen aufgrund Kellers intimer fotografischer Dokumentation, die einmalige plastische Einblick in den Klinikalltag des Burghölzli gewähren. Als Glücksfall ist der Umstand zu bezeichnen, dass mit Keller ein Pfleger fotografierte, der sowohl die Klinik als auch die Patienten kannte. Zum anderen erhellen die Ausführungen der Interviewpartner*innen im dritten Teil den bis dato noch wenig untersuchten Klinikalltag, wie es alleine mithilfe amtlicher Quellen nicht möglich wäre.

Obschon Jenzers und Meiers Anspruch bescheiden und erklärtermassen kein akademischer ist, vermisst man als Leser*in ein Literatur- und Quellenverzeichnis. Für künftige Forschungsvorhaben wäre es zudem hilfreich zu wissen, ob und wo die Interviews resp. deren Transkripte zugänglich sind. Zu den Interviewpersonen wären darüber hinaus Ausführungen zur Auswahl und eine kritischere Einordnung wünschenswert gewesen. Weil ein beträchtlicher Teil der Interviewten der erwähnten «Basisgruppe» angehörte, bleibt zu vermuten, dass konträre Stimmen unterrepräsentiert sind. Ferner ist es für die Leserschaft aufgrund der Verwendung des generischen Maskulinums in einzelnen Abschnitten schwierig, herauszulesen, ob sich eine Aussage auf die gesamte Klinik oder nur auf die Männerabteilung bezieht.

Die Lektüre des Buches ist aber ohne Frage allen zu empfehlen, die sich für das Burghölzli in den Jahren um 1970 oder ganz allgemein für den Alltag in psychiatrischen Kliniken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessieren.

Zitierweise:
Jaun, Rudolf: Rezension zu: Jenzer, Sabine; Keller, Willi; Meier, Thomas: Eingeschlossen. Alltag und Aufbruch in der psychiatrischen Klinik Burghölzli zur Zeit der Brandkatastrophe von 1971, Zürich 2017. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (3), 2020, S. 509-511. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00071>.

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