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Jahrhundert gehören, dürfte nur den Wenigsten bekannt sein.[4] Umso begrüßenswerter ist es, dass der österreichische Historiker Oliver Kühschelm nun diese Forschungslücke füllt mit seiner Habilitationsschrift über die Schweizerwoche (ab 1917) und die Kampagne "Kauft österreichische Waren" (ab 1927). Es handelte sich dabei um zwei "Buy National"-Kampagnen nach britischem Vorbild, die versuchten, inländische Konsument:innen zum Kauf einheimischer Produkte zu animieren. Kühschelms Ziel besteht darin, die "Genealogie nationaler Ökonomie" zu untersuchen, wobei er unter nationaler Ökonomie (im Unterschied zur Nationalökonomie) ein Projekt versteht, das an die Landsleute moralisierende Appelle richtete, entweder patriotisch zu konsumieren oder zu sparen (S. 24). In theoretischer und methodischer Hinsicht knüpft er dabei sowohl an Benedict Andersons konstruktivistischen Nationsbegriff an als auch an Foucaults Diskursanalyse und Nietzsches Genealogiebegriff. Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert, wovon sich der erste den Akteur:innen widmet, sowohl den beteiligten Organisationen als auch den Expert:innen, wie Ökonom:innen, Reklamefachleuten und Einzelhändler:innen. Rechtlich gesehen waren sowohl der Schweizerwoche-Verband als auch die Arbeitsgemeinschaft "Kauft österreichische Waren" Vereine. Während aber in der Schweizer Kampagne tatsächlich der Geist des männlich geprägten bürgerlichen Assoziationswesens vorherrschte, war der österreichische Gegenpart von parastaatlichen Körperschaften wie der Handelskammer dominiert und stand somit eher in einer zentralistisch-korporatistischen Tradition. Interessant ist, dass der Einfluss von professionellen Reklamefachleuten auf die Kampagnen, die im Kern ja Werbekampagnen für nationale Produkte darstellten, erstaunlich gering war. Zum Teil lag dies daran, dass die Organisator:innen ihre Arbeit eher als eine pädagogische verstanden und sich von der klassischen Werbung zu distanzieren versuchten. Der zweite Teil untersucht die Diskurse und Inszenierungen der beiden Kampagnen. Wirtschaft wurde häufig als Kreislauf dargestellt, die negative Handelsbilanz als "Loch in der Tasche", durch das Wohlstand abfließt. Solche Diskurse knüpften vor allem in Österreich an den Kameralismus des 18. Jahrhunderts an, dessen Wirkungsgeschichte der Autor in einem eigenen, sehr interessanten Kapitel diskutiert. Die Organisator:innen der "Buy National"-Kampagnen waren sich der Spannung zwischen notwendiger außenwirtschaftlicher Verflechtung und gefordertem patriotischen Konsum durchaus bewusst und distanzierten sich von Autarkiebestrebungen. Insbesondere in Österreich bezweifelten viele Wirtschaftswissenschaftler:innen die ökonomische Lebensfähigkeit des nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Kleinstaates. Der dritte Teil setzt die Untersuchung der Diskurse und Inszenierungen fort, widmet sich aber stärker den Adressat:innen der Kommunikation. So werden die Kampagnen beispielsweise im Spiegel des Schweizer Satiremagazins "Nebelspalter" und eines österreichischen Lehrlingsmagazins der Nachkriegszeit diskutiert. Allerdings geben die verwendeten Quellen eher Auskunft über die impliziten Adressat:innen als über tatsächliche Rezeptionsprozesse durch Konsument:innen. Der Erfolg der Kampagnen lässt sich auf dieser Grundlage schwer abschätzen. Aufschlussreich sind die Ausführungen gleichwohl: Die österreichischen Plakate der Zwischenkriegszeit fokussierten viel stärker auf die Arbeitslosigkeit als diejenigen aus der Schweiz, die mit Hilfe von Nationalsymbolen die Kaufentscheidung als Votum der Zugehörigkeit zu einer nationalen Gemeinschaft und nicht als Akt der Solidarität mit notleidenden Mitbürger:innen inszenierten. Der Epilog zeichnet den Unterschied zwischen dem heutigen, auf das Image einer Nation im Ausland zielende "Nation Branding" und den untersuchten "Buy National"-Kampagnen nach, die primär nach innen gerichtet waren. Das "Nation Branding" war Teil der neoliberalen Wende der 1990er-Jahre, die mittlerweile selbst wieder Geschichte ist. Ob das Projekt einer nationalen Ökonomie in der Gegenwart eine neue Renaissance erfährt, oder ob seine Zeit längst abgelaufen ist und es nur noch nachhallt, bleibt am Ende offen. Ein paar kleinere Kritikpunkte seien abschließend genannt: Der Schreibstil könnte etwas flüssiger sein. Die Arbeit ist in theoretischer Hinsicht gut informiert, aber bisweilen scheint der Autor mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, etwa wenn er Bruno Latours Modernebegriff für die Interpretation von Ausstellungen bemüht (S. 466f.). Manchmal überzieht er in seiner Interpretation, insbesondere was die notorisch schwer zu fassende Rezeption angeht. Ob die im patriotischen Sinn verfassten Schüleraufsätze tatsächlich mehr als nur Fassade sind, wie Kühschelm argumentiert (S. 506), lässt sich aus den verfügbaren Quellen nicht mit Gewissheit schließen. Ebenfalls gewagt erscheint es, aufgrund der "breiten Involvierung aller möglichen Institutionen und Akteur∗innen" eine spezifische Wirkung auf die Konsument:innen anzunehmen (S. 553). Trotz dieser Einwände überwiegt aber bei Weitem der positive Eindruck: Insgesamt handelt es sich um eine gründlich recherchierte und theoretisch sehr reflektierte Studie, die eine wichtige Forschungslücke schließt. Anmerkungen: [1] Heinz-Gerhard Haupt / Claudius Torp (Hrsg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt am Main 2009; Christian Kleinschmidt / Jan Logemann (Hrsg.), Konsum im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 2021 (Handbücher zur Wirtschaftsgeschichte). [2] Als Ausnahme: Oliver Kühschelm / Franz Eder / Hannes Siegrist (Hrsg.), Konsum und Nation. Zur Geschichte nationalisierender Inszenierungen in der Produktkommunikation, Bielefeld 2012. [3] Wolfgang König, Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft: "Volksprodukte" im Dritten Reich. Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, Paderborn 2004; Gustavo Corni / Horst Gies, Brot, Butter, Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers, Berlin 1997. [4] Dana Frank, Buy American. The untold story of economic nationalism, Boston/Mass. 1999; David M. Higgins / Brian D. Varian, Britainʼs Empire Marketing Board and the failure of soft trade policy, in: European Review of Ecoonomic History 25 (2021), S. 780–805." 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Mit dem Ende der ersten Globalisierung ab dem Ersten Weltkrieg versuchten patriotische Vereine, Gewerbeverbände, und auch staatliche Akteure in vielen Ländern in der einen oder anderen Form den wachsenden Nationalismus auch ins alltägliche Konsumverhalten zu tragen. Der Wiener Wirtschaftshistoriker Oliver Kühschelm konturiert dieses rückblickend singulär erscheinende Phänomen materialreich und quellennah am Beispiel Österreichs und der Schweiz. Sehr klar tritt dabei hervor, dass eine enge Verbindung von Wirtschaft und Nation bereits in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre angelegt war, die sich im 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum als «Nationalökonomie» konturierte. Und die Verbindung bestand in der Zeit der «zweiten Globalisierung» ab den 1980er-Jahren weiter als kommunikative Programmatik. Diese war nun aber nicht mehr auf die inländischen Konsumierenden gerichtet, sondern zielte im Sinne des «Nation Branding» auf die Absatzsteigerung von Exportprodukten in ausländischen Märkten. Kühschelm sucht nach «einem Hebel, um eine nationale Genealogie nationaler Ökonomien zu betreiben» (S. 1). Das ist eine verzwickte Formulierung, in der das Adjektiv «national» zweimal vorkommt und überdies zwischen den Wörtern «national» und «Ökonomie» ein bedeutungsreicher Leerschlag steht. Mit diesem Forschungsprogramm postuliert der Verfasser, es gäbe national unterschiedliche Genealogien der Problematisierungsweise von «nationaler Ökonomie». Es ist überzeugend, dass er bei diesem Erkenntnisinteresse mindestens zwei Fälle untersuchen musste. Als empirisches Substrat hätte auch die komparative Analyse aller «kleinen offenen Volkswirtschaften» dienen können, die seit Peter J. Katzensteins Arbeiten in den frühen 1980er-Jahren in der Wirtschaftsgeschichte eine gewisse Tradition hat. Aber Kühschelm zeigt auch auf, wie kompliziert und aufwändig der Nachweis des spezifisch «nationalen» in einem solchen genealogischen Projekt ist. Mehr als zwei Nationalökonomien in ihrer diskursiven Genese ausserhalb des klassischen nationalökonomischen Kanons im Rückgriff auf allerlei Quellengattungen und vor dem Hintergrund der allgemeinen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie der politischen Rupturen im Untersuchungszeitraum in einer lesbaren Weise zu rekonstruieren, wäre nur unter Nutzung rigider Theorieangebote durch die Volkswirtschaftslehre möglich gewesen. Doch auf diese verzichtet Kühschelm bewusst. Stattdessen rückt er auch die Forschungen führender Nationalökonomen aus der Schweiz und aus Österreich als Quellen in seinen Beobachtungshorizont ein und untersucht diese diskursive Konstruktion in ihrer Interaktion mit dem «hegemonialen Projekt, der propagandistischen Synthese, die ich als nationale Ökonomie bezeichne» (S. 205). 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Denn bislang setzte die wirtschaftsgeschichtliche Forschung die Nation als weitgehend unhinterfragte Grösse voraus. Deutlich wird dies etwa in der Formulierung eines «Bruttonationaleinkommens» (BNE). Darin ist die «Nation» evident. Wichtige Eckdaten schienen durch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im Ausweis eines BNE statistisch evident und gaben Anlass zu vielerlei Folgeberechnungen. Aber dabei blieb die Frage unbeachtet, was eigentlich «Wirtschaft» heisst. Welche Tätigkeiten zwischen dem Haushalt und der Arbeit im Betrieb zählen? Die Makroökonomie tut sich bis heute damit schwer, dem methodischen Nationalismus in ihrem Wissensregime adäquat Rechnung zu tragen. Kühschelm nimmt das Adjektiv «national» aus dieser Diktion heraus und baut mit ihm eine neue historische Fragestellung: Was hiess nationale Wirtschaft zwischen 1920 und 1980 im österreichischen und im schweizerischen Alltag? Wer konstruierte ein Bild des Wirtschaftslebens national und warum? Wie wurde dieses Konzept fern von den makroökonomischen Modellen wahrgenommen und staatspolitisch gefüllt? In vielen glänzenden Miniaturen zu einzelnen Text- und Bildquellen hat der Verfasser zahlreiche Fälle der staatlichen und privaten Bestrebungen in den zwei Beispielen rekonstruiert, die den konsumierenden Menschen ihr Wirtschaftsleben weit über ihre persönlichen Bedürfnisse hinaus als eine Tätigkeit vorstellten, die auch im staatspolitischen Rahmen der Nation sinnvoll sei. So wurde etwa 1949 in der Schweiz aufwändig kommuniziert: «Gleich einer Sturmflut wird unser kleines Land mit ausländischen Strümpfen überschwemmt» (S. 242). Frauen wurden angehalten, nicht die günstigen Kunststoffprodukte aus den USA zu erwerben, die von der Schweizer Industrie (noch) nicht angeboten werden konnten, sondern weiterhin auf die inländischen baumwollbasierten Unterkleider zu vertrauen. 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Kühschelm: Zur Genealogie nationaler Ökonomien in Österreich und der Schweiz | infoclio - Rezensionen

O. Kühschelm: Zur Genealogie nationaler Ökonomien in Österreich und der Schweiz

Cover
Titel
Einkaufen als nationale Verpflichtung. Zur Genealogie nationaler Ökonomien in Österreich und der Schweiz, 1920–1980


Autor(en)
Kühschelm, Oliver
Reihe
Werbung – Konsum – Geschichte
Erschienen
Berlin 2022: De Gruyter Oldenbourg
Anzahl Seiten
636 S.
Preis
€ 119,95
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Manuel Schramm, Institut für Europäische Studien und Geschichtswissenschaften, Technische Universität Chemnitz

Obwohl die deutschsprachige Konsumgeschichte ein mittlerweile durchaus beachtliches Niveau erreicht hat1, ist die Nationalisierung des Konsums ein Bereich, der häufig doch unterbelichtet bleibt.2 Einige Aufmerksamkeit haben die "Volksprodukte" und die Autarkiepolitik des Nationalsozialismus gefunden.3 Dass diese Phänomene aber in einen breiteren internationalen Kontext von Nationalisierungsbestrebungen im 20. Jahrhundert gehören, dürfte nur den Wenigsten bekannt sein.4 Umso begrüßenswerter ist es, dass der österreichische Historiker Oliver Kühschelm nun diese Forschungslücke füllt mit seiner Habilitationsschrift über die Schweizerwoche (ab 1917) und die Kampagne "Kauft österreichische Waren" (ab 1927). Es handelte sich dabei um zwei "Buy National"-Kampagnen nach britischem Vorbild, die versuchten, inländische Konsument:innen zum Kauf einheimischer Produkte zu animieren. Kühschelms Ziel besteht darin, die "Genealogie nationaler Ökonomie" zu untersuchen, wobei er unter nationaler Ökonomie (im Unterschied zur Nationalökonomie) ein Projekt versteht, das an die Landsleute moralisierende Appelle richtete, entweder patriotisch zu konsumieren oder zu sparen (S. 24). In theoretischer und methodischer Hinsicht knüpft er dabei sowohl an Benedict Andersons konstruktivistischen Nationsbegriff an als auch an Foucaults Diskursanalyse und Nietzsches Genealogiebegriff.

Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert, wovon sich der erste den Akteur:innen widmet, sowohl den beteiligten Organisationen als auch den Expert:innen, wie Ökonom:innen, Reklamefachleuten und Einzelhändler:innen. Rechtlich gesehen waren sowohl der Schweizerwoche-Verband als auch die Arbeitsgemeinschaft "Kauft österreichische Waren" Vereine. Während aber in der Schweizer Kampagne tatsächlich der Geist des männlich geprägten bürgerlichen Assoziationswesens vorherrschte, war der österreichische Gegenpart von parastaatlichen Körperschaften wie der Handelskammer dominiert und stand somit eher in einer zentralistisch-korporatistischen Tradition. Interessant ist, dass der Einfluss von professionellen Reklamefachleuten auf die Kampagnen, die im Kern ja Werbekampagnen für nationale Produkte darstellten, erstaunlich gering war. Zum Teil lag dies daran, dass die Organisator:innen ihre Arbeit eher als eine pädagogische verstanden und sich von der klassischen Werbung zu distanzieren versuchten.

Der zweite Teil untersucht die Diskurse und Inszenierungen der beiden Kampagnen. Wirtschaft wurde häufig als Kreislauf dargestellt, die negative Handelsbilanz als "Loch in der Tasche", durch das Wohlstand abfließt. Solche Diskurse knüpften vor allem in Österreich an den Kameralismus des 18. Jahrhunderts an, dessen Wirkungsgeschichte der Autor in einem eigenen, sehr interessanten Kapitel diskutiert. Die Organisator:innen der "Buy National"-Kampagnen waren sich der Spannung zwischen notwendiger außenwirtschaftlicher Verflechtung und gefordertem patriotischen Konsum durchaus bewusst und distanzierten sich von Autarkiebestrebungen. Insbesondere in Österreich bezweifelten viele Wirtschaftswissenschaftler:innen die ökonomische Lebensfähigkeit des nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Kleinstaates.

Der dritte Teil setzt die Untersuchung der Diskurse und Inszenierungen fort, widmet sich aber stärker den Adressat:innen der Kommunikation. So werden die Kampagnen beispielsweise im Spiegel des Schweizer Satiremagazins "Nebelspalter" und eines österreichischen Lehrlingsmagazins der Nachkriegszeit diskutiert. Allerdings geben die verwendeten Quellen eher Auskunft über die impliziten Adressat:innen als über tatsächliche Rezeptionsprozesse durch Konsument:innen. Der Erfolg der Kampagnen lässt sich auf dieser Grundlage schwer abschätzen. Aufschlussreich sind die Ausführungen gleichwohl: Die österreichischen Plakate der Zwischenkriegszeit fokussierten viel stärker auf die Arbeitslosigkeit als diejenigen aus der Schweiz, die mit Hilfe von Nationalsymbolen die Kaufentscheidung als Votum der Zugehörigkeit zu einer nationalen Gemeinschaft und nicht als Akt der Solidarität mit notleidenden Mitbürger:innen inszenierten. Der Epilog zeichnet den Unterschied zwischen dem heutigen, auf das Image einer Nation im Ausland zielende "Nation Branding" und den untersuchten "Buy National"-Kampagnen nach, die primär nach innen gerichtet waren. Das "Nation Branding" war Teil der neoliberalen Wende der 1990er-Jahre, die mittlerweile selbst wieder Geschichte ist. Ob das Projekt einer nationalen Ökonomie in der Gegenwart eine neue Renaissance erfährt, oder ob seine Zeit längst abgelaufen ist und es nur noch nachhallt, bleibt am Ende offen.

Ein paar kleinere Kritikpunkte seien abschließend genannt: Der Schreibstil könnte etwas flüssiger sein. Die Arbeit ist in theoretischer Hinsicht gut informiert, aber bisweilen scheint der Autor mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, etwa wenn er Bruno Latours Modernebegriff für die Interpretation von Ausstellungen bemüht (S. 466f.). Manchmal überzieht er in seiner Interpretation, insbesondere was die notorisch schwer zu fassende Rezeption angeht. Ob die im patriotischen Sinn verfassten Schüleraufsätze tatsächlich mehr als nur Fassade sind, wie Kühschelm argumentiert (S. 506), lässt sich aus den verfügbaren Quellen nicht mit Gewissheit schließen. Ebenfalls gewagt erscheint es, aufgrund der "breiten Involvierung aller möglichen Institutionen und Akteur∗innen" eine spezifische Wirkung auf die Konsument:innen anzunehmen (S. 553). Trotz dieser Einwände überwiegt aber bei Weitem der positive Eindruck: Insgesamt handelt es sich um eine gründlich recherchierte und theoretisch sehr reflektierte Studie, die eine wichtige Forschungslücke schließt.

Anmerkungen:
1 Heinz-Gerhard Haupt / Claudius Torp (Hrsg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt am Main 2009; Christian Kleinschmidt / Jan Logemann (Hrsg.), Konsum im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 2021 (Handbücher zur Wirtschaftsgeschichte).
2 Als Ausnahme: Oliver Kühschelm / Franz Eder / Hannes Siegrist (Hrsg.), Konsum und Nation. Zur Geschichte nationalisierender Inszenierungen in der Produktkommunikation, Bielefeld 2012.
3 Wolfgang König, Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft: "Volksprodukte" im Dritten Reich. Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, Paderborn 2004; Gustavo Corni / Horst Gies, Brot, Butter, Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers, Berlin 1997.
4 Dana Frank, Buy American. The untold story of economic nationalism, Boston/Mass. 1999; David M. Higgins / Brian D. Varian, Britainʼs Empire Marketing Board and the failure of soft trade policy, in: European Review of Ecoonomic History 25 (2021), S. 780–805.

Redaktion
Veröffentlicht am
25.10.2022
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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit infoclio.ch (Redaktionelle Betreuung: Eliane Kurmann und Philippe Rogger). http://www.infoclio.ch/
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