Zunftgesellschaft zu Metzgern Bern: Der volle Zunftbecher

Titel
Der volle Zunftbecher. Menschen, Bräuche und Geschichten aus der Zunftgesellschaft zu Metzgern Bern


Herausgeber
Zunftgesellschaft zu Metzgern Bern
Erschienen
Bern 2006: Lanius Verlag
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
de Capitani François

Der schön gestaltete Sammelband vereinigt Beiträge aus allen Teilen des Gesellschaftslebens. Den Hauptteil bildet die eigentliche Zunftgeschichte von Daniel Schläppi. Die bernischen Zünfte hatten seit dem Mittelalter eine doppelte Bedeutung. Einerseits bildeten sie eine Handwerksvereinigung mit allen dazugehörigen Pflichten und Rechten; jeder Metzger in der Stadt musste bis zur Revolution dieser Zunft angehören. Andererseits waren die Gesellschaften die Grundorganisationen der Bürgerschaft und erhielten im Verlauf der Zeit Aufgaben im Bereich der öffentlichen Ordnung, der Fürsorge und der – modern gesagt – Einwohnerkontrolle. Metzgern gehörte zu den vier Vennerzünften und war damit eine begehrte Zunft: Wer zu den höchsten Staatsstellen gelangen wollte, musste sich einer Vennerzunft anschliessen. Dem Autor ist es gut gelungen, diese beiden Aspekte des Zunftlebens darzustellen. Kontinuierlich nahmen die Verwaltungsaufgaben zu, im 18. Jahrhundert wurden profunde Kenntnisse der bernischen Verwaltungsabläufe unabdingbar. Daneben wird die Darstellung des Metzgerhandwerks nicht vernachlässigt. Die Fleischversorgung der Stadt gehörte zu den wichtigen obrigkeitlichen Aufgaben und führte immer wieder zu Interessenkonflikten zwischen den Metzgern, die auf ihr Einkommen bedacht waren, und der Obrigkeit, die an einer regelmässigen, preisgünstigen und qualitativ hoch stehenden Versorgung interessiert war. Wie alle anderen Gesellschaften war auch jene zu Metzgern ein Ort der Geselligkeit, ein Ort, wo sich bis ins 18. Jahrhundert Angehörige verschiedener Schichten trafen. Nicht nur die Männer trafen sich zu ausgedehnten Gelagen, auch die Meistersfrauen kamen nicht zu kurz. Als eigene «Societet der Meyster Frauwen» veranstalteten auch sie auf Kosten der Zunft Feste mit reichlichem Essen und Trinken.

Die Revolution veränderte den Charakter der Zünfte nachhaltig. Mit der Handels- und Gewerbefreiheit waren die Handwerke nicht mehr an eine Zunft gebunden und im Gegenzug die Zunft auch nicht mehr zur Aufnahme aller Metzger verpflichtet. Die Helvetische Republik hat mit ihren Gemeindegesetzen letztlich die bis heute andauernde Unterscheidung von Einwohner- und Bürgergemeinde geschaffen, der die Berner Zünfte – als Teile der Burgergemeinde – ihre öffentlich-rechtliche Stellung verdanken.

Die Kapitel zum 19. und 20. Jahrhundert bleiben leider etwas blass. Hier müsste der grössere Rahmen der Verteilung der öffentlichen Aufgaben zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund in seinem vielfältigen und oft verschlungenen Wandel seit 150 Jahren stärker mitberücksichtigt werden.

Die anderen Beiträge des Buches werfen Schlaglichter auf einige Aspekte des Gesellschaftslebens. Peter R. Studer schildert die Geschichte des legendären «Rüblimahls», das bis heute die Männer der Zunft vereinigt und wo «Rüebli» nur eine marginale Rolle im kulinarischen Angebot spielen. Martin Sauerer und Peter Anliker schildern das aktuelle Leben der Gesellschaft in ihren amtlichen und geselligen Anlässen. Klug und kenntnisreich beschreibt Hans-Ueli Richard den Wandel des Metzgerhandwerks im 20. Jahrhundert. Werner Martignoni stellt einen berühmten Aussenseiter der Zunft in seinem politischen Umfeld dar: Jeremias Gotthelf. Im Jahr 1974 wurde das Frauenstimmrecht eingeführt und selbstbewusste Frauen organisierten nun ihre eigenen Anlässe als Gegengewicht zu den traditionellen Männerfesten. Ursula Menkveld-Gfeller zeigt in ihrem Beitrag das Selbstbewusstsein und die Rolle der Frauen in der Zunft seit über 30 Jahren. Sie ist auch die Autorin eines Kapitels zu den erhaltenen Zunftschätzen. Ein letztes Kapitel von Roland Möschler über das spätbarocke Zunfthaus an der Kramgasse rundet den Band ab. Das reich illustrierte Buch bringt viele bisher wenig beachtete Aspekte der Berner Zunft- und Handwerksgeschichte ans Licht, die auch für andere Zunftgeschichten anregend wirken können.

Zitierweise:
François de Capitani: Rezension zu: Zunftgesellschaft zu Metzgern Bern (Hrsg.): Der volle Zunftbecher. Menschen, Bräuche und Geschichten aus der Zunftgesellschaft zu Metzgern Bern, Bern, Lanius Verlag, 2006, 328 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 69, Nr. 4, Bern 2007, S. 316f.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 69, Nr. 4, Bern 2007, S. 316f.

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